Bristol Club Miguel Matos 2020

Wensker kam gerade vom Wochenendausflug in die alte Heimat zurück, da wartete in Bayern bereits ein neuer Fall auf ihn. Tatort war der stadtbekannte Bristol Club, stadtbekannt vor allem da es der einzige Club im Ort war. Dieser Club galt gemeinhin als Zufluchtsort auch vieler auswärtiger älterer und betuchter Herren, die hier Zigarren, gutem Whiskey und anderen Dingen frönten. Hier geschah das Undenkbare, eines ihrer Mitglieder wurde entführt und nur ein Zettel hinterlassen: „M._T., das schreibt man zusammen!“
„Was kann das bedeuten, Chef? Bin mal bei Mc Donalds?“
„Schaller...wann sind Sie eigentlich aus der Schule raus? Wir wissen noch nicht was das bedeutet aber ich hab das schon mal gesehen...das ist viele Jahre her und ich hatte es verdrängt...nehmen Sie hier alles auf, ich muss Mal telefonieren!“

Es klingelte: „Cravachski, JVA Herne, bitte? Aha....na gut, Herr Kommissar. Ich hole ihn her!“
Eine Zelle öffnete sich.
„Herr Wollny? Sie werden verlangt!“
Etwas später:
„Wolle, wie ergeht es dir im Gefängnis?“
„Naja, kein Bier und waschen darf man sich hier auch nicht.“
Ein Zwischenruf: „doch und wir alle wünschten uns, du würdest dich endlich mal waschen!“
„Immerhin muss ich meine Frau nicht sehen, ich weiß nicht mal mehr ob sie Ilse hieß oder Pamela Anderson. Oder Bill. Aber genug, warum telefonieren wir?“
„Naja, du erinnerst dich an die mysteriösen Schreiben die ihr erhalten hattet, als euer Rockerclub kurz Bristol Club hieß? Verschwanden da nicht auch ein paar eurer Novizen?“
„Ohne Bier arbeitet mein Gehirn nicht so gut aber so war es. Den Schuldigen hattet ihr ja nie gefasst!“
„Äh, doch, es war der Gärtner.“
„Ach...stimmt, Berthold Flavius von Testerolus Monsieur-Burgeck Gärtner, oder wie ihn seine Freunde nennen: Monsieur Test.“
„MonsieurTest meinst du.“
„Es geht aber auch Monsieur_Test.“
„Ok, danke Wolle, ich lass dir einen Bierkuchen reinschmuggeln, ich melde mich!“
Da war sie, die heisse Spur! Nun musste er erst mal wieder in den Bristol Club!

Als Wensker den Club betrat, fielen ihm gleich zu Beginn die frisch gewienerten Lederschuhe - rahmengenäht, was sonst? - der Herren auf. Außerdem das Wässerchen mit dem einer der Angestellten die Schuhe putzte. „Riecht ja etwas sehr nach Orange, muss ich sagen. Etwas süß.“
„Herr Kommissar, warten Sie ab. Das entfaltet sich gleich zu einem wachsartigen Duft, bleibt aber zitrisch spritzig. Jedenfalls für den Moment.“
„Wirkt auch etwas würzig auf mich. Gut, ich habe nichts gesagt.“

So ging Wensker weiter und inspizierte die Zimmer, als er in einem Zimmer Rubert und Schaller sah: „Kollegen, ist es denn? Ihr sollt Beweise sichern, nicht mit der Tageszeitung und Cognac in der Hand Pfeife rauchen!“
„Undercover-Ermittlung, Chef. Werde eins mit deinem Umfeld.“
„Ihr Torfnasen wisst schon, dass euch dabei eure Polizei-Uniform wenig hilfreich ist, oder?“
„Oh....äh.....“

Wensker folgte der Honigspur mit beigelegten Orangenblüte, bemerkte dass da Lavendel beigemischt war. „Der kommt aber sehr herb-krautig, so habe ich Lavendel noch nicht gerochen. Aber kein Wunder, bei Monsieur Gärtner!“
Er stoppte dann am angrenzenden Kiefernhain. Der Wind toste in den Ästen, der Himmel war grau und trist. Der Duft der Kiefern wurde zu Wensker herüber geblasen, es war ein sehr ätherischer, mächtiger, würzig-olivgrüner Duft. Die Mischung aus all diesen olfaktorischen Impressionen projizierte ein grün-animalisches Bild; rau, hart, bitter und kompromisslos.

Als er dies immer und immer wieder in seinem Kopf wiederholen ließ, da war es ihm klar! Die Novizen hatten Wolles Clubhaus damals zu einer Art Fetisch-Freudenhaus umbauen wollen, er hatte sich hier vor Ort nur die Bereiche zeigen lassen, die die älteren Herren zeigen wollten! Da würde doch nicht....mehr dahinter stecken? Außerdem: M_T konnte doch nicht einfach so zwei Menschen verschleppen! Hier in der Pampa! Und überhaupt: woher kam dieses Stöhnen und Rascheln in den Büschen? Als wären da gefesselte Personen verborgen...aber Ruhe! Ruhe, ermahnte sich Wensker, nicht ablenken lassen, auch nicht von den Kleidungsstücken vor dem Gebüsch und dem seltsamen maskierten Mann, der ins Gebüsch ging, einige Male etwas zu malträtieren schien nur um danach dieses merkwürdige Geraschel abzustellen.

Es reichte! Er musste wieder zum Bristol Club! Hier duftete es dann moosig-grün, eher entspannend, das Kiefern-Intermezzo war vorbei.
„Ok, das Spiel ist aus, das hier ist doch so eine spezielle Bude, gebt’s schon zu!“
„Herr Wensker, das hat niemand bestritten und ist Ihnen das nicht aufgefallen bei unserer Lack und Leder-Kleidung?“
„Achso...jetzt wo Sie das sagen....Rubert, warum haben Sie auch so einen Fummel an? Schaller....?“
„Werde eins mit der Umwelt“, raunten beide.
„Ok aber wo ist jetzt Monsieur-Test?“
„MonsieurTest“, korrigierte man den Kommissar im Chor.
„Ja, genau der.“
„Vorhin gegangen. Er dachte, Sie kämen früher drauf, ist in Edes Wirtschaft im Dorf.“
„Rubert und Schaller, habt ihr den nicht festgenommen?“
„Wir sollten inspizieren, Chef. Wir haben auch nur zwei Hände.“
Wensker verließ entnervt den Club und blickte noch einmal in das Tal bevor er ins Auto stieg. „Zwei Hände.....zwei Gehirne wären schön....“, grummelte er vor sich hin.

Bristol Club schließt immer kühl-moosiger werdend, die animalischen Noten, für mich eine Art Wacholder-Kombination, variieren in ihrer Intensität. Hier und da findet man balsamische Elemente, insgesamt ein sehr abwechslungsreicher Duft. Insgesamt hat Matos hier etwas schönes geschaffen, wechselhaft und in seiner rauen, direkten Art gelungen. Dennoch, für mehr reicht es nicht weil das gewisse Etwas fehlt.