16.09.2023 - 07:44 Uhr
Yatagan
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Yatagan
Top Rezension
76
Wie viele Penhaligon's braucht die Welt?
Unkommentierte Düfte No. 176
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: einige von uns, deren erste Dufterfahrungen noch aus den 70ern, 80ern oder frühen 90ern stammen, sind die Geisterfahrer der modernen Duftindustrie (und ich gebrauche ganz bewusste diese Formulierung), deren schlingernde Versuche dem Gegenverkehr diverser Designer- und Nischenneuheiten auszuweichen so hilflos wirken, wie das Tragen antiquiert schöner Harris-Tweed-Jacketts. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich zähle mich selbst zu diesen anachronistischen Dinosauriern, die eine Vorliebe für alte sog. Herrendüfte (und richtig schöne alte sog. Damendüfte) haben, auch wenn ein gut gemachter Duft von allen Geschlechtern getragen werden kann und soll.
Penhaligon's war ja früher einer dieser in Deutschland quasi unbekannten, etwas schnurrig skurrilen englischen Marken, die keiner kannte - außer denjenigen, die in den Tagen vor dem Internet einen Katalog von Lothar Ruff aus Berlin besaßen, der solche Düfte enthusiastisch anpries, kompliziert nach Deutschland einführte, von der Masse belächelt, aber von Fans verehrt wurde. Ich durfte ihn noch persönlich kennenlernen, worauf ich ernsthaft stolz bin. Damals hatte Penhaligon's ein paar wenige Düfte in diesen seltsam nostalgischen Flaschen im Angebot, auf denen das Warrant von Prince Charles (das ist der frühere Name des englischen Königs) prangte und die irrsinnigerweise z.T. seit 1872 fast unverändert hergestellt wurden, z.B. das traumhaft schöne Hammam Bouquet Eau de Toilette. Dann gab es da noch das bittergrün-zitrische Blenheim Bouquet Eau de Toilette (gerne mal mit Franzbranntwein verglichen, falls das irgendeine*r noch kennt) und ein paar andere, die kaum jemand außer Charles jemals gerochen hatte - und fertig. Gut waren die aber alle und eigentlich Blaupausen für Duftfamilien, die heute noch eine Rolle spielen wie etwa "Fougère" (English Fern Eau de Toilette).
Dann kam der Nischenmarkt und irgendjemand bei Penhaligon's muss gemerkt haben, dass man ja eigentlich schon immer Nische war und damit statt hinten ganz weit vorne. In immer kürzerer Folge brachte man Flakons mit lustigen Tierköpfen heraus, in denen irgendwas drin ist, das duftet, und das man, wenn man will, gelegentlich gut finden kann, - und nachdem alle Tiere, die man in englischen Zoos kennt, aufgebraucht waren, musste man sich was Neues überlegen: Neben diversen anderen Linien wie Trade Routes jetzt also "Potions & Remedies".
Meine Erwartungen sind inzwischen so gesunken, dass ich beinahe schon davon ausgehe, dass sich die Qualität des Inhalts in umgekehrtem Verhältnis zur Ästhetik der Flakons verhält und so hatte ich die Befürchtung, dass die neue Serie in wunderschönen Flaschen im alten Penhaligon's-Design wieder sehr banal werden könnte. Um es kurz zu machen: Ich weiß es eigentlich nicht, weil ich sie nicht mehr testen werde, es sei denn sie kreuzen meinen olfaktorischen Weg zufällig über diverse Tauschketten.
Nur Potions & Remedies - Eau the Audacity wollte ich dann doch mal testen, weil mich Orangenblüte, Rose, Elemi und Weihrauch so reizen wie mich Ambra, Leder und Vanille abschrecken (weil ich an Ambroxan, synthetisch postmoderne Ledernoten und penetrante Süße denken muss) und das Ergebnis ist tatsächlich ernüchternd: Letztere Akzente setzen sich durch und saufen in einer pudrigen Süße ab, die vielleicht durch den Weihrauch noch potenziert wird. Was auch immer die Safranblüte hier noch für einen Anteil hat. Die Blütennoten gehen im Grunde unter und was das mit Kühnheit (audacity) zu tun haben soll, bleibt das Rätsel, das ich gar nicht mehr lösen möchte: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen" (Bertolt Brecht).
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: einige von uns, deren erste Dufterfahrungen noch aus den 70ern, 80ern oder frühen 90ern stammen, sind die Geisterfahrer der modernen Duftindustrie (und ich gebrauche ganz bewusste diese Formulierung), deren schlingernde Versuche dem Gegenverkehr diverser Designer- und Nischenneuheiten auszuweichen so hilflos wirken, wie das Tragen antiquiert schöner Harris-Tweed-Jacketts. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich zähle mich selbst zu diesen anachronistischen Dinosauriern, die eine Vorliebe für alte sog. Herrendüfte (und richtig schöne alte sog. Damendüfte) haben, auch wenn ein gut gemachter Duft von allen Geschlechtern getragen werden kann und soll.
Penhaligon's war ja früher einer dieser in Deutschland quasi unbekannten, etwas schnurrig skurrilen englischen Marken, die keiner kannte - außer denjenigen, die in den Tagen vor dem Internet einen Katalog von Lothar Ruff aus Berlin besaßen, der solche Düfte enthusiastisch anpries, kompliziert nach Deutschland einführte, von der Masse belächelt, aber von Fans verehrt wurde. Ich durfte ihn noch persönlich kennenlernen, worauf ich ernsthaft stolz bin. Damals hatte Penhaligon's ein paar wenige Düfte in diesen seltsam nostalgischen Flaschen im Angebot, auf denen das Warrant von Prince Charles (das ist der frühere Name des englischen Königs) prangte und die irrsinnigerweise z.T. seit 1872 fast unverändert hergestellt wurden, z.B. das traumhaft schöne Hammam Bouquet Eau de Toilette. Dann gab es da noch das bittergrün-zitrische Blenheim Bouquet Eau de Toilette (gerne mal mit Franzbranntwein verglichen, falls das irgendeine*r noch kennt) und ein paar andere, die kaum jemand außer Charles jemals gerochen hatte - und fertig. Gut waren die aber alle und eigentlich Blaupausen für Duftfamilien, die heute noch eine Rolle spielen wie etwa "Fougère" (English Fern Eau de Toilette).
Dann kam der Nischenmarkt und irgendjemand bei Penhaligon's muss gemerkt haben, dass man ja eigentlich schon immer Nische war und damit statt hinten ganz weit vorne. In immer kürzerer Folge brachte man Flakons mit lustigen Tierköpfen heraus, in denen irgendwas drin ist, das duftet, und das man, wenn man will, gelegentlich gut finden kann, - und nachdem alle Tiere, die man in englischen Zoos kennt, aufgebraucht waren, musste man sich was Neues überlegen: Neben diversen anderen Linien wie Trade Routes jetzt also "Potions & Remedies".
Meine Erwartungen sind inzwischen so gesunken, dass ich beinahe schon davon ausgehe, dass sich die Qualität des Inhalts in umgekehrtem Verhältnis zur Ästhetik der Flakons verhält und so hatte ich die Befürchtung, dass die neue Serie in wunderschönen Flaschen im alten Penhaligon's-Design wieder sehr banal werden könnte. Um es kurz zu machen: Ich weiß es eigentlich nicht, weil ich sie nicht mehr testen werde, es sei denn sie kreuzen meinen olfaktorischen Weg zufällig über diverse Tauschketten.
Nur Potions & Remedies - Eau the Audacity wollte ich dann doch mal testen, weil mich Orangenblüte, Rose, Elemi und Weihrauch so reizen wie mich Ambra, Leder und Vanille abschrecken (weil ich an Ambroxan, synthetisch postmoderne Ledernoten und penetrante Süße denken muss) und das Ergebnis ist tatsächlich ernüchternd: Letztere Akzente setzen sich durch und saufen in einer pudrigen Süße ab, die vielleicht durch den Weihrauch noch potenziert wird. Was auch immer die Safranblüte hier noch für einen Anteil hat. Die Blütennoten gehen im Grunde unter und was das mit Kühnheit (audacity) zu tun haben soll, bleibt das Rätsel, das ich gar nicht mehr lösen möchte: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen" (Bertolt Brecht).
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