Duftsucht
Duftsuchts Blog
vor 4 Jahren - 12.02.2020
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Die duftenden Winkel Wiens: ein olfaktorischer Streifzug durch meine Herzensstadt

Ein Besuch in meiner ehemaligen Heimatstadt Wien beinhaltet, wann immer es meine Zeit erlaubt, auch eine mehr oder wenig akribisch geplante "Spazier - und Genuss-Pirsch". Tage zuvor frische ich meine Erinnerung an Öffnungszeiten und Angebot der einzelnen Parfümerien auf, um die ideale Routenplanung – immer in Abstimmung mit meiner Wunschliste – vorzunehmen. Schließlich habe ich mir selbst feierlich gelobt, ausschließlich Düfte meiner überschaubaren Wunschliste in meine Sammlung aufzunehmen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!

Und das hat im Wesentlichen etwas mit den wunderbaren, eher kleinen Parfümerien zu tun, die es in der Stadt meines Herzens zu finden gibt – und den kompetenten, netten Verkäuferinnen, mit denen ich im Regelfall lange testen, schwatzen und Listen von Lieblingsdüften austauschen kann, ehe ich (meist mit etwas ganz anderem als dem geplanten) glücklich den Laden wieder verlasse. Dieser Blog ist also all diesen hilfreichen Geistern gewidmet, die mir den letzten Aufenthalt in Wien wieder einmal zu einem äußerst erfreulichen und genussvollen – wenn auch teurem – Vergnügen machten.

Diesmal war meine Route etwas eingeschränkt, denn mit nur wenigen Stunden war ein enger Zeitrahmen gesteckt. Mein erster Weg führte mich (wie schon beim letzten und vorletzten Streifzug) zu „Duft und Kultur“ in den Tuchlauben.

Dort sind die Objekte meiner Begierde primär die Düfte von „Parfum d’Empire“. „Le Cri“ ist ein Duft, den ich aufgrund der Empfehlung der unglaublich kompetenten, geduldigen und netten dort beschäftigten Duftfee schließlich blind kaufte. Lange war er nicht lieferbar – und in dem Moment, in dem ich ihn wieder im Handel entdeckte, gab es für mich kein Halten mehr. „Le Cri“ avancierte von etwas Verblüffung beim ersten Testen, da ich ihn mir aufgrund der Inhaltsstoffe komplett anders vorgestellt hatte, blitzschnell zu einem meiner Lieblinge, das Fläschchen ist inzwischen halb leer und ich werde ihn sicher nachkaufen.

Die Fähigkeit der Dame bei „Duft und Kultur“, mit einigen wenigen Fragen und ein, zwei Testerchen mit sicherem Griff unbekannte Schätze aus den Regalen zu zaubern, erfüllt mich geradezu mit Ehrfurcht. Noch erstaunlicher ist aber ihr enzyklopädisches Wissen über JEDEN einzelnen der Düfte und ihre Schöpfer in dem schönen Laden. Und das sind nicht wenige! Das tollste hier ist, dass von den Dufthäusern, die vertrieben werden, fast alle Düfte vorhanden sind – und nicht nur einige wenige wie sonst oft und man doch immer genau den Duft, den man testen wollte, gerade nicht findet. Zum Entdecken gibt es viel: Dyptique, Etro, L’Artisan Parfumeur, Maître Parfumeur et Gantier, Lutens, Nicolai, Fragonard, Miller et Bertaux, Comptoir Sud Pacifique, Eau d’Italie, Goutal, Esteban, Parfum d’Empire, um nur einige aufzuzählen.

Das letzte Mal betrat ich den Laden nur, um einen Fragonard-Duft zu testen – und verließ ihn einige Stunden später mit Menta y Menta von Miller et Bertaux und La Chasse aux Papillons von L’Artisan Parfumeur, zwei Spontankäufe, die ich bis heute nicht bereut habe.

Diesmal war die Sache theoretisch relativ einfach. Ich wollte ja nur die drei neuen Düfte von Parfum d’Empire noch einmal in aller Muße schnuppern – und vielleicht einen davon mit nachhause nehmen. Und weil ich gerade so gemütlich beim richtigen Eck am Regal stand, zog ich gedankenverloren auch noch die Kappe von „Azemour Les Orangers“ ab und ZACK waren alle Pläne zunichte. Der musste einfach mit, dieser würzig-warm-spritzige Orangenhain, der wie ein Djinn aus der Flasche auf einmal den Raum erfüllte!

Und da ich der Duftfee dort komplett vertraue, bekommt sie von mir auch immer die Frage gestellt, die vermutlich viele Verkäufer fürchten wie der Teufel das Weihwasser: „Und jetzt schlagen Sie mir doch noch etwas ganz, ganz anderes vor, von dem Sie sich vorstellen könnten, dass es mir gefällt…“. Ich mache das auch regelmäßig beim Weinhändler meines Vertrauens, weil ich dazu neige, sonst auf ausgetrampelten Pfaden zu schlendern und es mir im Altbekannten gemütlich einzurichten.

In diesem Fall war es Mont de Narcisse von L’Artisan Parfumeur, den ich noch testete. Narzisse ist bei mir so eine Sache – und Leder ebenso und so war rasch klar, dass der Duft, weiterhin bei seinen Artgenossen bleiben darf. Ein zweiter Vorschlag war aber dann wieder einmal ein Schuss ins Schwarze: Grain de Plaisir von Maître Parfumeur et Gantier, den ich sensationell finde, der aber noch bis zum Sommer warten muss. Denn die Entwicklungszeit der Düfte auf meinem Arm musste ja überbrückt werden -und wo könnte man das besser machen als in einer weiteren tollen Parfümerie? Und dort wartete sofort die nächste Versuchung!

Kussmund heißt sie, die hübsche Parfumerie, gelegen in der Habsburgergasse, die ich ohnehin immer zum Schaufensterbummeln der kleinen Antiquitätengeschäfte aufsuchen muss. Hier gibt es ebenfalls ein reiches Angebot an seltenen Nischendüften, mich zieht aber eine ganz bestimmte Marke magisch an: Santa Maria Novella, deren tollen Düfte und Körperpflegeprodukte hier ein ganzes Regal einnehmen: die Düfte dieses altehrwürdigen Klosters sind für mich die Edel – und Naturvariante von „Smellory“, falls sich einer der Senioren in der Runde noch an dieses Spiel erinnert. In kleinen Döschen waren Geruchsstoffe und man musste erraten, was es ist. Dort versagte ich regelmäßig, weil die Künstlichkeit der Duftdöschen für mich mit dem Originalduft, den sie verkörpern sollten, qasi nichts zu tun hatte. Bei Santa Maria Novella ist das Durchschnuppern selbst bei Duftnoten, die ich nicht mag, ein wahres Vergnügen. Ein Maiglöckchen wie aus einem altmodischen Muttertagssträußchen gesucht? Ein Ginster, ein Granatapfel auf der „wie riecht das eigentlich-Liste“? Hier findet man das alles. Viele der Düfte sind nicht so, dass ich sie im Alltag tragen würde, aber „Opoponax“ zum Beispiel war für mich ein Suchtauslöser für andere Düfte mit der gleichen Komponente. Und während ich das hier schreibe, bedaure ich fast, dass ich ihn nicht diesmal mitgenommen habe. Begleiten durfte mich jedoch ein anderer Duft der Reihe: Lavanda Imperiale, frei nach dem Motto: Man kann NIEMALS zu viele Lavendeldüfte haben! „Lavanda Ambrata“ desselben Hauses gefiel mir als Parfum vielleicht sogar noch einen Ticken besser, ich wollte aber in diesem Fall einen echten altmodischen Wäschekasten-Lavendel und fand mit diesem Duft den perfekten Kopfkissen-Spray.

Mein dritter Abstecher in Sachen Düften führte mich – wie eigentlich bei jedem Wien-Aufenthalt – in die Parfümerie J. B. Filz, deren wundervoll altmodisches Geschäft ich bei einem Kommentar zu „Eau de Lavende“ ja schon ausführlich beschrieben habe. Hier liegt das größte Vergnügen im ziellosen Stöbern und zufällig Finden, denn die bunt zusammengewürfelte Ansammlung an Düften – übrigens sympathischer Weise unterschiedlichster Preisklassen! – und die exzellente fachkundige, unaufdringliche und zuvorkommende Beratung machen jeden Besuch zu einer Entdeckungsreise unbekannter oder lange verloren geglaubter Schätze. Meist inzwischen bis zur Unkenntlichkeit reformuliert, rufen die Nachfahren in mir trotzdem eine nostalgische Nachsichtigkeit hervor – und mitunter erkennt man in den Urahnen ja doch noch eine gewisse Familienähnlichkeit. Genug für mich in vielen Fällen, um Erinnerungen aus der Vergangenheit wieder nach oben zu tragen und ein wenig in Sentimentalität zu schwelgen.

All diese Geschäfte leben davon, dass hier Angestellte zu finden sind, die mit Herzblut, Begeisterung, viel Wissen und Empathie Meister ihres Faches sind. Die erkennen, wenn sie einen echten Duftverrückten vor sich haben und ihn mit Gelassenheit und Geduld bei der Suche nach einen neuen Liebling auf verschlungenen Pfaden durch das Dickicht unendlich vieler Düfte begleiten. Die darauf achten, auch einmal neue Anregungen zu geben, uns von den schon vertrauten Wegen in unbekanntes Terrain zu locken und so ungeahnte Duftwelten zu eröffnen. Und während ich schwelgerisch an meinem Handgelenk den Duft von „Azemour Les Orangers“ tief einatme, träume ich mich durch Orangenhaine wieder hin – in den kleinen gemütlichen Parfumladen in meiner Heimat- und Lieblingsstadt…

In diesem Sinne: Ein riesengroßes Dankeschön den drei wundervollen Duftfeen, die mich bei meinem letzten Duftstreifzug in Wien begleiteten – und wer weiß, vielleicht liest ja die eine oder andere sogar hier mit. Überraschen würde es mich nicht!

Eure Duftsucht

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