Ambraliquida

Florecilla
01.11.2021 - 15:50 Uhr
21
Top Rezension
8
Preis
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

„… als welkten in den Himmeln ferne Gärten…“

Ambraliquida – dieser nach einem Zauberspruch klingende Parfumname faszinierte mich seit längerer Zeit. Und jedesmal, wenn in einem Harry-Potter-Film "Avada Kedavra!" zu vernehmen war, musste ich an den "Ambraliquida" denken:) Keine Sorge - der Duft ist keineswegs so morbide, wie der Todesfluch aus dem J. Rowling-Universum, sondern überraschend gut.

Überraschend - weil es nämlich ein Blindbay war. Es gab für mich damals keine Möglichkeit, die Düfte von L'Erbolario zu testen, daher musste ich den Ambraliquida blind bestellen. Und da die sympathische italienische Marke ihre Produkte für absolut akzeptable Preise anbietet, fiel mir die Entscheidung leicht.

Warum ich den Duft überhaupt bestellt habe? Wegen des Namens (s. oben), und wegen meines Wunsches, etwas abseits der floralen Schiene auszuprobieren. Was wäre da am besten geeignet, wenn nicht ein Amberduft, ein Duft also, dessen Hauptsubstanz seit Jahrtausenden ihre Verwendung in Parfums findet – nämlich der flüssige Amber, das Harz des Amberbaumes.

Bevor wir zur duftenden Essenz übergehen, ein paar Worte schon jetzt zur Verpackung und zum Flakon - ein virtuelles Unboxing also:), denn ich finde die Gestaltung von Beidem durchaus gelungen. Besonders der Flakon hat mir bereits auf Werbefotos angetan – dieses satinierte dunkelbraune Glas passt sehr gut zum Duftcharakter und hat sich haptisch ein Handschmeichler erwiesen. Der Schriftzug sowie die Kappe – beides in Bronze gehalten – ebenfalls durchaus passend. Den weißen Karton zieren die goldgeben Blätter des besagten Amberbaumes, was erstens sehr ansprechend und zweitens sehr authentisch aussieht – drin ist, was drauf ist.

Was ist denn nun drin? Nach meinem Empfinden – genau das, was Pinkdawn in ihrer lesenswerten und treffenden Rezension geschrieben hat: als „…wenn man eine nach langer Zeit wiedergefundene Schachtel öffnet, auf der Herbst steht“. Der Duft ist warm, weich, trocken, leicht würzig, deutlich balsamisch. Styrax und Labdanum spielen hier die Hauptrollen. Obwohl ich dem Duft zunächst seine Süße abgesprochen habe, würde ich ihm diese jetzt doch noch attestieren. Allerdings ist das weder die klebrige Süße einer orientalischen Nascherei noch die Süße modrigen Blattwerks, sondern die dezente Süße, die uns der Wind an einem milden Oktobertag samt anderen herbstlichen Aromen bringt.

So riecht nämlich für mich der „Ambraliquida“ – nach einem Herbsttag, der nicht unbedingt von der Sonne, sondern eher von herrlich goldrotem Laub erleuchtet ist. Dieser Duft lässt mich verschlungenen Wegen in einem herbstlichen Park entlangwandern, wo der harzig-balsamische Wind trockene Blätter um mich herumwirbelt… Ach was - man wird SELBST zu einem Herbstblatt und ist bereit, entlang des Pfades vom Wind getrieben zu werden! Und das liegt ebenfalls an dem Duftcharakter – er ist nämlich einnehmend, durchdringend-ummantelnd (für Amberdüfte durchaus charakteristisch, wie ich jetzt gelernt habe). Und da die Haltbarkeit und Sillage ordentlich abliefern, sollte man mit dem Sprühen vorsichtig sein.

Der Ambraliquida ist für mich ein schöner „Stimmungsduft“, der – so wie der Gris Clair - eher für den inneren Gebrauch bestimmt ist. Kein „Show-off“-Duft, obwohl sehr präsent in seiner Erscheinung. Er ist weit entfernt von lieblichen bzw. verfüherischen floralen "Komplimentmagneten" und trotzdem ist er mir lieb :)

PS. Ich zitiere in der Überschrift die wunderbaren Zeilen von R.M.Rilke („Herbst“ aus dem "Buch der Bilder" 1906)
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