Synthetisch oder chemisch? Oder beides?
In den diversen Rezensionen und Statements lese ich recht häufig, dass Parfums synthetisch oder chemisch riechen oder vermutlich ebensolche Duftbestandteile enthalten. Und ich frage mich regelmäßig, was mir der Verfasser des jeweiligen Beitrags damit überhaupt sagen möchte. Um meine eigene Interpretation vorwegzunehmen: ich denke, es geht in der Regel um einen künstlichen Geruch, also etwas, was man so nicht im Zusammenhang mit natürlichen Duftbestandteilen erinnern oder assoziieren kann. Da gibt es nach meinem Dafürhalten aber auch schon eine gewisse Überschneidung zu sehr intensiven Düften oder Duftbestandteilen beziehungsweise zu sehr hohen Konzentrationen einzelner Ingredienzien. Will sagen, es kann durchaus verschiedene Ursachen haben, weswegen unsere Nase mit Befremden auf Gerüche reagiert. Manches erscheint uns vielleicht künstlich, ist aber nur eine eigenwillige Mischung aus vielleicht sogar natürlichen Duftbestandteilen, von denen wir einzelne Komponenten nicht klar identifizieren können, weswegen unser Gehirn dann beispielsweise als Schlussfolgerung ableiten könnte: dieser Geruch nach Orange ist künstlich / komisch / chemisch / synthetisch.

Ich möchte gar nicht weiter darauf eingehen, dass wir uns nicht weiter darüber unterhalten müssen, ob gerade in den sogenannten „Designer-Düften“ chemisch gesehen natürliche oder synthetische Duftstoffe enthalten sind. Bis auf wenige Ausnahmen wird definitiv Letzteres der Fall sein. Und damit sind wir auch schon bei einer sprachlichen Kleinigkeit, die mich oftmals im weit verbreiteten Gebrauch verwirrt: chemisch ist nämlich so ziemlich alles, wie beispielsweise auch Wasser und Luft. Das Adjektiv wird aber nur allzu gerne synonym zu künstlich oder synthetisch verwendet, was auch nicht weiter schlimm ist, wie ich finde. Ein weiterer Irrglaube ist, und das trifft ja nicht nur auf Düfte und deren Bestandteile zu, dass alles Natürliche gesund und damit gut ist, alles Synthetische automatisch schlecht und gefährlich. Aber das wäre eine ganz andere Diskussion, die ich hier nicht aufmachen möchte. Warum verfasse ich diesen Blog-Beitrag? Um den Austausch von Meinungen zu diesem Thema anzuregen. Es liegt mir fern, hier andere belehren zu wollen. Wie auch, kann ich gar nicht. Ich bin kein Wissenschaftler und höchstwahrscheinlich ist einiges von dem, was ich von mir gebe, so nicht 100% korrekt. Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Mich würden hier jedoch Meinungen interessieren, was IHR alle damit meint, wenn Ihr einen Duft oder einzelne Inhaltsstoffe / Bestandteile als synthetisch oder chemisch bezeichnet. Was wollt Ihr damit ausdrücken? Ist es für Euch gleichzusetzen mit künstlich? Und assoziieren wir damit auch gleichzeitig Adjektive wir minderwertig, billig und damit schlechter als natürlich und hochwertig? Ich bin neugierig und würde mich freuen, wenn es dazu ein paar Meinungen gibt. Vielleicht habe ich jetzt auch einen Fehler begangen, dies als Blog-Beitrag zu formulieren und nicht als Frage im Forum, ich weiß es nicht genau, habe mir aber durchaus meine Gedanken dazu gemacht und mich bewusst für den Blog entschieden.
Natürliche Duftstoffe bestehen oft aus sehr vielen einzelnen chemischen Substanzen, die quasi synergistisch zusammen wirken. Das kann man nicht so einfach oder gar nicht nachbilden.
Die meisten Parfüms verwenden reine synthetische Stoffe, da diese immer gleich riechen (schließlich ist der chemische Aufbau dann perfekt gleich) Parfüme die noch echte Öle verwenden können bei jeder Charge stark im Duft abweichen, weil die Öle selbst abweichen. Jeder weiß das die eine Rose super riechen kann und die andere schlecht, daher kommen diese Abweichungen.
Am liebsten beschreib ich den Duft eines "synthetisch/chemischen" Parfüms wie folgt:
Man war jung und dumm, ging in einen 1€ Store und schlenderte zum Parfüm, die waren ja besonders billig! Der Geruch dieser Ecke, den Geruch mein ich.
Wenn ich in Düften sogenannte synthetische Noten als unangenehm herausrieche, dann sind es für mich meist die künstlich hergestellte Riechstoffe, die nach den chemischen Bausteinen ihrer natürlichen Ebenbilder kreiert wurden und das schon seit Ewigkeiten.
Jedes Parfum enthält zu einem gewissen Anteil, manchmal nur minimal, synthetische Anteile, allein der Haltbarkeit halber.
Wenn z.B Kaschmirholz als Duftnote aufgeführt wird, ist es meist Cashmeran und das wiederum ist ein seit 1986 hergestellter künstlicher Riechstoff. Er ist so in seiner Verbindung in der Natur nicht zu finden. Wenn er zu hochdosiert auftaucht ist er für meine Nase unangenehm, genau wie Iso E oder Safraleine. Aber auch manch eine Trägersubstanz kann mir einen Duft verleiden.
Jede Nase ist da jedoch anders und nimmt anders wahr.
Ein interessanter Beitrag, danke dafür :)
Da ich schon sehr, sehr lange mit ätherischen Ölen und nur Biokosmetik arbeite ist meine Nase "echte" Düfte aus der Natur gewöhnt und erkennt viele davon auch als solche, wie ich sie nenne "authentische Düfte". Hinzu kommt wohl noch meine Duftprägung was Parfums betrifft und die Neugierde auf Düfte, die vor langer Zeit komponiert wurden. Ich bilde mir ein, dass zu diesen Zeiten noch sehr viel Können, Handwerk, Wissen, Leidenschaft, Liebe, Kreativität und endlos viel Zeit und Geduld nötig war. Synthetik in Düften, wird ja nicht erst seit heute verbaut. Ein gutes Beispiel ist für mich #Mitsouko Guerlain. Da Fruchtdüfte (außer Zitrische) nur chemisch hergestellt werden können, wurde Anfang 1900 wohl erstmals der Pfirsich hier e i n g e w o b e n. Man riecht förmlich die gute Arbeit, die dahinter steckt. Was man von den neueren Düften m.M.n. nur äußerst selten sagen kann. Eine Frucht authentisch als Duft darzustellen ist glaube ich
Moschus mag ich im Übrigen NUR synthetisch. Aber auch da sind wirklich nicht alle gleich.
Was oft als "Synthetik " bezeichnet wird, liegt wohl auch daran, dass die wenigsten von uns Chemiker sind und all diese Formen, die die Chemie hergibt, noch nicht als Monoduft gerochen haben. Und somit auch nicht genauer benennen können. Vielleicht helfen da die Moleküldüfte weiter. IsoESuper und Ambroxan (kann ich überhaupt nicht!) kann sich ja inzwischen jeder beschaffen. Zu mehr fehlt leider auch mir die Lust auf diese aufdringlichen, festkrallenden Gerüche. Aldehyde wiederum haben nun mal oft diesen Vintageeffekt. Auch synthetischer Moschus kann echt schön sein für mich. Aber wie immer die Kombination und Dosierung machts...
Ich persönlich empfand die Aussage „synthetisch“ oder „chemisch“ grundsätzlich als negativ. Da der Kontext meist auch negativ war.
Ich sehe es ähnlich wie ein paar der Vorredner dass synthetische Gerüche nicht grundsätzlich zu verteufeln sind. Ich persönlich empfinde zum Beispiel Benzin als gut riechend.
Was im Forum mitunter gerne als "synthetisch" mit negativer Konnotation verwendet wird, ist die Tatsache, dass der erzeugte Geruch stechend, unrund, nicht mit natürlichen Gerüchen kompatibel und grell ist.
Hier könnte man den Unterschied von echtem Leder und Lederimitat heranziehen. Echtes Leder erkennt man am Geruch der "Haut" und der verwendeten Gerbstoffe.
Lederimitat hingegen sieht zwar ähnlich aus, riecht aber völlig anders, nämlich nach Polyurethan oder besser gesagt nach der Urethan-Gruppe. Dieser Geruch kommt so gut wie nicht vor in freier Wildbahn und erzeugt bei uns ein Gefühl des Fremden, des technisch Möglichen aber Unnatürlichen.
Leider verwenden wir hier im Forum bei Nichtgefallen die Bezeichnung "synthetisch".
Es wäre spanndend und sicherlich berreichernd, wenn wir einen neuen Begriff dafür finden würden.
OK überredet ... Ich teste mit.
Dass mittlerweile sehr viele synthetische Duftstoffe im Einsatz sind, ist ja nicht nur hinlänglich bekannt, sondern m.M.n. auch "wertneutral".
Also zum Vokabular:
Mit "synthetisch riechend" meine ich ein Duft-Äquivalent zum synthetischen Geschmack. Beispiel Maoam. Schmeckt das nach Himbeere, Zitrone, Orange? Ja - irgendwie schon. Schmeckt das nach ECHTER Himbeere, Zitrone, Orange? Nee.
Mit "chemisch" (bzw. "chemisch stechend") beschreibe ich ich fast ausschließlich Parfums, die die aktuell so verbreiteten Verstärker (hauptsächlich Ambrocenide) enthalten. Die machen, dass ich (und eine kleine Minderheit) nur noch "Chemie" rieche: giftig wirkende Wolken, unter denen sich eventuell eine Duftkomposition versteckt, zu der meine Nase aber gar nicht durchkommt. "Chemisch" ist nach der Lesart also gar keine Duftnote, sondern eine Störnote. Ein Parfum-Killer, der nach Chemie-Unfall riecht.
:-)
Wobei ich finde, dass Synthetik bei Düften nicht so schaden, wie bei sogenannten LEBENSmitteln.
Für mich ist synthetisch oft klar erkennbar, manchmal ist es auch gar nicht so einfach, zum Beispiel bei synthetischem Oud oder synthetischen Zitrusnoten.
Synthetische Noten eröffnen eine Duftwelt, die durch natürliche Noten oft nicht produzierbar wären.
Wenn ich meine Düfte betrachte dann fallen mir ein: Die Meeresnote von Green Irish Tweed, die kühle Bergluft von Himalaya, die blumige Frische von Pleasures, die Meeresnote von Erolfa, die unbeschreibliche Frische von Millesime Imperial, die Moschusnote von Original Vetiver und die cleane Duschgelnote, die bei kaltem Wetter an Klostein erinnert, von Freshman.
auf, weil ich einen Jagdhund habe, der sehr viel Auslauf braucht. Zudem besitze ich seit Jahren einen Garten mit vielen Kräutern und Blumen.
- Ich bilde mir also zumindest ein, mich mit Pflanzen und deren Gerüchen, recht gut aus zu kennen.
Umso überraschter war ich in letzter Zeit auch öfter, wenn irgendwelche "Experten", Düfte, die ich als äußerst naturnah wahrnehme, als künstlich oder synthetisch bewerten.
Ich staune auch manchmal, wenn jemand Rosendüfte kathegorisch ablehnt. Gerade hier gibt es unglaublich viele Duftrichtungen, die selbst ich im Blindtest, nicht unbedingt als Rosenduft erkennen würde.
Aus diesem Grund finde ich deinen Blog hochspannend, und er zeigt ein mal mehr, daß man sich am besten auf seine eigene Wahrnehmung verlässt.
Trotzdem kenne ich das enttäuschende Gefühl auch aus eigener Erfahrung. Wer zB einen duftenden Jasminstrauch im Garten stehen hat ist mitunter von einem synthetischen Duft enttäuscht. Dieser enthält eben eben nur einige wenige Moleküle aus zT mehreren hundert Molekülen die diesen komplexen Duft ausmachen. Aber so ist das eben und natürliche Bestandteile werden uns bald immer mehr kosten. Dafür werden Kompositionen mit synthetischen Bestandteilen sicher auch immer ausgefeilter.
Wer also enttäuscht ist dass ein in der Duftpyramide genannter "Jasmin" nicht riecht wie der Strauch im Garten ist da vielleicht ganz banal einfach nur auf der falschen Fährte...
Oder anders gesagt: Vielleicht hält man da dann was für "Synthetik" das eben doch der "echte" Stoff ist...
Also gut im Sinne von "mag ich gerne riechen".
Es ist ja auch nicht so dass es Zwang wäre, dass Parfum die Natur imitiert, davon sind wir spätestens seit der Verwendung von Aldehyden in Düften (1921 durch Chanel wenn ich mich recht erinnere - bitte korrigiert mich) meilenweit entfernt.
Legendäre Düfte wie N°5 können also durchaus "synthetisch" sein ohne dass man es ihnen übel nimmt.
Mich stören die für mich wahrnehmbaren (!!!) "künstlichen" Nuancen in Dürften mehr wenn's um Florales geht - wenn's um Holz geht gibt's da einiges bei dem sich anderen der Magen rumdreht das ich liebe (inkl. "Buddha Wood"), also eher umgekehrt wie bei Dir liebe @Pollita. Aber ist ist ja wie immer eine Frage der Wahrnehmung und Vorlieben.
Gerade die aktuellen "Hype-Düfte", vor allem bei den Herren, sind wahre Synthetik-Monster. Das schlägt aber ein wie vor über 100 Jahren N°5.
Molecule 01 war für mich eine Offenbarung bzgl. dessen wie Parfum funktioniert.
Ich schrieb mal in einer Rezension:
"Ich hab ja nun eigentlich nichts gegen Synthetik, ich bin mir längst bewußt dass sich nicht mal in den Flakons derjenigen, die immer großartig mit "natürlichen Duftstoffen" Werbung machen, tatsächlich nur die reinsten natürlichen Essenzen befinden. Und natürlich weiß ich auch dass viele "synthetische Duftstoffe" reiner und klarer daherkommen als die Original-Essenzen, und Reinheit und Klarheit mag ich eigentlich immer sehr. Tatsächlich ist es mir sogar egal ob ein Duft synthetisch erzeugt wird - Hauptsache er riecht gut an mir.
Synthetik hat durchaus auch Vorteile, Zarkoperfume streicht sie heraus in dem ausdrücklich betont wird dass die Düfte 100% tierversuchsfrei sind, 100% vegan, nachhaltig und ressourcenschonend. Das ist mir sympathisch."
Mittlerweile begreife ich "synthetisch" (künstlich/chemisch/haarspayig) nicht mehr als Thema der Herstellung sondern als Duftnote die einem im einen Duft gut gefallen kann, in einem anderen aber nicht.
Mit "billig" hat das nichts zu tun, ich hab hier bei Parfumo gelernt dass gewisse synthetisch erzeugten Duftstoffe teurer sind als die natürlichen (wenn ich's richtig weiß ist das bei Vetiver ein Thema - bitte korrigiert mich).