Askew Humięcki & Graef 2008
32
Top Rezension
Für Tote zahlst Du mir Zoll
Wut als Duft. Aha. Das ist neu für mich und bedarf des Herantastens. Nähern wir uns dem Thema daher von vertrauterem Terrain aus:
Wenn es eine Skala der Intensität von Wut in der Musik gibt, so markiert vielleicht Beethovens „Wut über den verlorenen Groschen“ - eine augenzwinkernde Bezeichnung, die nicht einmal vom Meister persönlich stammt – deren eines Ende. Das andere sind womöglich die von Alexander Kipnis in der Rolle des Hunding gesungenen Sätze „Verhasst ist es allen und mir.“ und „Für Tote zahlst Du mir Zoll.“, mit denen der grimmige Germane Blutrache gelobt. Zu hören im ersten Aufzug der „Walküre“ von Richard Wagner (Metropolitan Opera, Dezember 1941, Erich Leinsdorf; youtube.com/watch?v=S9W-REUSzH8 – bei 27:34 und 28:44 min.).
Kipnis blieb in beiden Phrasen knapp unterhalb des Schreiens, derlei hatte er nicht nötig. Denn trotzdem wird die kaum bezähmbare Wut Hundings deutlich. Einzig das Gastrecht hält ihn davon ab, den im eigenen Haus angetroffenen Feind auf der Stelle anzugreifen.
Ich komme darauf, weil mich auch Askew keineswegs anschreit. Ich hatte anderes erwartet. Schließlich sprechen die Hersteller selbst von der durch Zerstörung freigesetzten Energie, aus der Neues entsteht. Das erinnert mich übrigens verdächtig an die Schöpferische Zerstörung nach Joseph Schumpeter, mithin an mein Studium der Wirtschafts-„Wissenschaften“ – fraglos einer meiner zäheren Lebensabschnitte. Letzteres nur nebenbei.
Möglicherweise brauche ich mehr Geduld und später schreit was? Der Auftakt ist jedenfalls recht ruhig. Er hat etwas Pilzhaftes („z“, nicht „s“). Nebst bitterer Zitrusfrucht. Dazu mit Fußbodenreiniger getränkter Wischmopp. Und Moder. Als Klammer darum bietet sich mir gezähmter Birkenteer, dem nichts Kratzig-Finsteres anhaftet. Ja, er ist dermaßen wenig finster, dass ich ohne Ansage eine Weile daran herumgeraten hätte. Das hindert ihn freilich nicht, vernehmlich jene bereits diagnostizierte Muffigkeit zu entfalten. Meine Kollegin meinte beim Betreten meines Büros: „Riecht wie Moder. Vermoderndes Laub; Waldboden oder so.“ Na super - genau so wollte ich riechen.
Ein Neubeginn ist dringend erforderlich, das steht fest. Hoffentlich schreit (oder komplimentiert meinetwegen) der den Moder weg. Immerhin findet der Konflikt Hunding-Siegmund im zweiten Aufzug der Walküre in einer donnernden Katastrophe sein tragisches Ende. Ich warte. Und da Herr Wuchsa in Sachen Veränderung schon den metaphorischen Phönix aus der Asche bemüht, warte ich halt stattdessen sinnbildlich auf die Tonika nach der bachschen Modulation oder die Glocke zum Abschluss der Religions-Stunde. Aber was letztlich geschieht, fügt sich nicht in das verbale Waffen-Arsenal des Marketings.
Es kommt schlichtweg zu einem raschen Schwenk: Eine Rest-Säuerlichkeit, die mich wegen ihrer stumpf-seifigen Art mehr an ein Überbleibsel von Bergamotte als von Grapefruit erinnert, hebt eine Frisch-Sauber-Note aus der Taufe, die vom Teer bloß noch geerdet wird. Im Laufe des Nachmittags dreht sie allmählich weiter ins Wässrig-Frisch-Seifige, der verbliebene Teer hellt auf und Askew könnte im Stil fast als klassisch angehaucht gelten. Charaktervoll-herb, sogar edel! Tadellos zum Anzug, wer hätte das gedacht? Ich bin sehr angetan von der apart-originellen Noblesse, die Askew jetzt ausstrahlt.
Das darf nun definitiv tatsächlich den Anspruch erheben, neu entstanden zu sein. Allein: Will ich für einen flinken Halbzeit-Schwenk hin zu einem wunderbar tragbaren Duft den Vormittag über vor mich hin modern? Na ja, besser als andersherum, so hat man was, worauf man sich freuen kann.
Fazit: Duft vorne irgendwo zwischen Puh und anstrengend (davon hätten mir ein bis zwei Stunden gereicht), hinten echt prima (da hättet Ihr die gesparten Stunden draufschlagen dürfen); per saldo in Ordnung und zweifellos ganz spannend. Das Thema bleibt mir indes eher ein Rätsel. Und für einen derart experimentellen Duft finde ich eine 100ml-Bembel-Größe völlig ungeeignet.
Ich bedanke mich bei Ergoproxy für die Probe – ähem: Einen Vorteil haben 100ml dann natürlich doch...
Wenn es eine Skala der Intensität von Wut in der Musik gibt, so markiert vielleicht Beethovens „Wut über den verlorenen Groschen“ - eine augenzwinkernde Bezeichnung, die nicht einmal vom Meister persönlich stammt – deren eines Ende. Das andere sind womöglich die von Alexander Kipnis in der Rolle des Hunding gesungenen Sätze „Verhasst ist es allen und mir.“ und „Für Tote zahlst Du mir Zoll.“, mit denen der grimmige Germane Blutrache gelobt. Zu hören im ersten Aufzug der „Walküre“ von Richard Wagner (Metropolitan Opera, Dezember 1941, Erich Leinsdorf; youtube.com/watch?v=S9W-REUSzH8 – bei 27:34 und 28:44 min.).
Kipnis blieb in beiden Phrasen knapp unterhalb des Schreiens, derlei hatte er nicht nötig. Denn trotzdem wird die kaum bezähmbare Wut Hundings deutlich. Einzig das Gastrecht hält ihn davon ab, den im eigenen Haus angetroffenen Feind auf der Stelle anzugreifen.
Ich komme darauf, weil mich auch Askew keineswegs anschreit. Ich hatte anderes erwartet. Schließlich sprechen die Hersteller selbst von der durch Zerstörung freigesetzten Energie, aus der Neues entsteht. Das erinnert mich übrigens verdächtig an die Schöpferische Zerstörung nach Joseph Schumpeter, mithin an mein Studium der Wirtschafts-„Wissenschaften“ – fraglos einer meiner zäheren Lebensabschnitte. Letzteres nur nebenbei.
Möglicherweise brauche ich mehr Geduld und später schreit was? Der Auftakt ist jedenfalls recht ruhig. Er hat etwas Pilzhaftes („z“, nicht „s“). Nebst bitterer Zitrusfrucht. Dazu mit Fußbodenreiniger getränkter Wischmopp. Und Moder. Als Klammer darum bietet sich mir gezähmter Birkenteer, dem nichts Kratzig-Finsteres anhaftet. Ja, er ist dermaßen wenig finster, dass ich ohne Ansage eine Weile daran herumgeraten hätte. Das hindert ihn freilich nicht, vernehmlich jene bereits diagnostizierte Muffigkeit zu entfalten. Meine Kollegin meinte beim Betreten meines Büros: „Riecht wie Moder. Vermoderndes Laub; Waldboden oder so.“ Na super - genau so wollte ich riechen.
Ein Neubeginn ist dringend erforderlich, das steht fest. Hoffentlich schreit (oder komplimentiert meinetwegen) der den Moder weg. Immerhin findet der Konflikt Hunding-Siegmund im zweiten Aufzug der Walküre in einer donnernden Katastrophe sein tragisches Ende. Ich warte. Und da Herr Wuchsa in Sachen Veränderung schon den metaphorischen Phönix aus der Asche bemüht, warte ich halt stattdessen sinnbildlich auf die Tonika nach der bachschen Modulation oder die Glocke zum Abschluss der Religions-Stunde. Aber was letztlich geschieht, fügt sich nicht in das verbale Waffen-Arsenal des Marketings.
Es kommt schlichtweg zu einem raschen Schwenk: Eine Rest-Säuerlichkeit, die mich wegen ihrer stumpf-seifigen Art mehr an ein Überbleibsel von Bergamotte als von Grapefruit erinnert, hebt eine Frisch-Sauber-Note aus der Taufe, die vom Teer bloß noch geerdet wird. Im Laufe des Nachmittags dreht sie allmählich weiter ins Wässrig-Frisch-Seifige, der verbliebene Teer hellt auf und Askew könnte im Stil fast als klassisch angehaucht gelten. Charaktervoll-herb, sogar edel! Tadellos zum Anzug, wer hätte das gedacht? Ich bin sehr angetan von der apart-originellen Noblesse, die Askew jetzt ausstrahlt.
Das darf nun definitiv tatsächlich den Anspruch erheben, neu entstanden zu sein. Allein: Will ich für einen flinken Halbzeit-Schwenk hin zu einem wunderbar tragbaren Duft den Vormittag über vor mich hin modern? Na ja, besser als andersherum, so hat man was, worauf man sich freuen kann.
Fazit: Duft vorne irgendwo zwischen Puh und anstrengend (davon hätten mir ein bis zwei Stunden gereicht), hinten echt prima (da hättet Ihr die gesparten Stunden draufschlagen dürfen); per saldo in Ordnung und zweifellos ganz spannend. Das Thema bleibt mir indes eher ein Rätsel. Und für einen derart experimentellen Duft finde ich eine 100ml-Bembel-Größe völlig ungeeignet.
Ich bedanke mich bei Ergoproxy für die Probe – ähem: Einen Vorteil haben 100ml dann natürlich doch...
16 Antworten


Danke für die wunderbaren Zeilen :)