Turandot
Turandots Blog
vor 14 Jahren - 16.12.2011
14 3

Aus gegebenem Anlass....

Eine Diskussion im Forum hat mich nachdenklich gemacht. Sitzen wir hier in puncto Parfums wirklich im Elfenbeinturm, abgehoben vom Rest der Welt? Oder wurden wir inzwischen sogar zu Snobs, die auf den Rest der Welt, bzw. in diesem Fall auf die Mainstream-Düfte und deren Verwender heruntersehen? Ganz abgesehen davon, dass auch die Mainstream-Hersteller selbst bereits differenzieren zwischen Life-Stile- Designer- und Prestige-Parfums, was ist so schlecht an Massenmarkt-Parfums?

Von vorne herein gar nichts. Was mich aber schon mal stört ist das Werbebrimborium, mit dem dem Kunden ein Durchschnittsduft als das Nonplusultra der Parfumwelt angekündigt und vorgegaukelt wird. Oft noch mit einem Durchschnittsnamen. (Welcher war das noch gleich - XY Sport, Light, Intense, Essence usw. usw)

Ich habe manchmal den Verdacht, die Firmen wollen - aus welchem Grund auch immer - die Kunden unerfahren und genügsam halten, damit nur nicht Unzufriedenheit und Neugier auf wirklich aussergewöhnliches aufkommt.

Ich erlebe es im Geschäft ja noch viel drastischer, als der Kunde draußen, denn ich sehe, dass in bestimmten Zeiten mehrmals pro Woche ein neuer Duft lanciert wird. Und ich habe inzwischen ein ganz gutes Gefühl dafür, von welchen Firmen wir zumindest interessantes oder gut gemachtes erwarten können. Wenn man wie ich hunderte von austauschbaren Parfums hat kommen und gehen sehen, kann man einfach nicht mehr in Vorfreude ausbrechen, wenn die Firma, die sowieso schon mit am meisten Regalmeter in Anspruch nimmt den zigsten Ableger avisiert.

Ich verurteile die Marketing-Idee dahinter ja gar nicht. Aber sie lockt mich einfach nicht mehr und vielen Kunden geht es ebenso, wenn sie ratlos an unseren Regalreihen vorbeigehen. Dabei gibt es dieses Phänomen der Austauschbarkeit ja nicht nur bei Parfums. Schaut Euch mal auf dem Firmenparkplatz eines großen Konzerns um. Lauter silberne (inzwischen weisse) Autos bei denen ich zumindest nur aus der Nähe, bzw. am Logo erkennen kann aus dem Windkanal welcher Marke der Wagen stammt. Und wenn ich durch die Modehäuser gehe, dann ist es völlig gleichgültig, ob ich bei Wöhrl, K&L Ruppert oder irgendwo anders bin. Überhall hängt das Gleiche. Es scheint also ein Zeichen unserer Zeit zu sein. Und deshalb weiss ich auch, dass uns Boss mit Bottled Sport nicht wirklich überraschen wird. Was für mich daran noch spanned ist, das ist nur die Frage, welcher Boss-Duft demnächst dafür eingestellt wird, denn die Regalfläche wächst halt nicht mit.

Ach ja - übrigens im März kommt Eau de Chloé ;)))

14 Antworten
MonsieurMonsieur vor 14 Jahren
Dito.
-> bis auf Wöhrl: die haben teilweise schon tolles Zeug - bei K&L krieg ich auch immer wieder Interessantes, aber dann doch keinen Cashmir- oder Seiden-Merino-Pulli... ;-)
LietschieLietschie vor 14 Jahren
Das Besondere und Individuelle kann man mittlerweile ja fast nur noch ergattern, wenn man sich der Schnelllebigkeit anpasst, den neuen Duft sofort kauft und nach 2 Monaten -wenn diesen Duft alle tragen- wieder bei ebay verkauft ;-) Oder man kann es mit Klassikern oder in der Nische versuchen...bei mit war der Erfolg eher bescheiden.
Abgesehen davon, liebe Turandot, ich würde sehr gerne bei Dir in die Parfümerie kommen und von Deiner Erfahrung und Menschenkenntnis profitieren :-)))
GLG
LietschieLietschie vor 14 Jahren
Wie wahr, wie wahr. Viele neue Düfte sind leider austauschbar. Wie schon gesagt wurde: es ist ein Zeichen unserer Zeit. Früher trug man Parfum doch eher zu Besonderen Anlässen. Heute sind Düfte doch für den täglichen Gebrauch ausgelegt (alltags- bzw. bürotauglich) und sind der breiten Masse zugänglich. Da wundert es mich nicht, dass die Parfums sich ähneln.
Dadurch, dass gute Düfte immer wieder vom Markt verschwinden, wird es zunehmend schwieriger, seinen Signaturduft zu finden und zu behalten.
SannaSanna vor 14 Jahren
Ich sehe da Parallelen zum Umgang und Genuss von Wein. Wenn man mit offenen Sinnen genießen kann, erschließt man sich über die Zeit eine differenzierte Wahrnehmung. Und dann kann man sich bewusst entscheiden: soll es ein gut gemachter aber einfacher Landwein sein oder eine besondere Lage? Und wie beim Wein ist es auch bei den Düften: mit Erfahrung entwickeln sich Vorlieben, trotz,nit und gegen Mainstream. Und bei beiden Genuss- und Suchtmitteln ist es so, dass nicht alles Hochpreisige automatisch die Qualität bringt, und ggf. fragt man sich, ob der Preis gerechtfertigt ist. Und: für 2,49 kann man nix dolles erwarten.

In diesem Sinne ist das hier ein kleines Plädoyer für ein gutes gepflegtes Mainstream als Einstieg und Ermutigung für Entdeckungen abseits der Massenware. Und dann fängt man tatsächlich an, sich über kleine Läden, besondere Angebote usw. zu freuen.

Ich wünsche Euch allen einen schönen 4.Advent und bedanke mich für die vielen Anregungen, ohne sie hätte ich viele Düfte nicht ausprobiert.
FlorblancaFlorblanca vor 14 Jahren
Vor 50 Jahren war Parfum noch etwas besonderes, ähnlich wie echter Schmuck. Heute wird der Verbraucher mit sog. Parfums nur so überschüttet - ebenso wie mit echtem Schmuck, der in Billiglohnländern hergestellt und zu Ramschpreisen verkauft wird. Hat der Markt wirklich danach verlangt? Es scheint so, denn sonst bliebe der Erfolg sowohl des einen, als auch des anderen aus. Fakt ist, dass die meisten Verbraucher wirklich keine Ahnung von Parfums haben. Junge Verbraucher wollen meist ohnehin so duften wie die Freundin oder noch mehr wie die Stars. Und auf sie ist doch in erster Linie ein solches Marketing ausgerichtet. Mir selbst war das schon immer ziemlich egal, ich kaufte schon immer "leicht gegen den Strom". Durch parfumo erlangte ich Kenntnis von Parfums, die ich bis dato nicht kannte - mangels Möglichkeit. Und gerade das Internet und der Einkauf über das Internet hat mir diese Möglichkeit eröffnet. Sicher würde ich gern in einer kleinen, schnuckeligen Parfümerie einkaufen, die mich nicht schon am Eingang mit Massenware begrüßt, aber dafür müsste ich nach Frankfurt fahren, was mir ehrlich gesagt ein Greuel ist. Zu laut, zu voll, zu stinkig zu zu eben. Und ich kann nur beipflichten: die meisten Mainstreams erfüllen nicht meine Anforderungen, also sehe ich mich bei Nischendüften um. Suchen muss man auch hier, um den passenden Duft zu finden, aber es macht deutlich mehr Spaß, weil die Unterschiede zwischen verschiedenen Düften noch da sind!
BellemorteBellemorte vor 14 Jahren
Ich kann für mich auch nur sagen, dass ich zu den Nischendüften übergelaufen bin, weil die Mainstreamer immer das gleiche Thema in verschiedenen Varianten anbieten und das, was ich suche, da einfach nicht zu finden war. Was nicht per se heißt, das Mainstreamdüfte schlecht sind. Und ich schnuppere eh an jeder Buddel, die nicht bei 3 auf den Bäumen ist (inklusive DG und BL in Drogeriemärkten) :-D
EloiseEloise vor 14 Jahren
Als hättest du meine Gedanken gelesen *ggg* noch bin ich nicht lange Mitglied hier *ggg* aber genau diese Empfindungen überkamen mich in der Zeit, als ich mühsam meine Schätzchen hier auflistete.... Toller Beitrag Turandot!
LilauLilau vor 14 Jahren
Deine Gedanken stimmen mit meinen überein. Ich finde, es sollte jedem selber überlassen werden, was er gerne trägt. Ob Masse oder Nische, eines haben wir alle gemeinsam, unsere Liebe zu den Düften. Da können uns doch diese wöchentlichen Neuerscheinungen nichts anhaben, wir müssen sie ja nicht kaufen, (außer es wäre doch mal was ganz brauchbares dabei!) ;-)
DuftstickDuftstick vor 14 Jahren
Da sage ich, es lebe der kleine Einzelhandel und damit meine ich die kleine Parfumerie oder den Facheinzelhandel. Da wird noch mit dem Kopf eingekauft und nicht mit dem PC.
FrauHolleFrauHolle vor 14 Jahren
Und des Managers Frau fährt nen Golf. Boss Bottled kann ausm Lager abverkauft werden.
Esther19Esther19 vor 14 Jahren
Es lebe die Stromlinienförmigkeit- auf vielen Gebieten.Ich erinnere mich noch an den hype um die "Erwachsenenroller", mit denen Möchtegernmanager umherfuhren.Und sie hielten sich alle für Super-Individualisten.-So wunderbar ein großes Warenangebot ist,reizvoll ist es nur in der Differenzierung.
TomLavenderTomLavender vor 14 Jahren
Schöne wahre und tiefgründige Gedanken - ich selber weiche in Richtung Nischendüfte aus. Die Masse ist langweilig geworden und auffallen möchte jeder aber nicht dass es jemand merkt....Frohe Weihnachten!
GartenfeeGartenfee vor 14 Jahren
Die (Groß)Familie als die auffangende Soziale Gruppierung löst sich immer mehr auf. Stattdessen heißt "Tarnung durch Schwarmbildung" der Gesellschaftliche Trend. Wie die Fische: z. B. Schwimmen alle in die gleiche Richtung, hat der Einzelne mehr Chancen zu überleben. Wagt sich einer zu weit raus, wird der "gefressen"...
Da heißt es Jeans an, dunkle Jacke, bloss nicht auffallen.
Medusa00Medusa00 vor 14 Jahren
Du sprichst mir aus der Seele!

Weitere Artikel von Turandot