Yatagan

Yatagan

Rezensionen
Filtern & sortieren
11 - 15 von 396
Yatagan vor 7 Monaten 76 109
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
5
Duft
Wie viele Penhaligon's braucht die Welt?
Unkommentierte Düfte No. 176

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: einige von uns, deren erste Dufterfahrungen noch aus den 70ern, 80ern oder frühen 90ern stammen, sind die Geisterfahrer der modernen Duftindustrie (und ich gebrauche ganz bewusste diese Formulierung), deren schlingernde Versuche dem Gegenverkehr diverser Designer- und Nischenneuheiten auszuweichen so hilflos wirken, wie das Tragen antiquiert schöner Harris-Tweed-Jacketts. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich zähle mich selbst zu diesen anachronistischen Dinosauriern, die eine Vorliebe für alte sog. Herrendüfte (und richtig schöne alte sog. Damendüfte) haben, auch wenn ein gut gemachter Duft von allen Geschlechtern getragen werden kann und soll.

Penhaligon's war ja früher einer dieser in Deutschland quasi unbekannten, etwas schnurrig skurrilen englischen Marken, die keiner kannte - außer denjenigen, die in den Tagen vor dem Internet einen Katalog von Lothar Ruff aus Berlin besaßen, der solche Düfte enthusiastisch anpries, kompliziert nach Deutschland einführte, von der Masse belächelt, aber von Fans verehrt wurde. Ich durfte ihn noch persönlich kennenlernen, worauf ich ernsthaft stolz bin. Damals hatte Penhaligon's ein paar wenige Düfte in diesen seltsam nostalgischen Flaschen im Angebot, auf denen das Warrant von Prince Charles (das ist der frühere Name des englischen Königs) prangte und die irrsinnigerweise z.T. seit 1872 fast unverändert hergestellt wurden, z.B. das traumhaft schöne "Hammam Bouquet (Eau de Toilette) | Penhaligon's". Dann gab es da noch das bittergrün-zitrische "Blenheim Bouquet (Eau de Toilette) | Penhaligon's" (gerne mal mit Franzbranntwein verglichen, falls das irgendeine*r noch kennt) und ein paar andere, die kaum jemand außer Charles jemals gerochen hatte - und fertig. Gut waren die aber alle und eigentlich Blaupausen für Duftfamilien, die heute noch eine Rolle spielen wie etwa "Fougère" ("English Fern (Eau de Toilette) | Penhaligon's").

Dann kam der Nischenmarkt und irgendjemand bei Penhaligon's muss gemerkt haben, dass man ja eigentlich schon immer Nische war und damit statt hinten ganz weit vorne. In immer kürzerer Folge brachte man Flakons mit lustigen Tierköpfen heraus, in denen irgendwas drin ist, das duftet, und das man, wenn man will, gelegentlich gut finden kann, - und nachdem alle Tiere, die man in englischen Zoos kennt, aufgebraucht waren, musste man sich was Neues überlegen: Neben diversen anderen Linien wie Trade Routes jetzt also "Potions & Remedies".

Meine Erwartungen sind inzwischen so gesunken, dass ich beinahe schon davon ausgehe, dass sich die Qualität des Inhalts in umgekehrtem Verhältnis zur Ästhetik der Flakons verhält und so hatte ich die Befürchtung, dass die neue Serie in wunderschönen Flaschen im alten Penhaligon's-Design wieder sehr banal werden könnte. Um es kurz zu machen: Ich weiß es eigentlich nicht, weil ich sie nicht mehr testen werde, es sei denn sie kreuzen meinen olfaktorischen Weg zufällig über diverse Tauschketten.

Nur "Potions & Remedies - Eau the Audacity | Penhaligon's" wollte ich dann doch mal testen, weil mich Orangenblüte, Rose, Elemi und Weihrauch so reizen wie mich Ambra, Leder und Vanille abschrecken (weil ich an Ambroxan, synthetisch postmoderne Ledernoten und penetrante Süße denken muss) und das Ergebnis ist tatsächlich ernüchternd: Letztere Akzente setzen sich durch und saufen in einer pudrigen Süße ab, die vielleicht durch den Weihrauch noch potenziert wird. Was auch immer die Safranblüte hier noch für einen Anteil hat. Die Blütennoten gehen im Grunde unter und was das mit Kühnheit (audacity) zu tun haben soll, bleibt das Rätsel, das ich gar nicht mehr lösen möchte: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen" (Bertolt Brecht).
109 Antworten
Yatagan vor 9 Monaten 69 111
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Fair bleiben!
Unkommentierte Düfte No. 175

Ich trage mich ja ernsthaft mit dem Gedanken, mal einen Blog zu Drogerie-Düften zu schreiben, und sei es nur, um einen ironischen Kontrapunkt zu den vielen Hypes um Nischendüfte zu setzen. Niemand wird behaupten wollen, dass er auf den neuen Bruno Banani gewartet habe so wie auf den neuesten Guerlain (ich), Xerjoff (viele andere), Prin (Lomros-Communitiy), N.O.A.M (Avantgardist:innen) etc. Irgendwann kommt er halt raus, wird hier auf Parfumo gelistet, steht seit vorgestern in der Drogerie deines Vertrauens und Du nimmst den mit, weil Du gerade noch Duschgel, Zahnpasta und Toilettenpapier brauchtest - oder weil Du Student:in bist und nicht viel Geld zur Verfügung hast und dir auffällt, dass der neueste Ensar Oud dein Konto heillos überziehen würde, der Bruno Banani aber nicht.

Was dann doch immer wieder ganz nett ist, ist die Tatsache, dass man unter diesen Gebrauchsdüften gelegentlich sehr interessante Exemplare schießen kann, z.B. den alten "Bruno Banani Man (Eau de Toilette) | Bruno Banani" , der es seit 2000 zum veritablen Klassiker gebracht hat und eigentlich ein Verwandter des ganz neuen "Sex | Rammstein" ist, weil in beiden ziemlich viel Heliotrop drin ist, was ich sehr schön finde.

Zurück zu "Magnetic Man | Bruno Banani" : Natürlich ist der synthetisch, aber hast Du beim Preis von knapp 12 Euro ernsthaft was anderes erwartet? Und trotzdem kann man das, was drin sein soll, ganz gut nachvollziehen: Bergamotte und Mandarine zu Anfang ist plausibel, etwas Würziges stimmt schon auch und Benzoe / Harziges und ein ganz klein bisschen Rum (zum Glück nicht viel, ich mag diesen Boozy-Quatsch nicht) mit Kunstholz kommt auch hin. Alles in allem riecht der für mich, wenn ich fair bleibe, nach einer Sieben und das ist immerhin zwei Punkte mehr als ich zum Beispiel "Erba Pura | XerJoff" zugestehen konnte, der meiner Erinnerung nach geringfügig teurer ist: wieviel, weiß ich gar nicht genau, weil ich letzteren nicht gekauft habe, ersteren aber schon. Versteht sich.

P.S.: Der Flaköng ist einfach klasse!
111 Antworten
Yatagan vor 11 Monaten 42 66
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
You get what you see!
Unkommentierte Düfte No. 174

Manchmal bekommt man noch genau das, was draufsteht oder drin sein soll, keine Phantasiegebilde aus Glitzer, Lack und Leder.
So ein Duft ist "Kataleya (Fragranza Concentrata) | Spezierie Palazzo Vecchio / I Profumi di Firenze" , den es auch noch in der Variante "Kataleya - Ambra e Patchouly (Eau de Parfum) | Spezierie Palazzo Vecchio / I Profumi di Firenze" gäbe, die ich aber noch nicht testen konnte. Wer was davon weiß, möge sich melden oder wenigstens ein Statement platzieren. Wäre nett!

Die sympathische kleine, aber seit vielen Jahren sehr aktive Marke "Spezierie Palazzo Vecchio / I Profumi di Firenze" hat zwar ein verwirrend vielfältiges Portfolio mit über 200 Düften, aber eben auch ein Spektrum, das seit 1966 gewachsen ist und nicht erst vorgestern auf einen Schlag lanciert wurde. Da darf man also schon von einer gewissen Tradition sprechen, auch wenn das nicht mit jahrhundertealten Traditionsmarken verglichen werden kann. Man beachte den Unterschied zur neuen Nische!
Bei "Kataleya (Fragranza Concentrata) | Spezierie Palazzo Vecchio / I Profumi di Firenze" erfahren wir, dass Ambra, Patchouli, Koriander und Weihrauch drin seien, und auf Ambra, Patchouli, Weihrauch und irgendwas Grünes oder Krautiges hätte ich auch getippt. Passt perfekt - und mehr muss es nicht sein, um einen schönen Duft zu basteln. Die Komponenten sollte man schon mögen, denn alle kommen in guter Balance und in gleicher Gewichtung vor, sind also leicht identifizierbar. Wer damit was anfangen kann, findet hier einen recht preiswerten, jedenfalls nicht nischenteuren Duft, der solides Manufakturwissen repräsentiert.
66 Antworten
Yatagan vor 11 Monaten 77 108
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Shangri La: Lost Horizon
Unkommentierte Düfte No. 173

Maître Parfumeur et Gantier gehört seit jeher zu meinen Lieblingsmarken und leider wird sie auf Parfumo in den letzten Jahren wenig zur Kenntnis genommen, was auch an der restriktiven Veröffentlichungspolitik liegen mag. Grundsätzlich ist mir das aber lieber als die inflationäre Flut der meisten Nischen- und Designermarken: Es lohnt sich kaum noch mitzuzählen, wie viele Düfte in diesem Segment pro Monat erscheinen. Die Zahl ist Legion.
MPG dagegen lanciert nur hin und wieder einen neuen Duft und man hat das Gefühl, dass hier noch die Liebe zu einer durchdachten Komposition hinter jeder Neuveröffentlichung steckt. Das gilt auch für den neuesten Duft der Marke: "Ambre Tibet | Maître Parfumeur et Gantier".

Das Schlimmste und Beste zugleich, was man diesem neuen Duft vorwerfen könnte, wäre eine (zu) starke Nähe zu "Ambre sultan (Eau de Parfum) | Serge Lutens", mit dem er sich tatsächlich drei zentrale Inhaltsstoffe teilt: das in beiden Fällen namensgebende Ambra, Vanille und die von mir sehr geschätzte Zistrose mit ihrem harzigen Akzent (natürlich nur, wenn es sich um die Zistrose als Grundpflanze fürs Labdanum handelt, aber das ist hier offensichtlich der Fall, ebenso wie beim oben erwähnten Duft von Serge Lutens).
Tatsächlich finden sich aber auch eigene Akzente in "Ambre Tibet | Maître Parfumeur et Gantier", das m.E. komplexer als der zuvor genannten Duft ist, was aber nicht unbedingt einen Nachteil bei "Ambre sultan (Eau de Parfum) | Serge Lutens" bedeuten muss. Tatsächlich bevorzuge ich nach wie vor den Lutens-Duft, würde aber den neuen MPG als echte Alternative verstehen. Ob er nach einer Weile sogar noch wächst und seinem Vorgänger ebenbürtig erscheint, werde ich abwarten.

Spontan interessiert hat mich die Davana-Kopfnote, die ich aber nicht identifizieren kann. Davana mag ich sehr und meine es in Düften zu erkennen. In einem so dichten, dunklen, warmen und komplexen Duft geht dieser Grundstoff aber naturgemäß etwas unter. Neben der Zistrose ist auch Patchouli gut isolierbar, verleiht dem Duft den charakteristischen erdig schokoladigen Akzent (bitte nicht im gourmandigen Sinne zu verstehen; Kenner dieses Inhaltsstoffes wissen, was ich meine). Auch der Weihrauch tut dem Duft gut und lässt ihn filigraner erscheinen als das kantig konsequente "Ambre sultan (Eau de Parfum) | Serge Lutens".

Übrigens scheint mir dennoch beim Vergleich der beiden Düfte, dass auch "Ambre sultan (Eau de Parfum) | Serge Lutens" komplexer ist, als es die Angaben des Herstellers nahe legen. Weihrauch und Patchouli könnten dort auch versteckt sein, womöglich auch Sandelholz, das wenigstens sehr plausibel bei beiden Düften ist.

Als ich den Namenszusatz "Tibet" las, musste ich (abgesehen von allen schwierigen Assoziationen im Rahmen des Tibet-Konfliktes) an James Hiltons Fiktion "Shangri La" denken, einem Ort, an dem alle Menschen in einem tibetischen Hochtal in Frieden miteinander leben: ein Synonym für das irdische Paradies. Interessierten empfehle ich den Wiki-Artikel und natürlich das Werk von Hilton: "Lost Horizon". Der Duft trägt etwas davon mit sich.
108 Antworten
Yatagan vor 1 Jahr 63 54
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Auferweckung
In der christlichen Theologie gibt es rund um Karfreitag und Ostern eine Diskussion, ob das griechische Verb εγείρω im Neuen Testament eher Auferstehung oder Auferweckung meine, denn schließlich gehe es ja weniger um ein selbsttägiges Auferstehen, vielmehr um die Tat Gottes. Da wir hier aber nicht in einem Theologie-Proseminar, sondern in einem Parfumo-Proseminar sind, mache ich es kurz: Mit "True Values for Him | Tom Tailor" hat die Bekleidungsmarke Tom Tailor, die bisher noch nicht für besonders ausgefallene Neuerscheinungen bekannt war, ein altes Duftkonzept aus dem Dornröschenschlaf "erweckt", das trotz einiger neuerer Fougère-Düfte in den letzten Jahrzehnten wenig Beachtung erfuhr, obwohl es bis heute von vielen gern getragen wird: den Aromatic-Fougère. Fougère, meine lieben Student*innen, ist ein Duftkonzept, das aus dem an süßes Heu erinnernden Cumarin-Akkord besteht und aus Bergamotte (Kopfnote), Lavendel und Geranium (Herznote) und meist Eichenmoos oder Tonka (Basisnote) zusammengesetzt ist, und das Sie jetzt bitte künftig nicht mehr mit Chypre-Akkorden verwechseln (Bergamotte /Hesperidien, Rose und Jasmin, Eichenmoos und Moschus, teils mit Ergänzungen: oft Patchouli und Sandelholz). Danke!
Beim Aromatic-Fougère gehören außerdem markante grün-würzige Noten dazu, etwa Kräuter (Basilikum, Muskatellersalbei, Salbei, Estragon, Eukalyptus, Kardamom, Wacholder), u.U. weitere Gewürze und häufig auch Zedernholz. Die Blaupause dafür ist übrigens "Azzaro pour Homme (Eau de Toilette) | Azzaro" oder "Drakkar Noir (Eau de Toilette) | Guy Laroche" , von einigen Erstsemestern hier gerne mit Attributen wie "oldschool", Rasierschaum, Rasierseife, alte Männer etc. konnotiert.
"True Values for Him | Tom Tailor" enthält fast alle Inhaltsstoffe von "Nomade (1973) (Eau de Toilette) | d'Orsay" , einem Aromatic-Fougère von 1973, und riecht genauso schön "oldschool", um Ihren sprachlichen Diskurs zu verwenden, wie Düfte aus dieser Zeit. Da er aber zu eigenständig ist, um mit o.g. Düften verwechselt zu werden, lege ich Ihnen diese True Values / wahren Werte für Forschungszwecke ans Herz. Dazu noch ein Tipp: Auf Haut getragen und ohne jede Sensibilität sofort und gierig daran gerochen, kann True Values unangenehm scharf und krautig erscheinen. Tragen Sie ihn wie echte Dandys auf einem Tweed-Jackett, lassen sie ihn wenigstens einige Minuten reifen und genießen Sie den Geruch, der Ihre Nase dann von Zeit zu Zeit quasi absichtslos erreicht, so wie die Nasen der Menschen um sie herum. Er wird seine Wirkung nicht verfehlen.

Hausaufgabe bis zum nächsten Mal: Lernen Sie die Fougère- und Chypre-Formel auswendig!
54 Antworten
11 - 15 von 396