Mungo schlägt sich durch den Dschungel. Seine Machete ist wie die natürliche Verlängerung seines Arms, das monotone auf und ab der Schläge gleicht seinem Herzschlag. Wenn er aufhört zu schlagen, aufhört sich zu bewegen, wird dann auch sein Herz aufhören zu schlagen? Gedanken, die dem Fieber entspringen. Gedanken, die es zu bannen gilt.
Er ist alleine, als einziger von seiner Expedition übrig. Alle anderen sind weg, tot oder desertiert. Oder vielleicht haben sie sich auch einfach aufgelöst, sind zu Dschungel geworden, zu Erde, zu Lehm. Das erstere ist entschuldbar, es gibt hier viele Möglichkeiten zu sterben. Kleine und große, giftige und hungrige, ein falscher Schritt, der Pfeil eines Eingeborenen und natürlich das Fieber, das früher oder später alle heimsucht. Desertieren allerdings ist nicht entschuldbar, es ist Verrat am König und noch schlimmer, an der Wissenschaft. Und sich einfach aufzulösen? Die Gedanken schweifen schon wieder ab, das Fieber brennt hell.
Aber er ist nah, er fühlt es. Dieser Hügel ist sein Ziel. Die Hinweise der Eingeborenen waren eindeutig, erkauft mit seinem Kompass. Aber er ist am Ziel, er braucht in nicht mehr. Das Dickicht wird lichter, je höher er kommt. Und dann sieht er ihn, dort oben steht er, der heilige Baum. Er ist genau so, wie ihn die Bücher beschreiben, das Ideal eines Baumes. Tief in seinem fiebrigen Hirn ist ihm klar, dass es das Ideal in dieser Welt nicht geben kann, aber hier und jetzt erscheint er ihm so.
Sein Traum ist Wirklichkeit geworden. Er geht auf ihn zu, streckt zaghaft die Hand aus und berührt den Stamm. Seine Hand spürt kaum einen Widerstand, fährt direkt durch das Holz. Morsch, faulig, von Pilzen zerfressen, der Traum wird zum Alptraum. Jetzt erkennt er seinen Irrtum, der Fieberschleier lüftet sich kurz und er sinkt vor dem toten Baum in sich zusammen. In seinem Elend wird ihm nur langsam bewusst, dass ihn ein unbeschreiblicher Duft umgibt. Frisch und würzig, nach trockenem Holz und dem Leder der Tiere.
Und während er hinabsinkt umschließt ihn eine warme Geborgenheit und er kommt zur Ruhe auf einem weichen Bett aus Erde und Blättern. Und er meint Tropfen zu spüren. Wie Regen der auf die Blätter trommelt und auf seine Haut. Es ist wie Musik.
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Homeros ist ein sehr dichter Duft und wie auf der Homepage von Ensar teilweise richtig angemerkt wird, ist es „kein Parfüm, bei dem man die Kopfnoten entfernt, um die Herznote freizulegen“. Teilweise, weil Homeros für mich durchaus eine deutliche Kopfnote und eine Basis hat, nur das dazwischen verschwimmt etwas.
Es startet relativ frisch mit Bergamotte und eher hellem, trockenem Holz. Wobei die Frische eher von den Hölzern kommt, als von der Bergamotte. Von der kommt eher die dunkelgrüne, leicht bittere Schale zu Geltung. Gleichzeitig sind aber auch sofort recht dunkle, harzige, animalische und würzige Noten erkennbar. Etwas leicht cremiges schwingt mit und derbes Leder. Das ist richtig stark und das nicht nur im Sinne von gut (was Geschmackssache ist), sondern im Sinne von präsent, raumfüllend. Es kommen noch florale und fruchtige Noten dazu, die aber absolut untergeordnet sind und die würzig-holzig-harzig-animalische Mischung maximal etwas sanfter machen. In diesem Sinne würde ich auch nicht von einer Herznote sprechen, da der Duft über Stunden so verharrt, lediglich die frischen Noten verabschieden sich.
Erst zur Basis hin tut sich wieder mehr in der Duftentwicklung. Es wird erdig und lehmig, was wohl dem Oud zuzuschreiben ist und teilweise vielleicht auch dem Patch. Patch und Tabak sorgen für ein dunkelgrüne Note. Und in meiner Nase kommt noch mal eine scharf-frische Note an, als würde das Zibet noch mal Gas geben. Die Animalik wird durch einen guten Schuß Moschus ohnehin noch mal deutlicher, wobei der Moschus hier dezent süß, warm und menschelnd nah rüber kommt. Überhaupt empfinde ich die Animalik im gesamten Duftverlauf als sehr ausgeprägt, allerdings niemals zu viel oder gar abweisend.
Homeros ist ein sehr hochwertiges, animalisches Oud, das ich als absolut tragbar empfinde. Ob es in Platons Sinn das Ideal eines Oud-Dufts ist, wage ich nicht zu beurteilen, jedenfalls danke ich Floyd für die Möglichkeit, diesen Duft kennenzulernen.
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Historischer Hinweis und eine Anekdote:
Historie: Die kleine Geschichte ober bezieht sich auf Mungo Park, einem Schottischen Entdecker und Abenteurer, der in seinen Lebzeiten nie in Asien war, sondern sich der Erforschung Afrikas und dort speziell des Verlaufs des Nigers verschrieben hat (unterhaltsam nachzulesen in Wassermusik von T. C. Boyle). Er steht nur stellvertretend für eine mittlerweile ausgestorbene Spezies von Menschen, die sich, völlig ahnungslos auf Gott vertrauend und unbefleckt von Zweifeln an der eigenen Überlegenheit, in aberwitzige Abenteuer gestürzt haben, um die weißen Flecken der Landkarten mit etwas Farbe zu füllen. Das ist heute kaum mehr vorstellbar, auch weil es keine weißen Flecken auf der Karte mehr gibt.
Anekdote: während meines Tests von Homeros kam nach ca. 4 Stunden meine Frau ins Zimmer und meinte, mein Laptop würde heiß laufen, etwas röche so komisch. Kurzzeitig kam beim Test mal ein leichtes Rauchgefühl auf, allerdings so dezent, dass ich es nicht erwähnenswert finde. Tragen dürfte ich den Duft zu Hause also wohl eher nicht, wodurch ich zumindest nicht in die Verlegenheit komme, mir über die Finanzierung Gedanken machen zu müssen...