Puh, ganz schön kernige Ansage, die Ensar in seiner Ankündigung für sein neustes Release „EO N°3“ da rausgehauen hat. Aber wer sich mal mit der Marke Ensar Oud auseinander gesetzt hat, weiß, dass es Ensar, dessen gebürtiger Name übrigens "Ensar Tokati“ lautet, weder an Selbstbewusstsein mangelt, noch dass er in seinen Beschreibung oftmals nicht mit Superlativen geizt.
„The best…“ hier, „the finest…“ da. Der Gute ist schon sehr überzeugt von seinen Produkten und Kreationen und das spiegelt sich natürlich auch im Preis wieder. 599$ für 30ml „PureParfum“ sind hier mittlerweile Standard. Darunter geht kaum was – darüber geht's schnell.
Ensar pflegte wohl einen sehr engen Kontakt zum Sultan Qabus (Qaboos) bin Sa’id, der vom 23. Juli 1970 bis zu seinem Tod am 10 Januar 2020 Sultan von Oman war. Nicht zuletzt weil dieser neben seiner Sammlung von unzähligen Luxuskarossen und seltenen Uhren auch ein Faible für olfaktorische Schätze hatte. Die Sammlung muss wohl unzählige Kostbarkeiten aus aller Welt beinhaltet haben. Unbezahlbare Raritäten wie „Sinking Grade Agarwood“ aus sämtlichen Teilen Asiens, Jahrzehnte alte, Zig-Kilo schwere Ambergris Brocken, Hirschmoschus aus Tibet, Kashmir, der Mongolei und sogar den König aller Moschus-Arten, den quasi nicht mehr existenten Tonkin-Moschus aus Vietnam. Auch der Mainplayer im neuen EO N°3, die „Royal Tai'fi“ stammt aus dem, wie er es nennt „Royal Archive“.
Die aus Saudi-Arabien stammende Taif-Rose (Rosa damascena trigintipentala) wird auch als Königin aller Blumen bezeichnet. Der Durchschnittspreis einer „tolah“, also einer kleinen Glas-Phiole, die 11,7g Öl fasst, beträgt ca. 800$. Und das ist noch nichtmal die beste Qualitätsstufe. Die über Jahre gereiften Top Notsch-Öle werden meist nur an wohlhabende Sammler und Königshäuser verkauft und übersteigen diesen Wert bei Weitem. Im Fall der „Royal-Tai'fi“ von Sultan Qaboos wird die Extraktion auf das Jahr 1980 zurückdatiert. Man kann sich also vorstellen, dass das ne ziemlich kostspielige Geschichte war. (Man kann aber auch einfach auf der EO Website schauen, was man für 2,5g reines Taif-Öl aus dieser Sammlung auf den Pöller legen muss.)
Ich bin beim besten Willen kein leichtgläubiger Mensch aber die immer wiederkehrende namentliche Erwähnung und die Verwendung von Bildern des Sultans auf der EO Website eliminieren berechtigten Zweifel über diese Aussagen doch recht nachhaltig. Ich glaube ehrlich gesagt kaum, dass ein Sultanat eine nicht rechtliche Verwendung des Namens eines mehr als angesehenen, jahrelangen Staatsoberhauptes dulden würde.
Neben den drei, oben bereits genannten Moschus Varianten, Ambergris und dem königlichen Rosen-Öl findet im EO N°3 auch Jahrzehnte lang gereiftes Myitkyina Oud aus Burma noch ein kleines Plätzchen. Ich frage mich, wieviele von euch das Wort "Myitkyina Oud“ beim lesen jetzt gerade wohl richtig ausgesprochen haben. Ich gehöre sicherlich nicht dazu.
Ich könnte noch stundenlang über die einzelnen Inhaltsstoffe berichten aber bevor sich die ersten Leute hier vor Langeweile ausklinken, komme ich lieber mal zum Duft selbst.
Ich hatte aufgrund der wirklich DICK aufgetragenen Ankündigung seitens EO ziemlich hohe Erwartungen an den Duft, muss ich gestehen und nicht nur wegen des Preises fast ein wenig „Angst“ jetzt enttäuscht zu werden. Ich drücke also zögerlich den Abzug des in von Hand gearbeitetem Leder eingefasstem Flakon und…. BOOM….. olfaktorischer Mic-Drop… Kurze Gänsehaut.
Was einem hier in die Nase strömt hat einfach NICHTS mit den typischen Rose-Oud-Kombos zu tun, die ich bis Dato kannte.
Der Duft startet mit einer unfassbar feinen Zitrus-Note, die wohl eine der besonderen Charakteristika der Taif-Rose darstellt. Keine scharfe Zitrik die an Bergamotte und Co. erinnert. Viel feiner, weicher und runder. Nur Sekunden später entfaltet die Rose ihr atemberaubendes Aroma. Man kann das Profil gar nicht richtig aufschlüsseln. Es ist eine Kombination aus zitrischen Noten, angenehm leichter Süße, eine kühlende, mentholartige Frische die sich anfühlt als wenn man einen tiefen Atemzug durch die Nase nimmt, nachdem man ein Menthol-Bonbon gegessen hat. In diesem komplexen Gemisch an Eindrücken erkennt man dennoch ganz klar den typisch, luxuriösen Charakter, den Rose in einen Duft einbringt. Die Kombination der verschiedenen Moschus-Arten, die jeder für sich einen eigenen Charakter haben – Tibetischer Moschus ist prickelnd, spritzig / mongolischer Moschus leicht animalisch, erdig und Tonkin-Moschus eher süßlich cremig – wirken wie eine Art Turbolader für die Rose und verstärken ihre speziellen Eigenschaften nochmal um ein vielfaches. Der Ambergris fungiert hier eher als Fixativ und sorgt für mehr Haltbarkeit und Projektion. Wer hier eine typisch salzige, leicht maritime fürchtet braucht sich definitiv keine Sorgen zu machen. Das Oud kommt für mich persönlich erst im Herzen und in der Basis zum Vorschein. Aber auch hier nimmt es keine dominante Rolle ein. Es bringt höchstens eine leicht holzig, grüne Note in den Hintergrund, die an Oud-Destillationen der Adlerholz-Gattung Walla-Patta aus Sri-Lanka erinnern und der Komposition NOCH MEHR Tiefe verleiht. Die anderen Inhaltsstoffe wie Pfeffer, Mandarine und Muskat sind so fein verwoben, dass man sie kaum einzeln herausriecht. Das Besondere an diesem Duft ist einfach, die Kombination dieser Öle und Extrakte und die unfassbare Qualität, die diese ohne Hemmung ausstrahlen. Es fühlt sich an als würde dieser Duft alle paar Minuten seinen Charakter wechseln. Mal riecht er süß, mal frisch, mal warm, mal kühl. All dies ist verbunden mit einer unfassbaren Leichtigkeit und Eleganz, wie ich sie noch nie erlebt habe. Die Rose ist zu keinem Zeitpunkt schwer, altbacken oder wächsern, wie es oftmals der Fall ist. Der Duft ist klassisch aber dennoch modern. Ein in Glas und Leder abgefülltes Paradoxon, dass mich nach jedem Auftragen mit einem breiten Grinsen und absoluter Begeisterung zurücklässt.
Viele werden jetzt wieder sagen: „Wie kann man so viel Geld für einen Duft ausgeben?“ Ich verstehe das. Sie ist berechtigt. Es ist eine Frage, die ich vor einem halben Jahr selbst noch gestellt hätte. Ich betrachte Ensar’s Werke nicht mehr wirklich als Parfum sondern eher als Kunst. Die Anzahl der Tage, an denen ich seine Werke außerhalb meiner vier Wände getragen habe kann ich an einer Hand abzählen. Ich trage sie nicht, um für andere gut zu riechen, denn das ist eh eine Frage de Geschmacks. Ich betrachte sie, wie andere ein Kunstwerk an der Wand einer Galerie. Ist ein Picasso Millionen Wert, weil die Farbe so speziell ist oder die Leinwand besonders teuer war? Schönheit und die persönlichen Auswirkung auf den Geist liegen im Auge (oder der Nase) des Betrachters. Das ist auch der Grund, wieso ich niemals „Kaufempfehlungen“ oder ähnliches aussprechen würde. Ich kann lediglich wiedergeben, was ein Duft für mich tut und wie er auf mich wirkt. Im Fall von EO N°3 bin ich fast geneigt zu sagen, dass hier das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Ich glaube nicht, dass hier qualitativ und handwerklich noch Luft nach oben ist. In Kombination mit dem aufwendig handgefertigten Flakon aus dem Atelier von Habib Dingle, der unterem anderem die St. Johns Bible für den Vatikan bindet, ergibt dieser Duft wohl das Kronjuwel meiner Sammlung. In einem der sozialen Netzwerke wurde ich gefragt: „How would you describe the rose in EO N°3?“ Ich konnte eigentlich nur Ensar selbst zitieren: „ It’s a Rose to end all Roses…once and for all."