02.06.2016 - 14:53 Uhr
Meggi
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21
Calpurnias Großvater
Was es mit „Quinine“ auf sich hat, hätte ich ohne die Ausführungen meines werten Vorkommentators und Spenders des Pröbchens (vielen Dank!) Taurus1967 zunächst nicht gewusst. Chinin - aha. Das passt nicht nur erstaunlich gut, sondern frappierend perfekt.
Wie Chinin pur riecht, weiß ich natürlich nicht, doch Eau de Quinine riecht wirklich ein bis zwei Minuten komplett nach Bitter Lemon. Das flaut zwar bald ab, macht aber nichtsdestoweniger richtig Spaß. Ich komme mir vor wie in einem olfaktorischen Lehrstück zum Bau besagten Erfrischungs-Getränks aus dreierlei genannten Zutaten. Erstens: Pelzig-adstringierende Bergamotte. Zweitens: Koriander - als Kraut. Ein tolles Gewürz, mit dem ich bei der Currypasten-Herstellung mal hantiert habe. Dieses hier muss langsam weg; es liegt nämlich schon ein Weilchen, wenngleich aus gutem Grund, denn nun ist es herber, würziger und nicht ganz so ätherisch wie frisches. Drittens: Petitgrain als bittersüßer Untergrund.
Der Ausdruck „flaut ab“ für den Fortgang bezieht sich lediglich auf den pritzelnden Bitter-Lemon-Eindruck im engeren Sinne und meint mitnichten Einbußen bei dem Duft-Vergnügen. Von Letzterem kann keine Rede sein, der nächste Originalitäts-Happen steht vor der Tür. Eine grüne Note macht sich im Untergrund bemerkbar. Koriander, ja, frisch und grün - das hatten wir bereits. Meine neue Note ist zusätzlich eher dunkel-nussig. Noch herber. Petersilie wäre eine Idee. Tatsächlich Petersilie.
Ein vermeintlicher Waldmeister-/Cumarin-Dreh stellt sich rasch als vom Petitgrain verursacht heraus. Toll, wie leicht das lange Zeit daherkommt. Außerordentlich apart. Muskat geht in Ordnung, sofern man‘s weiß, andere bitter-aromatische Würz-Noten sind ebenso denkbar. Alles zusammen ergibt dann verblüffenderweise eine schön saubere, zugleich überhaupt nicht seifige Anmutung, die mehrere Stunden anhält. Vollständig schräg ist diese Petersilien-Note. Ich komme nicht darauf, was das sonst sein könnte. Ich finde sie großartig und im Kontext wunderbar sinnfällig.
Ein Anklang an Bitter Lemon bleibt über Tag zumindest vorstellbar, vermutlich, weil der entsprechende Auftakt-Reiz derart gekonnt gesetzt wurde. Womöglich ist das Getränk ein bisschen schal geworden – was wiederum keine qualitative Aussage sein soll.
Mit vorauseilendem Seufzen hatte ich die angedrohten „pudrigen Noten“ der Basis erwartet, derlei ist gar nicht mein Gusto. Die Sorgen waren übertrieben. Der letzte Teil ist nicht allzu pudrig. Der spritzige Anteil des Petitgrains weicht zurück, der Duft wird ab der dritten Stunde allmählich merklich rauer (Patchouli, Moos) und einen Zacken seifiger. Gleichwohl bleibt sein frischer und mit – allerdings deutlich zunehmenden - Abstrichen immer noch fruchtiger Charakter sechs bis sieben Stunden erhalten und bringt mich recht ordentlich durch den Büro-Tag.
Und was hat es jetzt mit Calpurnias Großvater auf sich? Die im Auftakt-Kommentar geschilderten Assoziationen (die ich freilich in puncto Griesgrämigkeit nicht teile) haben mich an eine Stelle aus „Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen“ erinnert. Ein Buch aus dem Bestand meiner Tochter. Es geht um eine knapp Zwölfjährige im Jahr 1899, die sich, statt willig oder folgsam-resignierend den vorgegebenen Pfad ‚Klavier spielen - adrett sein – heiraten - Familie gründen‘ zu betreten, lieber mit Naturkunde befasst und darin in ihrem wissenschafts-begeisterten Opa einen Verbündeten findet.
Der hat selbstverständlich vorbildliche Manieren, ganz Gentleman alter Schule, doch das hindert ihn nicht, etwa auf Abend-Gesellschaften die Unterhaltung gern auf abseitige Themen zu bringen und beispielsweise einer Gruppe von Damen das Paarungsverhalten der Opiliones – der Weberknechte - zu beschreiben.
Eau de Quinine nun hat ebenfalls vorzügliche Umgangsformen, weiß indes im Nahkampf durchaus zu fordern.
Fazit: Ein Kleinod. Gentleman-mäßig klassisch und behutsam originell-spleenig gleichermaßen. Ein Jammer, dass er eingestellt ist.
Wie Chinin pur riecht, weiß ich natürlich nicht, doch Eau de Quinine riecht wirklich ein bis zwei Minuten komplett nach Bitter Lemon. Das flaut zwar bald ab, macht aber nichtsdestoweniger richtig Spaß. Ich komme mir vor wie in einem olfaktorischen Lehrstück zum Bau besagten Erfrischungs-Getränks aus dreierlei genannten Zutaten. Erstens: Pelzig-adstringierende Bergamotte. Zweitens: Koriander - als Kraut. Ein tolles Gewürz, mit dem ich bei der Currypasten-Herstellung mal hantiert habe. Dieses hier muss langsam weg; es liegt nämlich schon ein Weilchen, wenngleich aus gutem Grund, denn nun ist es herber, würziger und nicht ganz so ätherisch wie frisches. Drittens: Petitgrain als bittersüßer Untergrund.
Der Ausdruck „flaut ab“ für den Fortgang bezieht sich lediglich auf den pritzelnden Bitter-Lemon-Eindruck im engeren Sinne und meint mitnichten Einbußen bei dem Duft-Vergnügen. Von Letzterem kann keine Rede sein, der nächste Originalitäts-Happen steht vor der Tür. Eine grüne Note macht sich im Untergrund bemerkbar. Koriander, ja, frisch und grün - das hatten wir bereits. Meine neue Note ist zusätzlich eher dunkel-nussig. Noch herber. Petersilie wäre eine Idee. Tatsächlich Petersilie.
Ein vermeintlicher Waldmeister-/Cumarin-Dreh stellt sich rasch als vom Petitgrain verursacht heraus. Toll, wie leicht das lange Zeit daherkommt. Außerordentlich apart. Muskat geht in Ordnung, sofern man‘s weiß, andere bitter-aromatische Würz-Noten sind ebenso denkbar. Alles zusammen ergibt dann verblüffenderweise eine schön saubere, zugleich überhaupt nicht seifige Anmutung, die mehrere Stunden anhält. Vollständig schräg ist diese Petersilien-Note. Ich komme nicht darauf, was das sonst sein könnte. Ich finde sie großartig und im Kontext wunderbar sinnfällig.
Ein Anklang an Bitter Lemon bleibt über Tag zumindest vorstellbar, vermutlich, weil der entsprechende Auftakt-Reiz derart gekonnt gesetzt wurde. Womöglich ist das Getränk ein bisschen schal geworden – was wiederum keine qualitative Aussage sein soll.
Mit vorauseilendem Seufzen hatte ich die angedrohten „pudrigen Noten“ der Basis erwartet, derlei ist gar nicht mein Gusto. Die Sorgen waren übertrieben. Der letzte Teil ist nicht allzu pudrig. Der spritzige Anteil des Petitgrains weicht zurück, der Duft wird ab der dritten Stunde allmählich merklich rauer (Patchouli, Moos) und einen Zacken seifiger. Gleichwohl bleibt sein frischer und mit – allerdings deutlich zunehmenden - Abstrichen immer noch fruchtiger Charakter sechs bis sieben Stunden erhalten und bringt mich recht ordentlich durch den Büro-Tag.
Und was hat es jetzt mit Calpurnias Großvater auf sich? Die im Auftakt-Kommentar geschilderten Assoziationen (die ich freilich in puncto Griesgrämigkeit nicht teile) haben mich an eine Stelle aus „Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen“ erinnert. Ein Buch aus dem Bestand meiner Tochter. Es geht um eine knapp Zwölfjährige im Jahr 1899, die sich, statt willig oder folgsam-resignierend den vorgegebenen Pfad ‚Klavier spielen - adrett sein – heiraten - Familie gründen‘ zu betreten, lieber mit Naturkunde befasst und darin in ihrem wissenschafts-begeisterten Opa einen Verbündeten findet.
Der hat selbstverständlich vorbildliche Manieren, ganz Gentleman alter Schule, doch das hindert ihn nicht, etwa auf Abend-Gesellschaften die Unterhaltung gern auf abseitige Themen zu bringen und beispielsweise einer Gruppe von Damen das Paarungsverhalten der Opiliones – der Weberknechte - zu beschreiben.
Eau de Quinine nun hat ebenfalls vorzügliche Umgangsformen, weiß indes im Nahkampf durchaus zu fordern.
Fazit: Ein Kleinod. Gentleman-mäßig klassisch und behutsam originell-spleenig gleichermaßen. Ein Jammer, dass er eingestellt ist.
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