Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 31.10.2021
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Eine kleine Oud-Reise

Oud. Wo fängt man einen Blog zu diesem Thema an? Meine Intention ist keine, welche eine Ode an das Oud sein soll oder tolle Oud-Düfte, die bekannt sind, vorstellen möchte. Mir geht es auch nicht um eine Art historischen Abriss warum das Adlerholz nun so beliebt geworden ist. Mein Antrieb ist im Endeffekt empirisch bedingt. Lange habe ich mich von Ouds ferngehalten. Irgendwann war es dann Zeit für die ersten Ensar Ouds oder auch die höherwertigeren MGO-Ouds. Da bemerkte ich dass dieses Harz sehr unterschiedlich duften kann. Ja, es kann animalisch sein. Genau so kann es an Leder, Kaffee erinnern, fruchtige Nuancen besitzen und so weiter. Wie war das möglich? Die Antwort ist simpel und bildet zugleich den Grund, besser gesagt den Ausgangspunkt für diesen Blog: Oud riecht je nach Dschungel, in welchem es geerntet worden ist, anders. Manche Dschungel ziehen sich durch zwei Länder weswegen man ab und an genau unterscheiden muss. Das führt natürlich auch zu der Frage was für eine Herkunft wir haben, wenn in der Ingredienzenliste nur „Oud“ angegeben ist? Künstlich hergestelltes? Minderwertiges? Eine Mischung verschiedener Ouds wo es dann an genauer Angabe fehlt? Vermutlich trifft alles irgendwie zu. Wollen wir starten? Sofort, eines fällt mir noch ein. Sucht man hier auf Parfumo nach Ouds, findet man Landesangaben, Angaben einer bestimmten Region (Assam z.B.) und auch Angaben bei denen sich zeigt, wie schwierig es ist, Oud-Düfte korrekt einzureichen. Manche Marken geben die Dschungel oder die Regionen der Adlerholzbäume an und die sind mitunter gar nicht so leicht einem Land zuzuordnen. Erstaunlich, dass selbst Google sich hier schwer tut. Aber immerhin weiß man nun dass nicht jede Region auf einer Insel die zu Indonesien gehört, problemlos identifizierbar ist (Bouya oder die Frage: ist Bouya-Oud nicht eigentlich indonesisches Oud? Anmerkung: mittlerweile parfumoseitig aufgearbeitet).

Bevor wir eine Exkursion in die Ouds aller Dschungel starten, muss man wohl erläutern, dass man diese Baumbestandteile in Qualitätsstufen unterteilen kann. Am bekanntesten ist wohl der Hinweis auf „sinking grade“, also Oud, welches obwohl nicht schwer, im Wasser sinkt. Wann passiert das? Nun, wenn der Adlerholzbaum eben so sehr befallen ist und so viel Harz preisgibt, dass dieses unheimlich dicht ist und so selbst kleine Oud-Stücke sinken lässt. Wichtig ist hier das Alter des toten Baumes, das Alter der Infektion des Ouds und wie weit das Holz durchzogen ist. Im Bild hier seht ihr Stücke von komplett befallenem Adlerholz, welches dadurch sehr teuer ist. 

Oftmals liest man dann auch Begriffe wie Kyara/Kinam, welche häufig und ausufernd in einschlägigen Foren diskutiert werden. Im Prinzip lässt sich beides als die begehrteste da vermeintlich qualitativ hochwertigste Oudsorte im Sinne von Qualitätsgrad beschreiben. Die mir bekannten Einteilungen darunter sind Seah als Synonym für höherwertiges Oud und eben Kyen, eher niedrig bewertet. Im Prinzip geht es hier darum, wie stark sich das Harz im Adlerholz gebildet hat, d. h. wie viele Schichten Holz sind damit durchzogen? Das heißt auch dass wir hier wieder zur Altersfrage kommen.

Ab und an liest man dann noch Gyrinops. Hier zeigt sich dass es eben verschiedene Adlerholzbäume gut, aus denen man Oud gewinnt. Gyrinops ist eben einer davon, die andere bekannte Art ist Aquilaria.

Jetzt aber:

Indien: hier zählt nicht nur indisches Oud dazu, sondern eigentlich auch die Assam-Region, immerhin Teil von Indien. Möglich dass die regionalen Gegebenheiten hierin zum Ausdruck gebracht werden. Assam ist mit Indien nur durch einen schmalen Korridor verbunden und liegt im Nordosten des Landes. Andere bekannte Bundesstaaten im Sinne von Oud-Herkunftsregionen sind Nagaland, Manipur oder Meghalaya. Alle eint eine gewisse Höhenlage sowie teils tropische Wälder.

Die Ouds aus Indien respektive Assam werden oft als animalisch umschrieben und da ich hier nur allgemeine Umschreibungen treffen kann, lasse ich das so stehen. In Düften sind diese für meine Nase meist sehr präsent und allumfassend, eher dunkel und eben animalisch, was nicht fäkal meint. Das kann natürlich mit floralen Noten schön ausbalanciert werden. Assoziationen die hier oft genannt werden, sind sicher ledrig-holzige Akkorde. Hier fällt mir eigentlich direkt Manipur von Ensar ein. Auch als trocken kann man die Holznote bei indischem Oud umschreiben. Wenn ich mir meine Notizen zu Düften mit dieser Oudnote ansehe, so sehe ich oft trockene Akzente, gerne mit Rose vermengt und eigentlich immer animalisch. Die Attarreihe von MGO (1 & 3) bietet hier einen guten Einstieg. Ouds aus den Bengalen oder Bangladesch sind ähnlich, geografisch nun eben auch dort anzusiedeln.

Vietnamesisches Oud ist seltener, wird in mehreren Düften aber von Bortnikoff, Mellifluence und Agar Aura genutzt. Der Duft dieses Ouds wird gerne als zimtig-süß, als würzig auf hölzernem Grund beschrieben. Ich habe zwar einige Parfums mit vietnamesischen Oud getestet aber kann mich absolut nicht an die Aufschlüsselung erinnern. Ich weiß noch dass L‘Heure Exquise holzig wirkte aber dabei nicht trocken sondern tropisch und „fröhlich“, aber das bestand aus mehreren Ouds.

Chinesisches Oud hingegen wird ebenso wenig genutzt, am bekanntesten sind hier sicherlich diverse Erzeugnisse von Ensar Oud. Tigerlust oder Chinese Oud sind hier zu nennen. Letzterer wirkte auf mich eher blass, was nichts heißen mag. Viele Ouddüfte führen ja eher Hainan-Oud als Ingredienz. Hainan ist eine südliche Insel zu China zugehörig, das Klima dort ist eher tropisch. Was viele beim Chinese Oud wahrnehmen, sind offensichtlich hesperidische Nuancen und die sind für Hainan-Oud gar nicht so unüblich.

Noch seltener scheint Oud aus Brunei zu sein, gibt es lediglich hier von Agar Aura und Ensar Erzeugnisse. Ich habe all diese Düfte nicht getestet, las aber dass Brunei-Oud sehr holzig sein soll und je nach Distillation auch eine zähflüssige Süße wie die von Honig oder Sirup mit sich bringen soll.

Dasselbe trifft auch auf bhutanisches Oud zu, Ensar Oud und Mellifluence findet man hier als Hersteller. Bhutan liegt nördlicher als Indien und somit soll bhutanisches Adlerholz in seiner zitrischen Spritzigkeit eher chinesischem Oud als dem aus Indien ähneln.

Burmesisches Oud hingegen ist schon sehr animalisch, sogar recht überbordend. Anfangs kann einen das schon überwältigen und führt dann zu Statements wie bei Oud Burmi oft der Fall. Mir ist es zuletzt in Myitkyina 4K u.a. Begegnet, welcher recht holzig-ledrig ist, dann aber moderater wird. Damit erinnert es an den Nordosten von Indien und die dortigen Ouds, woran es geografisch auch grenzt.

Kommen wir zu Laos: Oud von dort ist laut der Datenbank häufig genutzt, findet sogar bei Xerjoff, MFK und Montale Anwendung. Ouds aus der Region sind manchmal bitter und medizinisch. Medizinische Ouds gibt es zuhauf und viele sind sicher eher synthetisch. Hier aber Bestandteil realer Ouds. Mit Xerjoff kenne ich mich nicht aus und MFK ist nicht mein Fall aber ich meine mich auch zu erinnern, dass u.a. Oud Satin Mood dieser Art war kombiniert mit ledrigen und holzigen Nuancen. Agar de Noir gefallt mir hier sehr gut; würzig, schwer, ölig.

Spannend wird es bei Oud aus Neuguinea oder Papua. Neuguinea ist eine Insel welche im Westen zu Indonesien gehört und im Osten der eigene Staat Papua-Neuguinea ist. Aus diesem Grunde unterscheidet man auch zwischen neuguineischem und papuanischem Oud. Papua-Oud ist für mich oft holzig, trocken dabei aber auch fruchtig, beerig. Bekannt sein könnte Homeros von Ensar Oud aber auch Oud Monarch. Kurioserweise findet man es oft mit thailändischem Oud gemischt, was dann komplexer mit floralem Touch wirkt. Grundsätzlich ist Papua-Oud leicht rauchig und erinnert durchaus an feuchten Dschungel.

Neuguineisches Oud ist für mich noch feiner, besitzt auch fruchtige und rauchige Facetten, besitzt aber ebenso dieses Dschungelflair, dieses nasse, erdige Element. Ertugrul Gazi oder auch People‘s Silani kann man hier als Referenzen nennen.

Oud aus Sri-Lanka kenne ich nur gemischt mit anderen Ouds, gemeinhin gelten Ouds von dort als leicht maritim, als grün und sanft, mitunter sogar blumig süß. Das verleiht Kreationen mit dieser Ingredienz natürlich eine wunderbare Basis für florale Kopfnoten.

Kommen wir zum Komplex rund um Malaysia, Indonesien, Borneo und Sumatra. Hier haben wir fast schon eine Art Hotspot. Allein in Indonesien haben wir viele Regionen, welche bekannt für tolles Oud sind: Nahezu alle Regionen auf Borneo, die zu Indonesien gehören also die kompletten Kalimantan-Regionen inklusive Malinau. Floral, animalisch, unheimlich tief, das ist Borneo-Oud für mich. Sumatra-Oud hingegen ist rauchig für mich, hat was von Weihrauch, irgendwo auch balsamisch, ein sehr facettenreiches Oud.

In der Ecke sind Oud manchmal tiefer im Sinne einer gewissen Feuchtigkeit, auch die berühmte Cola-Note habe ich hier schon erlebt, Z.B. bei Suka Cita. Allgemein kann man einen gewissen Hang zu cremigen, grünen und balsamischen Elementen erkennen. Das ist bei malaysischem Oud nicht viel anders. Hier kennt man besonders die Kelantan-Region für hochwertige Ouds. Purple Kinam von Ensar unterstreicht auch hier das, was ich bereits sonst gesagt habe. Aber ja, auch hier ist das nur die Regel.

Thailand bietet ebenfalls schöne und bekannte Ouds, besonders die Regionen Prachin und Trat (inklusive Koh Chang) im Osten des Landes fallen in diesem Zusammenhang auf. Wenn ich an Useera II denke, dann muss ich an ein sehr grünes Oud denken. Mysterious Oud ist zwar ein Blend aber besitzt auch diese feucht-grüne Dschungelnote.

Kambodscha und die dortigen Ouderzeugnisse sind recht populär, das Oud von dort ist schwer, erdig, ledrig und herb. Dennoch nicht überbordend intensiv, so zeigt es eben viele Oud-Facetten auf, verzichtet aber auf Animalik. Die Pursat-Region ist hier für Adlerholz bekannt.

Letzten Endes muss man Oud nicht mögen, das ist klar. Aber: ist es falsch, Oud pauschal doof zu finden obwohl man gar nicht alle Facetten kennt? Nein, denn eine Reise hin zu den Unterschieden erfordert Zeit, Interesse und auch Geld oder ein gutes Netzwerk. Das Gros wird synthetische Ouds kennen und damit zufrieden sein. Aber davon ab lässt sich festhalten dass zum Beispiel ich Ouds aus Thailand, Malaysia, Indonesien, Kambodscha bevorzuge, mir behagt hier der sanftere Anschlag, das mehr feuchte, vielschichtig-moderate Element.

Indisches Oud oder auch burmesisches Oud hingegen empfinde ich manchmal als zu streng, zu animalisch.

Wie dem auch sei: ich hoffe, ich konnte euch Oud näher bringen und ich bin nicht der Super Experte, daher ist jeder, welcher einen Sachverhalt besser weiß - nicht despektierlich sondern ehrlich gemeint -, aufgefordert, mich zu korrigieren und ich nehme es mit in den Blog auf.

Ergänzung: es stimmt dass jedes Oud olfaktorisch verändert werden kann denn die Art der Destillation bzw. selbst das Wasser kann den Geruch am Ende beeinflussen. Aufgrund der Komplexität habe ich diesen Part hier ausgespart. 


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