Escale en Indonésie Les Indémodables 2020
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Top Rezension
Der Clou: eine sich über alles wölbende Ambra
Wenige Labels haben mich in den letzten Jahren in Sachen hochwertiger Materialien und Parfumkunst so sehr für sich eingenommen wie das kleine Unternehmen „Les Indémodables“ aus dem französischen Alpenstädtchen Annecy.
Wie oft erlebt man das Prahlen mit ach-so edlen Ingredienzen, das letztlich, in Ermangelung an Können – oder Wollen – doch nur Mittelmaß gebiert. Hier aber kann man, und vor allem: man will.
Dass Antoine Lie sein Handwerk beherrscht steht sicher außer Frage, das gilt auch für die zweite Hausparfümeurin: Florence Fouillet. Ihr „Fougère Emeraude“, ihr „Cuir de Chine“ und „Chypre Azural“ sind rundum gelungene, stilvolle und charakterstarke Beiträge, wie sie sich ein kleines Label nur wünschen kann.
Aus Antoine Lies Anteil am Portefolio ragen wiederum zwei Kreationen besonders heraus: „Ambre Suprême“ und dieser hier: „Escale en Indonésie“.
Beide haben eine besonderen Duftstoff im Fokus, der einen geradezu mythischen Ruf genießt: Ambergris, oder auch Ambre gris, bzw. Graue Ambra. Ein Duftstoff mit einem überaus komplexen Duftprofil, der sich besonders durch eine Eigenart auszeichnet: er bringt ein Parfum, an dem noch so viele Noten beteiligt sein mögen, erst richtig zum Strahlen und verleiht Kreatürlichkeit, wo zuvor womöglich schablonenhafte Flachheit herrschte. Diese fast magischen Fähigkeiten, gepaart mit der legendenhaften Herkunft aus finsteren Wal-Mägen, begründen den geheimnisumwitterten Mythos der „Graue Ambra“, den man selten – ach was, eigentlich nie! – so prominent in Szene gesetzt erleben kann wie hier, bei diesen beiden Ambra-zentrierten Düften (ein dritter, ist „Mxxx“ von Eris, ebenfalls von Lie). In aller Regel nämlich, wenn mit der Ambra als Inhaltstoff geworben wird, ist nicht das Naturprodukt gemeint, sondern einer ihrer mittlerweile zahlreichen synthetischen Ersatzstoffe, die allesamt bestenfalls einen Ausschnitt aus dem kaleidoskopartigen natürlichen Duftprofil bieten, niemals aber dessen gesamten Facetten-Reichtum abbilden.
Um dieses Manko auszugleichen muss Antoine Lie nicht wie viele andere Kollegen einen Ambergris-Akkord kreieren, der die fehlenden Facetten mithilfe zusätzlicher Noten ergänzt, sondern kann das Naturprodukt in seiner ganzen chamäleonhaftigen Wandlungsfähigkeit selbst zur Geltung bringen, da er dank seiner beruflichen Verbindung mit Rémi Pulvérail, dem Inhaber von „L’Atelier Français Des Matières“ und Ehemann von Valérie Pulvérail, ihrerseits Inhaberin von „Les Indémodables“, quasi an der Quelle sitzt.
Hier nun inszeniert er die Ambra nicht in einem gourmandhaft angehauchten orientalischen Duftkonzept („Mxxx“, Eris), auch nicht eingebunden in ein aldehydig-würzig-florales Chypre-Konstrukt („Ambre Supême“), sondern lässt sie in einem klassischen, schlanken Cologne-Gerüst aus Bergamotte, frischer Zitrik, einem Hauch Jasmin und Neroli, sowie einer stabilisierenden Basis aus dezentem Sandelholz und Eichenmoos geradezu leuchten.
Vielleicht ist dieser klassische Cologne-Aufbau tatsächlich das ideale Setting für den komplexen Duftkosmos der Ambra, denn im Gegensatz zu den beiden anderen genannten Düften muss ich nicht erst bestimmte Duftanteile, die entscheidende Bereiche des Ambra-Kanons verdecken (Kakao hier, Aldehyde dort) auszublenden versuchen, sondern kann, einem offenen Buch gleich, die Ambra unverstellt und in vollem Ornat genießen. Die frischen und zarten Cologne-Anteile umspielen sie dabei federleicht, tragen sie gewissermaßen auf Händen, bilden einen hell-farbigen, aquarellartigen Dufthintergrund, vor dem sich die Ambra wie ein vielarmiger Oktopus gemütlich zu räkeln scheint und zugleich geruchlich abhebt.
Natürlich haben die beiden anderen Ambergris-Düfte von Antoine Lie mehr Wumms, sind reichhaltiger orchestriert und entfalten ein größeres Volumen, aber wer sich eine Weile durch die Parfumwelt geschnuppert und lang genug an den dichtesten Extraits erfreut hat, der wird doch das leisere, das kleinere Format auch wieder zu schätzen wissen – es muss ja nicht immer das symphonische Orchester in Mahler-Stärke sein; manchmal vermag der intimere kammermusikalische Vortrag sogar noch mehr zu überwältigen.
So auch hier.
Die wenigen Mitwirkenden sind perfekt aufeinander abgestimmt und tadellos ausbalanciert. Saftig, spritzig und wunderbar natürlich die Zitrus-Noten, leise und freundlich, ohne den leisesten Hauch von Indolik, das zarte florale Herz, und in der Basis eine schlanke und elegante Chypre-Struktur, die dem Duft Halt gibt und rundet.
Der Clou: eine sich über alles wölbende Ambra mit ihren salzigen, mineralischen, ozonischen, animalischen und warmen Nuancen, die völlig bruchlos mit den Cologne-Facetten zu emulgieren scheinen, sich zugleich aber markant abheben. Ein Wechselspiel, das aufregender nicht sein könnte und den ganzen Reichtum des Ambra-Duftkosmos’ in Schwingungen versetzt.
Leute, wer Ambroxan, Orcanox, Ambrinol, oder wie immer der Versuch einer Ambra-Synthetisierung heißen mag, für ein ausreichendes Äquivalent hält, der - oder die - rieche bitte an diesem Duft, oder wahlweise den beiden anderen: der Unterschied ist gewaltig! Nicht, dass ich Ambroxan & Co. schlechtreden möchte, nein, sie haben absolut ihre Existenzberechtigung (ich glaube ohnehin, dass der Ambroxan-Teufel, den wir immer so gerne an die Wand malen, eher ein Woody-Amber-Teufel ist, zumindest aber einer, der zuverlässig mit diesen vermaledeiten Synthetik-Ambers ins Bett steigt....), jedoch einmal an echter Grauer Ambra geschnuppert und es eröffnen sich Horizonte, die man zuvor bestenfalls erahnen konnte: geruchliche Resonanzräume, in die man zuvor seine Nase zwar schon mal hineinstecken konnte, die aber Leerstellen blieben, geruchliche Schwarze Löcher sogzusagen, nun prall gefüllt.
Doch genug der Lobhudelei – ich bin begeistert!
Eine kleine, aber nicht unbedeutende Anmerkung noch: da die Ambra auch ausgezeichnete fixative Eigenschaften besitzt, macht sie aus diesem Cologne, das sich nebenbei auch ‚Cologne Absolue’ nennt (auf dem Boden der Kartonage steht sogar ‚Eau de Parfum), eine ziemlich ausdauernde Angelegenheit. Zwar zieht sich der Duft colognetypisch recht schnell auf die Haut zurück, aber ‚Escale en Indonésie’ bleibt dort über viele Stunden als komplexer und warmer Duft erhalten, den Körper des Trägers oder der Trägerin eher wie eine Aura, denn wie ein Duftpanzer umhüllend.
So mag ich das.
Wie oft erlebt man das Prahlen mit ach-so edlen Ingredienzen, das letztlich, in Ermangelung an Können – oder Wollen – doch nur Mittelmaß gebiert. Hier aber kann man, und vor allem: man will.
Dass Antoine Lie sein Handwerk beherrscht steht sicher außer Frage, das gilt auch für die zweite Hausparfümeurin: Florence Fouillet. Ihr „Fougère Emeraude“, ihr „Cuir de Chine“ und „Chypre Azural“ sind rundum gelungene, stilvolle und charakterstarke Beiträge, wie sie sich ein kleines Label nur wünschen kann.
Aus Antoine Lies Anteil am Portefolio ragen wiederum zwei Kreationen besonders heraus: „Ambre Suprême“ und dieser hier: „Escale en Indonésie“.
Beide haben eine besonderen Duftstoff im Fokus, der einen geradezu mythischen Ruf genießt: Ambergris, oder auch Ambre gris, bzw. Graue Ambra. Ein Duftstoff mit einem überaus komplexen Duftprofil, der sich besonders durch eine Eigenart auszeichnet: er bringt ein Parfum, an dem noch so viele Noten beteiligt sein mögen, erst richtig zum Strahlen und verleiht Kreatürlichkeit, wo zuvor womöglich schablonenhafte Flachheit herrschte. Diese fast magischen Fähigkeiten, gepaart mit der legendenhaften Herkunft aus finsteren Wal-Mägen, begründen den geheimnisumwitterten Mythos der „Graue Ambra“, den man selten – ach was, eigentlich nie! – so prominent in Szene gesetzt erleben kann wie hier, bei diesen beiden Ambra-zentrierten Düften (ein dritter, ist „Mxxx“ von Eris, ebenfalls von Lie). In aller Regel nämlich, wenn mit der Ambra als Inhaltstoff geworben wird, ist nicht das Naturprodukt gemeint, sondern einer ihrer mittlerweile zahlreichen synthetischen Ersatzstoffe, die allesamt bestenfalls einen Ausschnitt aus dem kaleidoskopartigen natürlichen Duftprofil bieten, niemals aber dessen gesamten Facetten-Reichtum abbilden.
Um dieses Manko auszugleichen muss Antoine Lie nicht wie viele andere Kollegen einen Ambergris-Akkord kreieren, der die fehlenden Facetten mithilfe zusätzlicher Noten ergänzt, sondern kann das Naturprodukt in seiner ganzen chamäleonhaftigen Wandlungsfähigkeit selbst zur Geltung bringen, da er dank seiner beruflichen Verbindung mit Rémi Pulvérail, dem Inhaber von „L’Atelier Français Des Matières“ und Ehemann von Valérie Pulvérail, ihrerseits Inhaberin von „Les Indémodables“, quasi an der Quelle sitzt.
Hier nun inszeniert er die Ambra nicht in einem gourmandhaft angehauchten orientalischen Duftkonzept („Mxxx“, Eris), auch nicht eingebunden in ein aldehydig-würzig-florales Chypre-Konstrukt („Ambre Supême“), sondern lässt sie in einem klassischen, schlanken Cologne-Gerüst aus Bergamotte, frischer Zitrik, einem Hauch Jasmin und Neroli, sowie einer stabilisierenden Basis aus dezentem Sandelholz und Eichenmoos geradezu leuchten.
Vielleicht ist dieser klassische Cologne-Aufbau tatsächlich das ideale Setting für den komplexen Duftkosmos der Ambra, denn im Gegensatz zu den beiden anderen genannten Düften muss ich nicht erst bestimmte Duftanteile, die entscheidende Bereiche des Ambra-Kanons verdecken (Kakao hier, Aldehyde dort) auszublenden versuchen, sondern kann, einem offenen Buch gleich, die Ambra unverstellt und in vollem Ornat genießen. Die frischen und zarten Cologne-Anteile umspielen sie dabei federleicht, tragen sie gewissermaßen auf Händen, bilden einen hell-farbigen, aquarellartigen Dufthintergrund, vor dem sich die Ambra wie ein vielarmiger Oktopus gemütlich zu räkeln scheint und zugleich geruchlich abhebt.
Natürlich haben die beiden anderen Ambergris-Düfte von Antoine Lie mehr Wumms, sind reichhaltiger orchestriert und entfalten ein größeres Volumen, aber wer sich eine Weile durch die Parfumwelt geschnuppert und lang genug an den dichtesten Extraits erfreut hat, der wird doch das leisere, das kleinere Format auch wieder zu schätzen wissen – es muss ja nicht immer das symphonische Orchester in Mahler-Stärke sein; manchmal vermag der intimere kammermusikalische Vortrag sogar noch mehr zu überwältigen.
So auch hier.
Die wenigen Mitwirkenden sind perfekt aufeinander abgestimmt und tadellos ausbalanciert. Saftig, spritzig und wunderbar natürlich die Zitrus-Noten, leise und freundlich, ohne den leisesten Hauch von Indolik, das zarte florale Herz, und in der Basis eine schlanke und elegante Chypre-Struktur, die dem Duft Halt gibt und rundet.
Der Clou: eine sich über alles wölbende Ambra mit ihren salzigen, mineralischen, ozonischen, animalischen und warmen Nuancen, die völlig bruchlos mit den Cologne-Facetten zu emulgieren scheinen, sich zugleich aber markant abheben. Ein Wechselspiel, das aufregender nicht sein könnte und den ganzen Reichtum des Ambra-Duftkosmos’ in Schwingungen versetzt.
Leute, wer Ambroxan, Orcanox, Ambrinol, oder wie immer der Versuch einer Ambra-Synthetisierung heißen mag, für ein ausreichendes Äquivalent hält, der - oder die - rieche bitte an diesem Duft, oder wahlweise den beiden anderen: der Unterschied ist gewaltig! Nicht, dass ich Ambroxan & Co. schlechtreden möchte, nein, sie haben absolut ihre Existenzberechtigung (ich glaube ohnehin, dass der Ambroxan-Teufel, den wir immer so gerne an die Wand malen, eher ein Woody-Amber-Teufel ist, zumindest aber einer, der zuverlässig mit diesen vermaledeiten Synthetik-Ambers ins Bett steigt....), jedoch einmal an echter Grauer Ambra geschnuppert und es eröffnen sich Horizonte, die man zuvor bestenfalls erahnen konnte: geruchliche Resonanzräume, in die man zuvor seine Nase zwar schon mal hineinstecken konnte, die aber Leerstellen blieben, geruchliche Schwarze Löcher sogzusagen, nun prall gefüllt.
Doch genug der Lobhudelei – ich bin begeistert!
Eine kleine, aber nicht unbedeutende Anmerkung noch: da die Ambra auch ausgezeichnete fixative Eigenschaften besitzt, macht sie aus diesem Cologne, das sich nebenbei auch ‚Cologne Absolue’ nennt (auf dem Boden der Kartonage steht sogar ‚Eau de Parfum), eine ziemlich ausdauernde Angelegenheit. Zwar zieht sich der Duft colognetypisch recht schnell auf die Haut zurück, aber ‚Escale en Indonésie’ bleibt dort über viele Stunden als komplexer und warmer Duft erhalten, den Körper des Trägers oder der Trägerin eher wie eine Aura, denn wie ein Duftpanzer umhüllend.
So mag ich das.
27 Antworten


Ambergris riecht tatsächlich um Lichtjahre besser als die vermaledeiten Woody-Amber Chemieunfälle der letzten Jahre.
Bin gespannt auf den Duft!
Mahler Opulenzpokal!
Ich zähle mich ja auch zu den Ambrox-Nörglern, weiß aber auch um die Unterschiede.
Deine Beschreibung ist wieder einmal ein Hochgenuß.
sehr neugierig :-)).
Auch wenn in Ambre Suprême 10% verwendet wurden und in Mxxx 7%, hier, in Escale, finde ich sie letzlich am fassbarsten.
Möglicherweise warten hier Erfahrungen, die mir bisher verborgen waren und deren Entdeckung den Horizont sehr erweitern könnten.
Sehr schöne Rezension die mich triggert.
Danke dafür !