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Shamis’ Blog
vor 1 Jahr - 11.03.2023
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Die Wahrheit über Schriftsteller

Weihnachten ist längst vorbei, da klingelt das private Glöckchen von Parfümix-Oberhaupt Nod und verkündet ihm die frohe Botschaft: 

"Du hast einen neuen Follower!"

Nod ist ebenso erfreut wie erstaunt, denn es muss seiner Meinung nach schon ein Weilchen vergangen sein, seit er seine letzte Rezension verfasst hat. Um genau zu sein - zwölf Jahre? Nod kann es kaum glauben, doch ein Blick auf sein literarisches Gesamtwerk lässt da keine Zweifel offen. Wie doch die Zeit verfliegt... In Erinnerungen schwelgend fällt ihm plötzlich ein, dass Rezensionen damals noch Kommentare genannt wurden, was ihn zu einer verzwickten Frage führt: darf er sich eigentlich Rezensent nennen, obwohl er streng genommen nie eine Rezension geschrieben hat, oder verdient er allenfalls die Bezeichnung "Kommentarschreiber a.D."? In den aktuellen Parfümix-Richtlinien findet nichts zu dem schwierigen Thema und beschließt kurzerhand, das Problem auf andere Weise zu lösen: er wird nach langer Schaffenspause endlich wieder oder besser gesagt erstmalig eine Rezension veröffentlichen! Das wird auch seine 240 Follower freuen, die sicher schon ungeduldig auf eine Fortsetzung seiner Schriftstellerkarriere warten.

Wie er schnell merkt, ist das aber leichter gesagt als getan oder vielmehr geschrieben. Gingen ihm seine Kommentare damals noch recht flüssig von der Hand, so will ihm die nun angestrebte Rezension einfach nicht gelingen! Wieder und wieder gibt er sein Bestes, klickt dann aber unmittelbar nach "veröffentlichen" stets wieder auf den Button "löschen". Vielleicht liegt es daran, dass er bereits beim Schreiben ständig an seine erwartungsvollen 240 Leser denken muss, grübelt Nod. So unbeschwert wie in den Anfangsjahren schreibt es sich da natürlich nicht mehr... Dabei fallen ihm so schöne Titel ein wie "Ist der Duft erst ruiniert, lebt sich´s gänzlich ungeniert".

Aber ein guter Titel reicht nun einmal nicht aus, stellt Nod bekümmert fest. Ganz im Gegenteil: je anspruchsvoller die Überschrift, desto höher die Erwartungen an den darunter folgenden Text! Sein ebenso ambitionierter wie minimalistischer Beitrag "Dieses Haus hat früher einmal wesentlich spannendere Düfte lanciert." genügt einfach nicht seinen persönlichen Ansprüchen. Da kann selbst die nachgeschobene Ergänzung "Später einmal mehr dazu." nichts herausreißen. Was nun? Ob er vielleicht einen Ghostwriter...? Aber nein, das kommt für Nod nicht in Frage! Das wäre ja so, als würde man einen Kuchen vom Bäcker als selbstgebacken ausgeben, findet er. Seine Follower haben ein Anrecht auf seine eigenen Texte: von ihm geschrieben, nicht von ihm gekauft. Und wem seine gesalzenen Beiträge nicht schmecken, der muss sie ja nicht essen, äh - lesen. 

Dann eben erstmal ein paar Statements zum Aufwärmen, entscheidet Nod. Die sind auch weniger arbeitsintensiv was ihm sehr entgegenkommt, da er noch allerlei andere Parfümix-Angelegenheiten zu regeln hat. Aber obwohl sein letztes Statement erst wenige Monate her ist, will es ihm heute einfach nicht glücken. Drei Stunden und fünf Pröbchen später sitzt er noch immer ergebnislos vor seinem Bildschirm und wagt einen letzten Versuch mit dem dem verheißungsvoll klingenden Parfum "Inspire Your Mind for Him". Doch inspirieren tut ihn leider gar nichts - da hat er sich wohl wieder einmal zu viel von einem Duft erhofft! Um seiner treuen Anhängerschaft zumindest ein kleines Zeichen des guten Willens zu übermitteln schreibt er jetzt trotzdem ein Statement, wenn auch lediglich bestehend aus dem Hinweis "Das ist nur ein Test." Hastig ergänzt er noch "Wird wieder gelöscht." Er kann ja später noch einmal daran arbeiten; für heute muss erst einmal reichen, beschließt Nod.

Von all der geistigen Anstrengung beginnen die Buchstaben auf seinem Bildschirm allmählich zu verschwimmen - doch was ist das? Ein zweiter Nod winkt ihm aus der Ferne zu, zwar seltsam altmodisch gekleidet doch immerhin nicht ohne einen dicken Flakon in der linken Hand! Mit der rechten schwingt er eine Feder. Eine schöne Alternative zum Papierteststreifen, freut sich Nod. Neugierig tritt er näher.

Oha! Das ist ja gar kein Flakon, es ist ein Tintenfass. Zweifelsohne hat er es hier mit seinem inneren Schriftsteller zu tun. Das trifft sich gut, findet Nod und kommt auch gleich zur Sache. Wo er denn die ganze Zeit gesteckt hat, will Nod wissen. Statt ihm zu antworten zieht der Schriftsteller unglaublicherweise nur fragend die Augenbrauen hoch. Zwölf Jahre (die Statements lässt er jetzt einfach mal weg) seien doch wohl eine mächtig lange Pause, empört sich Nod. Und überhaupt: wo war er denn, als er ihn heute dringend gebraucht hätte? Den halben Tag hat er auf ihn gewartet - umsonst. Der Literaten-Nod verzieht beleidigt das Gesicht. Das sei ja nun wirklich nicht sein Verschulden, behauptet er einfach. Dafür fehle ihm die Muse.

Die Muse? Gehört hat Nod schon einmal davon. Er wusste nur bisher nicht, dass er eine braucht oder wie er sich das vorzustellen hat, erkundigt sich aber dennoch höflich nach des Schriftstellers Wünschen. Doch dieser reagiert ungehalten. Es fehle ihm nicht die Muse, sondern die Muße! Bei seinem Arbeitspensum habe er einfach nicht die Zeit für Nods neuste Spielerei, die räudige Rezension! Über zweihundert Artikel in Nods Blog hätten sich schließlich nicht von alleine geschrieben und überhaupt - was glaube Nod wohl, wie er zu über 200 Followern käme? Aufgebracht schwingt er bei seinen Worten die tintenbenetzte und schon recht abgenutzte Feder durch die Luft.

Das alles leuchtet Nod ein - da hat er seinem Schriftsteller wohl Unrecht getan! Reumütig leistet er Abbitte und bedankt sich für die gute Zusammenarbeit. Dann schläft er zufrieden weiter. Denn auch die Frage, ob er sich nun Rezensent oder Kommentarschreiber a.D. nennen soll, ist ihm mittlerweile egal. Er ist Autor, Blogger, Statementer, Fotograf und noch viel mehr... Kurz gesagt: ein Parfümix, aktiv.

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