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Top Rezension
Geborgen ins offene Unendliche…
… über uns der weite Nachthimmel: das Kardamomfunkeln der unzähligen Sterne in der Milchstraße, all die vielen Zistrosenschnuppen, die ihre Streifen über den Himmel ziehen und verglühen in diesem Leuchten hell wie Elemi über den schwarzblauen Hintergrund, immer wieder. Diese Nacht unterm Sternenzelt. Oft fühle ich mich so sehr allein – und jetzt lehne ich einfach mein Gesicht an Deine Schulter und lasse es geschehen, dass sich das in diesem Moment absolut richtig anfühlt. Diesseits aller berechtigten und vernünftigen Zweifel, wo das hinführen kann, hinführen soll, hinführen darf. Der Duft Deiner Haut, der noch die Tageswärme enthält. Ich spreche nicht, sage nichts, möchte diesen vollkommenen Augenblick nicht mit Worten fixieren. Ich weiß, Du hörst mich auch so. In all dieser offener Unendlichkeit balsamisch schmerzlichsüß zimtgeborgen.
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Für einen Aēsop ist dieser neue zugleich zart und kraftvoll ausgefallen. Im Ganzen ist er harzig-pudrig-süßlich, dabei durchweg frisch. Er beginnt bei mir mit viel pfeffrig britzelndem würzigem Kardamompuder und sehr viel zunächst kühler heller Zistrose, die nach und nach fast unmerklich wärmer und dunkler wird und ins Labdanum übergeht. Dazu immer wieder helle Harze (Elemi) und heller Weihrauch. Hinzu kommt ein Hauch minimal verschwitzte Haut (Kreuzkümmel) – ich schmelze dahin. Das Ganze wird nach und nach immer wärmer, und Zimt und Vanille ergeben balsamische Wärme im Drydown. Das war komplett vorhersehbar, viel Zistrose, Labdanum, Zimt und Kardamom ist eine Kombination, die mich selten kaltlässt.
Ich kann auch verstehen, dass die Kombination aus Kardamom, Zistrose und Zimt Cola-Assoziationen wecken könnte, auch wenn das nicht meine erste Idee war.
Eine gewisse Verwandtschaft (keine vollständige Ähnlichkeit!) besteht für mich zu Delphine Thierrys auch schönem „Cistus“ von D:SOL MMXVI, der unsüßer und jetzt im nachträglichen Vergleich doch ein wenig kühler und vor allem im Auftakt leicht synthetischer ausfällt. „Above us, Steorra“ ist gerade dabei, ihn von meiner Wunschliste zu schubsen und zu ersetzen.
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„Steorra“ ist das altenglische Wort für „Sterne“. Zum Glück wohne ich in einer nicht stark beleuchteten Gegend, so dass ich in sternklaren Nächten die Milchstraße gut sehen kann. An den meisten Orten gibt es aber künstliches Licht, die Aufklärung hat im wahrsten Sinne des Wortes alles beleuchtet. Und was sich nicht beleuchten lässt, das zählt meist nicht. Oder doch? Gibt es überhaupt noch Unbekanntes? Und wenn doch: Können wir dem Unbekannten vertrauen? Oder sind wir verloren?
Dieser Duft ist für mich das Gegenmittel gegen die von Georg Lukács‘ benannte „transzendentale Obdachlosigkeit“, das Gefühl der modernen Menschen, die ihre Verbindung zu einer sinnvollen, kosmischen Ordnung verloren haben: Während die Menschen zur Zeit der Homerischen Dichtung ein Gefühl der Einheit mit dem Schicksal hatten, gebe es in der Moderne eine Entfremdung von diesem universellen Zuhause. Dies äußert sich in einer tiefen Einsamkeit.
Und hier - fühle ich mich jetzt geborgen.
Die Parfumeurin Céline Barel nennt als Inspiration für ihren Duft zum einen den nächtlichen Sternenhimmel mit Sternschnuppen, zum anderen einen Haiku Mayuzumi Madokas, „Shooting Star“, das die Möglichkeiten der Liebe im Offenen, Unsicheren, Unbekannten feiert:
a shooting star -
in love, not knowing
where it will lead.
(Madoka Mayuzumi)
Nicht wissen, wo es hinführt, und sei es ins Verglühen – und mich doch geborgen darauf einlassen. Das ist Liebe.
Einige Zitate von Céline Barel und der Hinweis auf Mayuzumis Haiku finden sich hier:
https://scentadvice.com/above-us-steorra-2025-aesop/
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Für einen Aēsop ist dieser neue zugleich zart und kraftvoll ausgefallen. Im Ganzen ist er harzig-pudrig-süßlich, dabei durchweg frisch. Er beginnt bei mir mit viel pfeffrig britzelndem würzigem Kardamompuder und sehr viel zunächst kühler heller Zistrose, die nach und nach fast unmerklich wärmer und dunkler wird und ins Labdanum übergeht. Dazu immer wieder helle Harze (Elemi) und heller Weihrauch. Hinzu kommt ein Hauch minimal verschwitzte Haut (Kreuzkümmel) – ich schmelze dahin. Das Ganze wird nach und nach immer wärmer, und Zimt und Vanille ergeben balsamische Wärme im Drydown. Das war komplett vorhersehbar, viel Zistrose, Labdanum, Zimt und Kardamom ist eine Kombination, die mich selten kaltlässt.
Ich kann auch verstehen, dass die Kombination aus Kardamom, Zistrose und Zimt Cola-Assoziationen wecken könnte, auch wenn das nicht meine erste Idee war.
Eine gewisse Verwandtschaft (keine vollständige Ähnlichkeit!) besteht für mich zu Delphine Thierrys auch schönem „Cistus“ von D:SOL MMXVI, der unsüßer und jetzt im nachträglichen Vergleich doch ein wenig kühler und vor allem im Auftakt leicht synthetischer ausfällt. „Above us, Steorra“ ist gerade dabei, ihn von meiner Wunschliste zu schubsen und zu ersetzen.
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„Steorra“ ist das altenglische Wort für „Sterne“. Zum Glück wohne ich in einer nicht stark beleuchteten Gegend, so dass ich in sternklaren Nächten die Milchstraße gut sehen kann. An den meisten Orten gibt es aber künstliches Licht, die Aufklärung hat im wahrsten Sinne des Wortes alles beleuchtet. Und was sich nicht beleuchten lässt, das zählt meist nicht. Oder doch? Gibt es überhaupt noch Unbekanntes? Und wenn doch: Können wir dem Unbekannten vertrauen? Oder sind wir verloren?
Dieser Duft ist für mich das Gegenmittel gegen die von Georg Lukács‘ benannte „transzendentale Obdachlosigkeit“, das Gefühl der modernen Menschen, die ihre Verbindung zu einer sinnvollen, kosmischen Ordnung verloren haben: Während die Menschen zur Zeit der Homerischen Dichtung ein Gefühl der Einheit mit dem Schicksal hatten, gebe es in der Moderne eine Entfremdung von diesem universellen Zuhause. Dies äußert sich in einer tiefen Einsamkeit.
Und hier - fühle ich mich jetzt geborgen.
Die Parfumeurin Céline Barel nennt als Inspiration für ihren Duft zum einen den nächtlichen Sternenhimmel mit Sternschnuppen, zum anderen einen Haiku Mayuzumi Madokas, „Shooting Star“, das die Möglichkeiten der Liebe im Offenen, Unsicheren, Unbekannten feiert:
a shooting star -
in love, not knowing
where it will lead.
(Madoka Mayuzumi)
Nicht wissen, wo es hinführt, und sei es ins Verglühen – und mich doch geborgen darauf einlassen. Das ist Liebe.
Einige Zitate von Céline Barel und der Hinweis auf Mayuzumis Haiku finden sich hier:
https://scentadvice.com/above-us-steorra-2025-aesop/
36 Antworten
Was für ein wundervoller Text ist das, wow, ich bewundere Deine Fähigkeit, sich von Parfums inspirieren zu lassen!
An diesen Platz erinnert mich deine Rezension. Danke für die schönen Zeilen! Und der Duft klingt allemal interessant! 😊
So etwas liebe ich ja.
Mit ganz viel Sternen gefüllter Pokal für Dich ✨🏆✨
Dankeschön wieder einmal für deine wunderbaren Worte ☺️🙏
Bin auch sehr sehr dankbar an so einem Ort leben zu dürfen…
War schon gespannt auf deine Rezension zu Above Us,Steorra.
Die Verwandtschaft zu Cistus finde ich interessant! Oh,ja dieser ist sehr kühl an mir.
Ich denke Sterne sind die bessere Wahl. 🌟
Wenn dann noch der Sternenhimmel sich zeigt…
Großes Kino!!!
Und die von Georg Lukács‘ benannte „transzendentale Obdachlosigkeit“ hat mit Transzendenz nichts zu tun - wahre Transzendenz IST Geborgenheit im Alles und im Nicht-Benennbaren. Was er beschreibt ist eine Verengung der Identität auf das Ego - und da findet sich aufgrund dessen Abspaltung vom Rest der Welt nur Einsamkeit.
Meiner kommt übrigens heute an. 🥳
🏆
Heute kann ich länger gucken ☺️
Bekommst nur einen Pokal. Weil, mehrere geht ja nicht.
☺️