Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 4 Jahren - 01.11.2020
49 101

Birkenteer, Rauch & Konsorten

Nach meinem Lederblog vor einiger Zeit dachte ich mir, ein weiterer zum Thema Birkenteer und Rauch wäre nicht verkehrt denn auch hier geht es deutlich facetten- und variantenreicher zu als man erst mal denken mag. Streng genommen ist es sogar fragwürdig, Teer und Rauch in einem Blog abzuhandeln da diese zu unterschiedlich sind. Aber wir wollen heute nicht so streng sein.
Ich selber kam zum Birkenteer durch - oh Überraschung- das Leder. Frühere Lederdüfte gewannen ihre Ledernote beispielsweise aus dem Birkenteer. Das kommt daher, dass man Leder pflanzlich gerben konnte und dieses dann mit Birkenteeröl eingerieben hat, was den Duft intensiver gestaltete. Das nennt man Juchten. Dennoch ist diese Art von Birkenteer kaum mit der Art von Teer zu vergleichen um welche es hier gehen soll denn es geht nicht um eingeriebenes Leder sondern um den Teer, welcher aus der Rinde der Birke gewonnen wird.


Einen Grund warum ich diese Duftnoten zusammen abhandeln möchte, ist zum einen das Duftextrem beider olfaktorischen Gruppen. Zum anderen wurde in früheren Jahrhunderten nicht selten dort der Teer gewonnen wo man auch Ruß gewann. Beides ein Prozess der viel Rauch verursacht.
Das Einzige, was nicht ganz hereinpasst, ist das Räucherwerk diverser Harze, denn Weihrauch oder andere Harze wurden eher aus anderen Gründen verbrannt.
An der Stelle möchte ich darauf hinweisen dass reine Weihrauchdüfte, ob sakral oder nicht, hier keine Erwähnung finden werden. Ebenso werde ich stark von Gewürzen getragene Düfte mit etwas Rauch auslassen, ein Interlude wird hier also ebenso wenig wie Beauforts erscheinen. Darüber hinaus ist Weihrauch per se recht populär und würde alleine die Länge des Blogs einnehmen können dank der Vielfalt der Erzeugnisse.


Fangen wir mit dem Birkenteer an. Viele gehen hier von stark chemischen, sogar beißenden Noten aus und das ist nachvollziehbar, denn der Geruch von Teer ist nichts für jedermann. Mein Favorit ist hier der erste Batch von Melegs Birch Tar & Russian Leather, welcher da rauchig aber schmutzig-rauchig daherkommt. Das liegt am Tabak und auch an der Vanille. Diese wird gerne eingesetzt um Rauch zu konterkarieren und diesem die Härte zu nehmen. Ist hier nur nicht geschehen.
Birkenteer geht aber auch anders und zwar zeigt uns das Black Tar von Parfumerie Particuliere. Hier ist der Birkenteer die dominante Note, wird aber gar nicht durch Birkenteer erzeugt sondern durch verräucherten Wacholder wozu wir später noch kommen. Dadurch dass dieser Geruch nun mit stark diametralen Düften wie dem der Tuberose inszeniert wird, ist das für mich ein absolut gefälliger Teergeruch. Ebenfalls möchte ich hier On The Road von Timothy Han nennen, welcher Birke sehr gut mit Gewürzen vermengt so dass der Bekannte Rauch andere Facetten bietet und der Duft so spannend wird.



Nun wird nicht nur von der Birke der Teer gewonnen sondern auch andere Bäume werde verbrannt um daraus Ingredienzen zu erhalten. Häufig sind das Nadelbäume; Zypressen sind gefragt, ebenso aber auch Fichten, Tannen und besonders beliebt der Wacholder, eigentlich eine Zypressenart aber eben häufig genutzt, beispielhaft sei Bois d‘ Ascese genannt, welcher diese schmutzigen Rauch mit dem starken somalischen Weihrauch vermengt, leider aber etwas linear bleibt.
Zurück zum Thema: Man darf sich hier nicht täuschen, um die Baumharze geht es nicht. Diese duften gänzlich anders. Im Prinzip geht das Verbrennen der Nadelhölzer in dieselbe Richtung wie die Birke, der Hintergrund ist lediglich ein anderer und olfaktorisch erhält man starke Intensitäten. Ein Beispiel wäre Chasing Autumn, mein Denkanstoß zu diesem Blog. Chasing Autumn geht für mich in die Richtung Birch Tar, gen Ende dann aber deutlich unterschiedlich da würziger und keine Vanille, dafür Kaffee. Nicht minder stark, nicht minder schwarz und nicht minder dreckig rauchig.

Gehen wir von der Welt der Bäume über zum Räucherwerk. Am wichtigsten sind hier wohl der Weihrauch und die Myrrhe. Sakralen Weihrauch kennen wir alle, wichtig ist dass man den Weihrauch je nach Herkunft unterscheiden kann. Beispielsweise riecht somalischer Weihrauch bei weitem stärker und schmutziger als den, den man als sakral betiteln würde. Die Unterschiede lassen sich ausgezeichnet in Sacreste herausfiltern.
Myrrhe erinnert viele Menschen verständlicherweise an Weihnachten und Weihnachtsmärkte. Myrrhe riecht geräuchert balsamisch-warm und wird häufig mit Weihrauch verwechselt. Ein Beispiel ist Broken Theories von Kerosene, welcher Weihrauch mit Gewürzen und unter anderem Blutorangen so vermengt, dass man aufgrund der kompletten Andersartigkeit an Myrrhe denkt.
In dieselbe Richtung geht übrigens Black Sheep von CinisLabs, nur wird weniger an Inhaltsstoffen genutzt weswegen er linearer und „härter“ als der Broken Theories duftet.

Spannend finde ich die Gruppe, welche nach reinem Feuer respektive dem Rauch eines Brandes riecht. Gerne steht Holz in Flammen und der Duft ist ein ganz anderer als bei Teergerüchen. Das alleine zeigt die Vielfalt von Holz auf.
Starten wir mit Incendo von La Curie, welcher für mich einfach nach Feuerrauch duftet, als würde man nur Streichhölzer abbrennen. Monothematisch aber schön. Von den Tannennadeln nehme ich hier nicht viel wahr.


In dieselbe Kerbe schlägt A City on Fire, auch hier Brandgeruch in der Stadt, ein Holzhaus steht in Flammen, kann aber olfaktorisch rasch gelöscht werden so dass es nicht nach Zerstörung durftet. Gut gemacht, jedoch gen Ende nachlassend.


Übrigens: auch hier gilt, viel hilft nicht viel. Nach der Devise müsste Poltergeist wegen des Wacholders, des Birkenteers, Palo Santos (habe ich hier mal ausgelassen, beispielhaft sei Palo Santo Cologne genannt), des Labdanums (ebenfalls Räucherwerk, hier ausgelassen da oft nur unterstützend und nicht in der Hauptrolle) und des Weihrauchs eine exponierte Position einnehmen. Tatsächlich dominiert hier das Wermut und vergilbt den Rauch, schwächt ihn zugleich auch.
Das soll es gewesen sein, ein kurzer Exkurs mit einigen Beispielen. Mir war es wichtig, aufzuzeigen, dass Rauch nicht gleich Rauch ist und einer Unterscheidung bedarf. Komplexer wird es dann je mehr Beinoten existieren und in welche Richtung diese gehen.


49 Antworten

Weitere Artikel von Chizza