
Die Reise in den olfaktorischen Herbst und Winter - Part 6
"Ein Hauch Parfüm ersetzt den Frühling, eine Wolke Parfüm läutet den Herbst ein."
(© Klaus Ender (1939 - 2021), deutsch-österreichischer Fachbuchautor, Poet, bildender Künstler der Fotografie)
Die neue Woche beginnt für mich so, wie die alte aufgehört hat: Mit einem freien Tag. Als ich die Abfüllungen für diese Woche bereitstelle, fällt mir auf, dass mir ein Duft fehlt. Das kann doch jetzt nicht wahr sein... Wo ist der hin? Was nun? Ich beschließe, den vermissten Testkandidaten im Laufe der Woche in aller Ruhe zu suchen und fülle die Lücke mit meiner neulich eingetroffenen Sharing-Abfüllung Dans Paris, die ich sowieso unbedingt mal tragen wollte. Getestet hatte ich ihn vor längerer Zeit mal in einem Wanderbrief. Ich sprühe einmal in den Nacken und gebe auch noch was auf die Handgelenke, atme einmal tief ein und versinke in einer staubtrockenen Puderwolke. Im positiven Sinne, denn pudrige Düfte mag ich gern. Es ist dufttechnisch eine tolle Mischung: Mal treten für meine Nase feine Babypudernoten in den Vordergrund, mal rieche ich die vanillige Süße heraus, so wie beim Backen, wenn man Mehl und Vanillezucker mischt. Am Nachmittag will ich ein paar Wege erledigen und sprühe nochmal mit 5 Sprühern auf die Haut nach, weil der Duft kaum noch wahrnehmbar ist. Eigentlich bin ich ziemlich begeistert von dem Duftcharakter. Von allen Celines, die ich bisher getestet habe, nimmt
Dans Paris den zweiten Platz hinter meinem Liebling "Black Tie | Celine" ein. Leider scheint er auf meiner Haut gar nicht zu halten. Die Sillage ist ebenfalls eher schwach und schon nach wenigen Stunden ist er nur noch hautnah wahrnehmbar. Vielleicht ist es bei diesem Duft von Vorteil, mehr auf die Kleidung zu sprühen, um die Haltbarkeit ein bisschen zu verlängern. Das werde demnächst mal noch ausprobieren.

Am Dienstag geht es wieder ins Büro und freue mich darauf, Oud Silk Mood Eau de Parfum zu tragen. Ich mag die Düfte von Herrn Kurkdjian sehr gern und besitze auch einige Flakons seiner MFK-Reihe. Oud ist zwar nach wie vor eine eher schwierige Note für mich, aber ich finde doch immer mal wieder Gefallen an dem ein oder anderen Duft mit dieser Note. An dieser Stelle bietet sich vielleicht ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit ein, um mein eigentümliches Verhältnis zur Oud-Mood-Reihe zu erklären: Vor einigen Jahren, (weit vor Parfumo, am Anfang meiner Expedition in die Nischenwelt) konnte ich Herstellerproben von
Oud Satin Mood Eau de Parfum und
Oud Satin Mood Extrait de Parfum ergattern, nachdem diese Düfte von diversen Parfüm-Youtubern wiederholt erwähnt und gelobt wurden. Ich fand die Düfte auch sehr besonders, irgendwie anders und für meine Nase noch ungewöhnlich und ein wenig speziell. Damals war ich nämlich überwiegend mit den gängigen Designerdüften vertraut. Auch die Haltbarkeit und Intensität hat mich seinerzeit ein wenig überwältigt. Aber ich war eben auch so begeistert davon, wie die Kleidung am Tag nach dem Test roch und beschloss, die Düfte doch mal auf der Arbeit zu tragen. Ich habe aber wirklich nur ganz vorsichtig gesprüht. Kurz nachdem ich vormittags den Meetingraum betreten hatte, meinte ein Kollege: "Irgendwie reicht es hier nach Keksen..." Mir war sofort klar, dass mein Duft gemeint ist, obwohl ich ihn kein bisschen "keksig" fand. Aber es war nun mal der stärkste (oder einzige) Duft im Raum. Auch meine Kollegen konnten die vermeintliche Keks-Quelle schnell identifizieren: "Ja, das ist wirklich dein Parfum". Eine völlig wertungsfreie Feststellung eigentlich, und doch war ich unangenehm berührt und verunsichert. Dann ging auch schon das Meeting los und das Thema war vergessen. Für alle, außer mich: Ist das jetzt gut, für andere nach Keksen zu riechen, oder nicht? Will ich so wahrgenommen werden? Will ich "die mit dem Keksparfüm" sein? Jedenfalls hab ich die Probe seither nicht mehr getragen, weil die Situation damals, obwohl sie überhaupt nicht schlimm war, ein unterbewusstes Unbehagen ausgelöst hatte, das ich dann auf dieses Parfüm projizierte. Heute muss ich darüber schmunzeln. Inzwischen trage ich jeden meiner Düfte mit Selbstbewusstsein (auch den SoftCake-Duft "17/17 - Symphonium | XerJoff") und lasse mich gern auf Gespräche zu den Wahrnehmungen meines Umfelds ein. Es ist also höchste Zeit, den Satin Moods und den anderen der Oud-Mood-Reihe eine faire zweite Chance zu geben. Denn schon allein der Satin Mood hat nämlich viel mehr zu bieten als nur Keks-Vanille.
Also zurück in die Gegenwart: den Oud Silk Mood Eau de Parfum sprühe ich erstmal in die Luft, um das Oud-Ausmaß einschätzen zu können. Aber hier ist es wirklich ganz zahm. Also bedufte ich die Handgelenke und den Stoff meines Kleides. Ich hätte gern das enge schwarze Strickkleid zu dem Duft kombiniert, aber das hängt noch feucht auf der Leine. Also wage ich heute mal das Kontrastprogramm und trage zu dem eleganten Duft ein sportliches Kleid. (Hab ich aus dem gleichen Stoff und Schnitt nachgenäht, weil ich es so schön fand). Der Duft umgibt mich heute fast ausschließlich als Rosenwolke. Eine authentische Rose, wie im Garten. Ich kann nicht genau sagen, ob sie satt pink oder dunkelrot ist. Oud tritt kaum richtig heraus, beziehungsweise verschmilzt es für mich eher mit den anderen Holznoten. Der Dufteindruck für meine Nase ist feminin elegant. Meine Kollegin von neben an ist (endlich) wieder da und bekommt auch direkt einen Sprüher auf den Arm. Auch sie ist ein Fan von Francis Kurkdjians Düften. Für sie riecht der Auftakt wie Rosenwasser in der Kosmetik und da kann ich ihr zustimmen. Aber auch etwas für ihre Nase leicht befremdliches detektiert sie und beschreibt es mit entfernter Ähnlichkeit zu Bleichmittel oder Freibad. Das wiederum kann ich nicht wahrnehmen. Wenn sie schonmal in meinem Büro steht, will ich gleich noch wissen, ob ich mit der Vermutung richtig lag, dass ihr "Le Vestiaire - Atlas Garden | Yves Saint Laurent" gefallen könnte. Leider nein. Sie mag ihn schon beim Schnuppern am Zerstäuber nicht, weil er sehr süß ist.

Den Mittwoch widme ich Five o'clock au gingembre, einer Forumsempfehlung, wenn ich mich richtig erinnere. Spannend ist der Duft für mich, weil ich ihn noch nie gerochen habe und auch nicht mehr weiß, welche Noten vertreten sind. Also mal wieder ein kompletter Blindflug heute. Ich sprühe auf die Handgelenke und lasse den Duft kurz wirken. Frisch-würzig ist mein erster Gedanke. Wirkt kühl, stelle ich gleich darauf fest. Ich hatte wohl eher etwas wärmeres erwartet. Sei's drum, noch ein Sprüher in den Nacken und einer auf die Kleidung und los geht's. Auf dem Weg zur Arbeit beschnuppere ich mein Handgelenk immer wieder. Etwas zitrisches sticht hervor und plötzlich macht es Klick. Ich rieche kalten Schwarztee. Earl Grey, um spezifisch zu sein. Keine Ahnung, ob ich damit richtig oder falsch liege, aber Assoziationen sind ja komplett subjektiv. Mit der Zeit wird der Tee aber schärfer und ich identifiziere (nicht zuletzt mit Hilfe des Namens) den Ingwer. Beim Blick in die Pyramide bestätigt sich der Verdacht. Bergamotte (wie im Earl Grey) und Ingwer habe ich erkannt. Bei Honig und Patchouli bin ich überrascht, denn beide Noten mag ich nicht, beziehungsweise nur sehr dezent dosiert in Düften. Hier hätte ich sie nicht herausgerochen und empfinde sie auch nicht als störend, jetzt wo mir ihre Existenz bewusst ist. Bei einem kurzen Besuch nebenan, bekommt meine Kollegin mein Handgelenk unter die Nase gehalten. Ich rechne mit Interesse ihrerseits, da sie schon einige Düfte von Serge Lutens getestet, und mit
Chergui Eau de Parfum einen ihrer Lieblinge gefunden hat. Aber ihr geht es wie mir: der Duft ist eigentlich angenehm und gefällig, aber es fehlt ein wenig der Wow-Effekt. Und schon ist er wieder vergessen und sie wechselt das Thema und erzählt mir, wie schön sich der
Oud Silk Mood Eau de Parfum gestern noch an ihr entwickelt hat und wie extrem hatbar er auf ihrer Haut ist.

Am Donnerstag wähle ich Volutes Eau de Parfum aus, der in einem Abfüllungstausch zu mir kam. Mit der Marke Diptyque hatte ich bisher kaum Berührungspunkte und bin daher umso gespannter. Natürlich wird erstmal wieder nur das Handgelenk beduftet und beschnuppert. Mein erster Gedanke: Warme süße Würze, nicht mein übliches Beuteschema, aber tragbar und schön herbstlich. Es folgen weitere Sprüher in den Nacken und auf das Kleid aus diesem Stoff. Heute finde ich übrigens, dass Outfit und Duft irgendwie keinen gemeinsamen Nenner finden. Der Duft weckt bei mir eher Assoziationen mit Braun, Beige, Senf und Burgunder. Leider alles nicht so meine Farben. Die Duftnoten beschäftigen mich aber den ganzen Tag und geben mir Rätsel auf. Die süße Würze bleibt, eine Entwicklung merke ich eigentlich nicht. Wenn ich an den Handgelenken schnuppere finde ich ihn trotz Honig ok, aber die Würze zwickt mir in der Nase. Als ich aber das Büro verlasse und wenige Minuten später wieder betrete, frage ich meine Kollegin, ob die sich eben mit irgendwas beduftet oder die Hände eingecremt hat. Es liegt eine wunderbare Note in der Luft. Sie verneint und mir dämmert, dass es dann nur mein Duft sein kann. Es ist mir schon ein paar mal passiert, dass ich kein zu großer Fan davon bin, wie ein Duft direkt auf meiner Haut riecht, aber die Sillage, die er hinterlässt umso bezaubernder finde.
Meine Kollegin von nebenan schaut am Nachmittag nochmal vorbei und fragt, ob sie sich vorm Nachhause gehen nochmal mit Oud Silk Mood Eau de Parfum beduften darf. Darf Sie natürlich. Er scheint ihr wirklich zu gefallen. Auch den "The Secret Collection - Soul Batik | Moresque", von dem ich glaube, dass er ihr gefallen könnte, krame ich noch aus der Handtasche und halte ihn ihr hin, damit sie den am anderen Handgelenk mitnehmen kann. Und so verlassen wir beide in einer ordentlichen Duftwolke das Büro.

Die Arbeitswoche neigt sich dem Ende und last but not least ist "The Secret Collection - Seta | Moresque" an der Reihe. Eine zweite Chance für das Verpackungsopfer in mir, so einen hübschen goldenen Flakon in die Sammlung zu bekommen. Im Wanderbrief mochte ich ja sowohl "The Secret Collection - Soul Batik | Moresque", als auch "The Secret Collection - Seta | Moresque" sehr gern. Beim Tragetest konnte der Soul Batik vor zwei Wochen nicht gänzlich überzeugen. Seta hingegen begeistert mich heute umso mehr. Er ist süß, ohne explizit gourmandig zu sein. Die leichte Würze ist fein abgestimmt und harmoniert schön mit den übrigen Noten. Für meine Nase wirkt alles sehr rund und stimmig, obwohl ich außer der Vanille mal wieder nichts identifizieren kann. Meine Kollegin meint, dass er schon auch einen leicht blumigen Schleier in unserem Büro hinterlässt, obwohl er überwiegend süß sei. Und auch die Kollegin von nebenan schaut auf dem Weg zur Kaffeemaschine wieder vorbei und reckt ganz entzückt die Nase. Seta gefällt ihr sehr gut. Ich hätte vermutet, dass er ihr zu süß sein könnte, aber durch die Harze entsteht der orientalische Eindruck, den sie so mag. Ich überreiche ihr eine Abfüllung von meinem Baccarat Rouge 540 Extrait de Parfum, die schon lange versprochen war, da
Baccarat Rouge 540 Eau de Parfum lange Zeit ihr Signature war, bevor er so überhyped wurde. Das Extrait kennt sie noch gar nicht. Die Abfüllung von "The Secret Collection - Soul Batik | Moresque", die sie gestern Probegetragen hat, lasse ich mir ebenfalls abknöpfen. Aus ihren Hosentaschen zaubert sie Proben vom gestrigen Stadtbummel und kurz darauf habe ich auf den Armen je einen Sprüher von
Étoile d'une Nuit (edle Babycreme) und
Purple Satin (man findet aber auch wirklich bei jeder Marke einen Duft, der BR 540-Vibes hat). Trotz dieser wilden Duftmischung behält Seta die Oberhand und ich freue mich, dass er so lange hält und die anderen überstrahlt.

Diese Woche fällt mir das Resümee ziemlich leicht. Bis Donnerstag dachte ich nämlich noch, dass diese Woche, zur Freude meines Geldbeutels, mal ohne Habenwollen über die Bühne geht. Aber da hatte ich die Rechnung ohne "The Secret Collection - Seta | Moresque" gemacht. Der hat mir so gut gefallen, dass er Wochenfavorit und Wunschlistenkandidat geworden ist. Die verlorengeglaubte Abfüllung ist auch wieder gefunden und so kann die neue Woche kommen.
Heike (9883974) auf Pixabay hat die schönen Herbstfotografien geschossen.
Es ist immer ein Gedicht Deine Duft Wochen zulesen. Du inspirierst mich und es macht Spaß sich deinen Büro Alltag mit diesen schönen Düften vorzustellen.
Danke für diese Reise, ich hoffe bis bald 🌺😍
Lg
Als ich ihn im Oberpollinger getestet habe, war der Kommentar meines Vaters: "Du riechst wie deine Großmutter", woraufhin die Verkäuferin total indigniert reagiert hat und meinte, dass man Düfte doch bitte nicht als Alte-Frauen-Parfums bezeichnen soll (womit sie ja an sich recht hat), aber mein Papa wollte wirklich nur darauf hinaus, dass meine Oma ein Parfum hatte, was im Auftakt mit den würzigen Noten sehr ähnlich roch. Seitdem denk ich immer an sie, wenn ich es trage, auch, wenn es tatsächlich spannendere Düfte vom Duftverlauf her gibt :).
Wie schön, wenn man solche schönen familiären Assoziationen mit einem Duft verknüpfen kann :)