Sir - Irisch Moos Eau de Toilette

Unchaned
12.06.2021 - 16:54 Uhr
26
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Sportstunde und 'Smoke on the Water'

Die Schulglocke hatte schon zum zweiten Mal geläutet, als Jonas noch auf dem Weg zur Turnhalle war. Jetzt aber schnell, man. Der volle Turnbeutel knallte bei jedem Schritt gegen seine Beine und machte das Laufen nicht leichter. Wenn er zu spät kommt, gibt’s wieder einen Anschiss vom Schmidt, und das wäre dann in dieser Woche schon der zweite. Einen hatte er sich schon in Bio eingehandelt. Jonas hasst Bio.
Aber er schafft es noch gerade eben. Heute ist Turnen am Barren angesagt. Na ja, das geht. Mit seiner guten Koordination und Geschmeidigkeit kein Problem für ihn. In Gedanken war Jonas sowieso schon längst bei Leonie. Um 16 Uhr Gitarrenunterricht, wie jeden Mittwoch. Heute wollte er es endlich packen. Smoke on the Water. Letzte Woche saßen die Akkorde noch nicht und Leonie meinte in ihrer immer gleichbleibend freundlichen Art: „Ach, das macht doch nichts. Das ist wahrscheinlich noch zu früh für dich“. Ha, von wegen. Leonie, die Tochter von guten Bekannten seiner Eltern, die ihn erst seit kurzem unterrichtete. Papa hatte ihm zum 12. Geburtstag seine Alte Fender geschenkt und Jonas war stolz wie Bolle. „Du musst jetzt aber auch anfangen zu üben. Das wird sonst nix“, meinte Papa noch.
Leonie, 5 Jahre älter als er. Mit ihren langen, blonden Haaren und den wasserblauen Augen. Und dieser sanften Stimme. Und sie riecht immer so gut. Ein zarter, unaufdringlicher Duft. Ein bisschen wie der Puder, den Mama manchmal benutzt.
Die Schlappe von letzter Woche konnte er jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen. Das ganze vorige Wochenende hatte er geübt, selbst seine Eltern wunderten sich schon. Und heute würde er es bringen. Ganz sicher. Nur gleich noch mal schnell nach Hause und kurz die Griffe wiederholen. Leonie würde Augen machen!
Nach der Sportstunde muss alles schnell gehen. Duschen muss ausfallen diesmal, die Zeit wird sonst zu knapp. Während die meisten seiner Schulkollegen unter die Duschen hüpfen, nestelt er ein kleines Fläschchen aus seinem Rucksack. ‚Sir Irish Moos‘ liest er auf dem Etikett. Mama hatte letztens ein Körbchen mit alten Parfümproben und Minifläschchen aus einer hinteren Schrankecke gezogen und einiges aussortiert. „Hier, das ist was für Jungs, probier‘ doch mal“, hatte sie zu ihm gesagt und ihm 2 Miniflakons in die Hand gedrückt, diesen und einen anderen, dessen Namen er sich erst gar nicht erst gemerkt hat. Er hatte sie gleichgültig ihr zuliebe angenommen, was sollte er auch mit dem Zeug.
Doch dieses kleine Fläschchen hatte er sich noch morgens in die kleine Rucksacktasche gepackt. Es war ja Leonie Tag, vielleicht könnte man das noch brauchen.
Ungeduldig reißt er jetzt den kleinen Verschluss ab. Er riecht kurz an der Öffnung. Hm.. nicht schlecht, irgendwie frisch. Und nun? Wie kriegt man die Flüssigkeit daraus? Geht ja wohl nur schütten. Mit ungelenken Bewegungen kleckert sich Jonas den Duft auf sein Shirt und auf den Hals bis über die Schultern. Sofort breitet sich eine alkoholische Fahne aus, dicht gefolgt von der krautig-grünen und herben Kopfnote. Au, schon alle. Die Wolke dehnt sich aus. Und bleibt natürlich nicht unentdeckt in der engen Umkleide. Paul, der Klassenclown, hat es natürlich zuerst entdeckt. „Hä“, was riecht hier so.. oohh, seine Augen runden sich, „der Jonas nimmt Parfü-üm, der Jonas nimmt Parfü-üm. Der Jonas hat was vo-hor, der Jonas hat was vo-hor.“ Tönt er mit schriller Stimme, wie ein Affe durch die Umkleide springend. „Ey, Mr. Jones, du riechst korrekt wie mein Alter“, kommt von Mustafa, der etwas älter ist als die anderen und sogar schon im Stimmbruch ist.

Inzwischen hat sich das EdT verdichtet. Den anfänglich frischen, krautigen Noten gesellen sich wärmere hinzu, die auch einen Hauch Lieblichkeit beisteuern. Ein wenig Rosengeranie und die wärmende Nelke federn den Duft sanft ab und In eine sanft würzig-frische Wolke gehüllt, tritt Jonas auf die Straße. Zur Bushaltestelle sind es nur wenige Meter. Er steuert selbstvergessen darauf zu, während er sich fragt, woran ihn der Duft erinnert. Ah ja, an Omas Campingplatz.. ein Stück die Wiese runter verläuft ein kleiner Bach. Wie oft hat er da schon im Sommer gespielt, wenn sie Oma auf dem Platz besuchten. Die Luft dort riecht auch immer so besonders. Nach allerlei Grün, was dort wächst, teilweise im Schatten der Bäume. Und nach Wasser, das über moosbedeckte Steine läuft. Frisch und auch etwas erdig, ein tiefer aromatischer Duft,. Ob die das da hernehmen? Oder aus einem anderen Bach und dann einfach abfüllen? Aber etwas von diesem Kräuterschnaps ist auch drin, den Oma oft ihren Besuchern anbietet. Deshalb auch der Alkoholgestank am Anfang. Ja, so muss es irgendwie sein, entscheidet Jonas.

Seine Aufregung hat sich gelegt. Eine entspannte Stimmung hellt langsam sein Gemüt auf. Ja, die Leonie. Die ist schon cool – aber soo cool nun auch wieder nicht, denkt er und strafft seine Schultern und reckt das Kinn ein wenig höher. Ich bin ja schließlich auch ganz schön cool. Da biegt der Bus schon um die Ecke und hält. Heute wird alles super laufen, denkt er noch und steigt ein.
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