Chnokfir
Top Rezension
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Tempo-30 und wilde Kirschen mal anders
Ich könnte ja jetzt wieder die olle Geschichte zum Besten geben, wieso ich in meinem leider nicht mehr ganz so jungen Leben noch nie an einer einzigen Zigarette gezogen habe. Nicht, dass es nicht genügend Gelegenheiten gegeben hätte, man hat mir mehr als genügend Glimmstängel angeboten, und auch stressige Anlässe hätte es mehr als genügend gegeben, wo es sich sicherlich mehr als nur angeboten hätte, mal ganz tief zu inhalieren. Aber ich blieb bislang standhaft und bereue es nicht. Und so kommt es, dass bei der einen oder anderen Gelegenheit eine Tüte an meiner Nase vorbei seine Runde machte. Ich will nicht behaupten, dass ich den Geruch sonderlich ansprechend finde, so dass ich auch hier der Meinung bin, nichts verpasst zu haben. Stundenlang albern herumkichern kann ich auch so - bei den letzten Parfumo-Treffen hatte ich nur leider keine Gelegenheit dazu.
Beim letzten Parfumo-Treffen bekam ich statt dessen ein Pröbchen zu einem Kauf mit dazu gepackt. Die freundliche Parfumeriefachverkäuferin nannte es einen Kontra-Punkt zu meinem Kauf "Wild Cherry" von Mancera. Nun, die Dame sollte ihr Wort halten.
Die Flakons von Jusbox stechen schon ein wenig aus dem oft tristen Allerlei heraus, Ein Klarglas-Vierkant mit sehr solidem Boden und farblichen Akzenten, die den gesamten Flakon erstrahlen lassen, gekrönt von einem schwarzen Knauf, auf dem eine stilisiert Vinyl-Scheibe thront. Das alles verpackt in einem voluminösen und sehr schön bedruckten Karton. Sehr ansprechendes Design, dass sich von A bis Zet durchzieht - sowas mag ich! Bei diesem Parfum hat man ein kräftiges Grün gewählt, was ihm ebenfalls sehr zu Gesicht steht, den Duft schmissig "Green Bubble" getauft. Leider wollen mir bis dato keine Bilder einfallen, die diesen Namen rechtfertigen - Imbusschlüssel, Speckknödel, Tempo-30-Zone oder Gänseblümchen wären aber ähnlich irreführend.
Mit dem ersten Sprüher kommen hingegen gleich Assoziationen zu einem anderen arg gehypten Duft und eine Stimme in mir stöhnt genervt: "Och, nee!" Mit diesen muffigen Marihuana-Gestinke kann ich nun mal so was von gar nix anfangen. Wäre da jetzt nicht eine sehr leise Anmutung einer etwas sauren und doch süsslichen Zitrusfrucht, die mich erst einmal von rituellen Waschungen abhielt. Nicht, dass jetzt hier etwas abgemildert wird, es untermalt eher, hellt auf, sorgt für freundliche Momente. Und so wie beim Schubeck Alfons der Ingwer stets seinen Spezl, den Chilli, mit im Gepäck hat, so folgen der würzigen Rauchware dunkle und trockene Hölzer sowie Weihrauch und Patchouli nach. Glücklicherweise bildet das alles eine dichte Wolke und mal wabert das eine, mal das andere in den Vordergrund. Ist die ersten Woge noch sehr stark, so mildert sich der Duft nach einer Viertelstunde doch merklich ab, setzt sich dann allerdings wie ein Nebel fest und hält einen über den Tag hinweg gefangen. Ein Duft mit Steherqualitäten also.
Man muss sowas mögen und man muss diesen Duft gezielt einsetzen können. Entweder als Provokation oder als Unterstreichung seiner Person, einer Situation. Obwohl der Duft in seiner gesamten Ausprägung eine sehr maskuline Anmutung hat, fallen mir doch ohne Mühen ein paar Frauen ein, die diesen Duft nicht nur lieben, denen der Duft auch sehr stehen würde. Und das, obwohl der Duft für mich keine weiblichen Momente hat.
Jetzt bin ich schon lange genug Parfumo, doch die ans Götzentum erinnernde Verehrung diverser Nasomatto-Düfte und in seiner Überhöhung in Form von Black Afghano konnte ich bislang nicht vollständig nachvollziehen. Jetzt liegt mir hier ein Duft vor, der wieder eine Cannabis-Note mit dreckigen Hölzern vereint, doch bin ich diesmal nicht ganz so abgeneigt. Vielleicht, weil nicht ganz so in-your-face, nicht ganz so vehement, nicht ganz so schreiend. Doch auch hier ruft mich wieder nichts "Kauf mich!" Bleibe wohl besser bei meiner "Wild Cherry", den Duft mag meine schwebende Pfirsichblüte nämlich sehr an mir.