LadyLuxifer
Top Rezension
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Moosgebettet, windumatmet...
Da, wo die Eichen steh’n und in die Ewigkeit lauschen, über Haff und Moor, liegt das Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen. Es ist voller lebendiger Seelen und dunkler Schamanen.
Tief im Walde riecht es erstaunlich merkwürdig, wie Unmengen am frischen Holzspan getunkt in die Kirschglasur von Omas Mohnkuchen. Es riecht erdig-modrig, aber auch sirupartig süß und feucht-grün, wie die Seufzeratmung des Waldes nach dem Regen. Es kullern auch Tränen der alten Bäume, getrennt durch Elemente, gefangen im süßlichen Schmerz der Erinnerung.
Es dauerte nur einen Augenblick, als ich Paul Kiler’s neuen Duft auftrug bis ich blitzartig an das Ostpreußenlied erinnert wurde. Ich nahm den ersten Satz als Sample, daraus folgte lawinenartig der Rest meines Intros.
„Maderas de Oriente Oscuro“ ist eine Verführung mit absichtlich eingebauten Hürden. Der Duft verführt mich regelrecht zu etwas, von dem ich nicht wusste, dass ich es will. Nichts ist hier direkt oder plump.
Paul Kiler nutzt die erotische Sprache der vagen Andeutung. Der Amerikaner weiß genau, dass Anziehung allein nicht ausreicht. Also baute er Hindernisse auf, die es zu überwinden gilt.
Der Duft startet fulminant, bleibt aber hinterher lange in der Schwebe und lässt mich spüren, dass hier Geduld vonnöten ist, um die Stil und Ästhetik vollumfänglich erfahren zu können.
Gezuckerte Holzspäne aller Holzarten sind die verführerische Begrüßung des Duftes im Opening. Blitzartig rieche ich die Kirchglasur mit leichten sahnigen Beiklängen. Klingt obskur und genau das ist es auch. Der Duft ist dunkel - sogar finster, unverständlich, unbekannt und bedeckt.
Der Duft geht durch so viele Etappen; von holzig-sahnig bis zuckrig-grün zu ambrig-erdig. Die letzte Station des Duftes möchte ich als tabaklastig holzig definieren. Alles in allem, es ist ein Duft der besonderen Klasse. Ich möchte es mit den Entwürfen der Haute Couture vergleichen. Der Duft ist grandios schräg und gefällt mir außerordentlich, in allen Facetten.
Wie auch immer, dieser besondere Duft wird nicht Everybody‘s Darling werden. Dafür ist er viel zu kompliziert. Ich möchte ihn mit frühen Werken von Philip Glass vergleichen.
Paul Kiler benutzt auch Unmengen an (Duft)tönen um fast minimalistisch aufzutrumpfen. Das ist die Schönheit dieses Duftes. Es fühlt sich an wie eine Reise, auf der wir uns auf die vorbeifliegenden Bilder konzentrieren, um festzustellen, dass obwohl die Bilder wechseln das Land noch immer dasselbe ist, wunderschön und beruhigend heimisch.
Paul Kiler ist ein begnadeter Parfumeur. Er ist so „nischig“ wie man „nischig“ nur sein kann. Ich danke Paul für diesen Duft der mich Zeit und Welt vergessen lässt, moosgebettet, windumatmet…