Durch das Engagement des unermüdlich sharenden und keine Mühen scheuenden JoHannes über das ferne Schweden eingekauft, halte ich endlich eine Abfüllung von Fir Balsam von Franck Boclet in meinen Händen, das schon lange und immer wieder auf meiner Merkliste stand. Die Hoffnung, dass ich den Duft noch bekommen könnte, hatte ich schon verloren, bis JoHannes auf einen Thread von mir antwortete und ein Sharing vorschlug. Danke, dass Du das in die Hand genommen hast!
Wie MissPiggy unten schon wunderbar beschreibt und mit ihrer Wertung verdeutlicht, hat sich die lange und intensive Suche und auch der komplizierte Bestellvorgang über einen schwedischen Anbieter allemal gelohnt.
Warum einige Franck Boclet-Düfte problemlos in Deutschland erhältlich sind, andere dagegen kompliziert importiert werden müssen, entzieht sich meiner Kenntnis und auch meinem Verständnis. Ich vermute aber, dass Marktanalysen zugrunden liegen, die für Deutschland keine Absatzchancen prognostizieren. Kein Kompliment für Parfümkäufer/innen hier bei uns...
Natürlich ist das kein Duft, den man täglich auflegen wird und selbstverständlich gehört er irgendwie auch in das Segment derjenigen Düfte, die man eher für sich selbst als für andere trägt, aber das sollte die Lust am Tragen dieses Duftes in keiner Weise schmälern. Gerade auch deshalb nicht, weil es inzwischen einige Düfte gibt, die harzig-hellholzig und koniferig-grün daher kommen (s. auch die von mir gelobten Valais / 46 N von Richard Lüscher Britos sowie Woodcut von Olympic Orchids Artisan) und somit einen klitzekleinen Trend bedienen.
Wie MissPiggy sehe ich auch die koniferige Komponente, die an einen Sud von grünen Nadeln erinnert; gleichzeitig fühle ich mich auch stark an den harzigen Duft von frisch aufgesägtem Tannenholz erinnert. Das war es zunächst auch schon. Das Ganze hat allerdings eine fast urinös-animalische Komponente.
(Exkurs: Ich sehe schon die Antworten dass das ja schrecklich sei und man sowas nicht tragen wolle...Kommentare hier auf Parfumo können nur Assoziationen in Gang setzen, aber niemals den persönlichen Eindruck ersetzen. Wer das glaubt, hat hier irgendwie etwas grundsätzlich nicht verstanden. Für mich persönlich ergibt sich daher der Eindruck eines Duftes immer am besten aus der Summe der darunter stehenden Kommentare. Erst die Kombination verschiedener Wahrnehmungen lässt eine Ahnung zu, wie ein Duft wirklich riechen könnte.)
Da ich vor Kurzem einen Duft kommentiert hatte, der als zentrale Komponente Davana enthält (Emerald Star von Xerjoff), war ich gespannt, ob man auch hier diese grün-fruchtigen, mild-krautigen Töne erkennen kann, denen man eine beruhigende und entspannende Wirkung nachsagt - und tatsächlich findet sich auch hier dieser eigenwillige Geruch, den ich persönlich so ganz anders wahrnehmen als von viele beschrieben (ich hatte mir seinerzeit zwei Davana-Ölroller verschiedener Marken besorgt, um den puren Geruch von Davana einordnen zu können). Ich würde sogar sagen, dass dieser krautig-fruchtige Extrakt eine nicht ganz geringe Rolle in Franck Boclets Fir Balsam spielt. Wer das mal nachvollziehen möchte: Davana-Roller gibt es zwar nur selten im Naturkosmetik-Handel, dafür aber von verschiedenen Anbietern zu moderaten Preisen im Internet. Auch hier zählt offenbar der persönliche Eindruck.
Daneben gibt es in Fir Balsam eine warm-würzige, leicht süße Komponente, die sich in der Basis verstärkt und das "Balsamische" in Fir Balsam nachvollziehbar erscheinen lässt. Dabei betont der Duft stets das Harzig-Holzige, das von Anfang an im Vordergrund steht.
Was mir wichtig erscheint: Der Duft ist nicht charmant, nicht vordergründig schmeichelnd, nicht ganz unkompliziert. Das Tragen ist nicht völlig trivial. Man muss wohl den richtigen Anlass wählen, wenn man Fir Balsam ausführen möchte. Andererseits ist die Aura des Duftes so moderat, dass man ihn nur schwer überdosieren kann. Mir ist das gerade recht, denn ich verabscheue Düfte mit wuchtiger, schwer-süßer Projektion, die meine Mitmenschen über Stunden in weitem Umkreis über meine Parfümvorliebe aufklären. Fir Balsam dagegen bleibt gerade so präsent, dass man ihn einen Teil des Tages am eigenen Körper wahrnehmen kann, die Umwelt dagegen nur einen holzig-warmen Schimmer spürt. Wie kompliziert oder unkompliziert sich Fir Balsam tatsächlich tragen lässt, werden die ersten Reaktionen zeigen.
Wie meine Vorrednerin nehme ich diesen nadelholzigen Geruch wahr, den man manchmal bei Spaziergängen in Tannenwäldern in der Nase hat. Mein nächster Kurzurlaub führt mich in den Schwarzwald. Da gibt es genug Anschauungsmaterial zum Vergleich.
Dann ist da auch etwas Erdiges, das an warmen, von der Sonne nach längerer Feuchtigkeit erwärmten Waldboden erinnert. Das mag auch diesen erdig-animalischen, leicht modrigen Eindruck hervorrufen, den ich zuvor mit urinös-animalisch umschrieben hatte und der vermutlich (gähn!) wieder manche Abwehrreaktion hervorrufen wird, dabei sind es doch gerade die animalischen Düfte, die eine besonders große Faszination auf Träger und Umwelt ausüben (Moschus, Oud, Harz, Zibet, Castoreum u.v.m.). Ohne diese Komponenten wäre die Geschichte der Parfümerie bedeutungslos.
Man wünscht sich nun schnellere Vertriebswege für diesen gelungenen Duft, auch wenn die Zielgruppe sicherlich nur in den Kreisen eines solchen Forums zu suchen sein wird. Wenn man andererseits bedenkt, wie groß die sog. Nischenparfümerie (der neue Massenmarkt) inzwischen ist, dann sollte es auch realistische Chancen für Fir Balsam geben. Nur Mut, Franck Boclet!