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vor 5 Jahren - 28.04.2019
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Berliner Duftspaziergänge. Teil 7: Furioses Finale im Westen

Die ersten sechs Folgen der Duftspaziergänge (mit Ausnahme von Teil 5, einem Ausreißer Richtung Mitte) bewegten sich allesamt im Mommsenkiez und seinen Ausläufern nördlich der Kantstraße und südlich des Kurfürstendamms: Die Gegend ist auch 30 Jahre nach dem kommerziellen Wiederaufleben der Berliner Mitte noch immer das Duft-Eldorado der Hauptstadt.

Mit dieser siebten Folge soll nun (was eine eventuelle spätere Rückkehr in den "Westen" mit special-interest-Beiträgen etwa zum KaDeWe nicht ausschließt) Charlottenburg endgültig abgewandert, abgegrast werden. Mit einem gewissen Anspruch auch Vollständigkeit (ergänzende Hinweise auf Vergessenes sind willkommen) sollen also allen in dieser Gegend noch vorhandenen Duft-Hotspots ein Besuch abgestattet werden. Da wir dabei mehrfach, eigentlich ständig, durch schon erwandertes und beschriebenes Gelände kreuzen, wählen wir diesmal eine etwas schnellere Fortbewegungsart als Schusters Rappen - sagen wir das Fahrrad.

Wir beginnen unsere Fahrt in der Nähe des Ernst-Reuter-Platzes am Edelkaufhaus Manufactum (bekannt aus Folge 3) und schieben das Rad zunächst nur vielleicht 100 Meter die Knesebeckstraße nach Süden, ein Aufsatteln würde sich gar nicht lohnen wurde. Dort halten wir vor dem kleinen, aber sehr feinen Geschäft für Körperpflege und Raumdüfte

Rosewater's
Knesebeckstraße 5
https://www.kosmetik-online-shop.com/

der, wenn das auch nicht der Schwerpunkt des Geschäftsbetriebs sein mag, auch über ein ansehnliches und vor allem ein an anderen Orten nur schwer erhältliches Sortiment an Eau de Toilettes und Eau de Parfums verfügt.

Die Gegend ist bürgerlich, doch - vielleicht auch durch die nahe TU - auch ein bisschen jung und gediegen, aber nicht in Reichtum erstarrt: Hier gibt es noch viele alteingessesene, meist etwas gehobene Einzelhändler der verschiedensten Arten und allerlei nette, originelle und inhaberbetriebene Delikatessenläden und Bistros, wie etwa das griechische "Philomenos" schräg gegenüber mit dem einladenden Wandgemälde auf der Brandmauer. In diese Umgebung passt das "Rosewater's" ausgezeichnet: Eine verspielte und doch aufgeräumte Wohlfühlatmosphäre herrscht hier, alles ist sehr individuell. Mandy und Monika Mrozik haben es seit 26 Jahren nicht nötig, hier einen auf Hipster zu machen, was aber nicht heißt, dass man sich Neuem verschließt.

Wir betreten den Laden und sind überrascht, dass er eigentlich ziemlich klein ist, kleiner als in unserer Erinnerung seit dem letzten Besuch vor vielen Jahren, und dass Crabtree & Evelyn nicht mehr so dominant im Angebot ist wie ehedem (das hängt, wie man dann erfährt, mit einem Wechsel im Sortiment dieser Firma zusammen). Der etwas abgetrennte Bereich des Ladens rechts vom Tresen ist den Raumdüften, Geschenkartikeln und vergleichbaren Produkten gewidment (wir lassen ihn diesmal unbeachtet), der Bereich linker Hand, der etwa 60 Prozent der Ladenfläche ausmacht, gehört ganz den Körperpflegeprodukten und den Düften.

Hier herrscht eine klare ordnende Hand: Multum, non multa. Es sind eher wenige, ganz gezielt ausgewählte Marken im Angebot, die (fast) alle gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen: Sie sind an anderen Orten schwer zu bekommen, sodass "Rosewater's" fast so etwas wie der Berliner Exklusivvertrieb der Marken ist, es handelt sich um kleine bis mittelgroße (Familien-) Betriebe, sie sind alle im mittleren bis erschwinglichen Preissegment bei trotzdem gutem Ruf angesiedelt und sie alle pflegen das Image der (wenn nicht "Bio", dann doch wenigstens) naturnahen Produktion.

So finden wir denn, im Wesentlichen, folgendes Angebot. Seifen und einige Pflegeprodukte von Panier des Sens; Pflegeprodukte mit Schwerpunkt Handcremes (noch immer drei Regale voll) von Crabtree&Evelyn, einen soliden Ausschnitt aus dem Angebot von L'Occitane en Provence (die haben, wie ich finde, einige sehr schöne Düfte, denen ich mich irgendwann noch einmal vertiefter widmen möchte) sowie ein umfangreiches Sortiment (wenn es sich nicht sogar um das Gesamtportfolio handelt) der eher kleinen bis mittelständischen Marken Erbolario (Italien) und Korres (Griechenland), jeweils nicht nur mit allerlei Cremes, Lotionen und Shampoos, sondern auch mit insgesamt mehreren Dutzen Düften.

Wir werden aufs Vorzüglichste beraten (von einer sehr freundlichen und kompetenten jungen Dame mit einem leichten undefinierbaren fremdländischen Akzent; dies scheint neuerdings exakt das Anforderungsprofil für die gehobene Parfümerie zu sein, es ist uns schon mehrfach bei Urban Scents begegnet und wir werden es, ähnlich jedenfalls, auch gleich in dieser Folge noch einmal treffen) und ziehen schließlich beglückt mit kleineren, sehr besonderen und nicht allzu teuren Einkäufen für den Flaneur selbst und das cremeliebende Näschen an seiner Seite weiter.

Wir fahren die Knsebeckstraße nun einfach immer südwärts, bis wir zunächst einmal am Savignyplatz mit seinem speziellen Alt-Westberliner Flair ankommen, das ganz maßgeblich durch die Gastronomie dort geprägt ist. Sie kann hier nicht vollständig aufgezählt werden, exemplarisch sei hier nur der legendäre Zwiebelfisch genannt, aus dem die nicht ganz so Jungen noch Harald Juhnke wanken sehen konnten, das ebenso legendäre Schwarze Café (es liegt nicht direkt am Savignyplatz, aber in Sichtweite die Kantstraße ein Stück Richtung Zoo runter) und - inzwischen auch schon bei weitem nicht mehr "neu" - das Mar y Sol und die x-te Einstein-Filiale (was für ein alter Berliner ich - obwohl nur zugezogen - bin, kann ich daran sehen, dass ich noch im alten Tiergartener Einstein meinen Kaffee getrunken habe, als das noch das EINZIGE war). Etwas schockiert nehmen wir im Vorbeifahren war, dass das belgische Restaurant Brel nicht mehr existiert. In einer früheren Folge der Duftspaziergänge habe ich schon Klage über das Verschwinden des Kant-Café geführt, jetzt also das Brel, dieser Schlag sitzt fast noch herber. Aber weitergefahren, das ist ja kein Gastro-Blog. Wir umrunden den Platz und fahren die Knesebeckstraße weiter südwärts, die jetzt südlich des inzwischen überquerten Ku'damms immer weniger bürgerlich, ja fast ein bisschen ruppig-gewerbegebietsmäßig wird, bis wir kurz vor dem Ende der Knesebeck, fast an der Ecke zur Lietzenburger, an

Birkholz Perfume Manufacture
Knesebeckstraße 55
https://www.birkholz-perfumes.com/de/

vorbeifahren. Vorbeifahren deshalb, weil uns dieser Laden, vom Internetauftritt her, vom Konzept und Design und allem Drumherum, nicht richtig behagen will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich diese Düfte wirklich bereichern würden. Bei den Duftspaziergängen will ich aber selbst Spaß und Vergnügen haben (was bisher perfekt geklappt hat) und danach guten Gewissens wohlwollend hier darüber berichten können. Ich bin ja kein bezahlter Tester vom Guide Michelin für Duftgeschäfte, der seine berufliche Pflicht erfüllt, sondern mache das zum Spaß. Daher also lasse ich den Birkholz aus, weil ich vermute, hier nicht auf meine Kosten zu kommen. Erwähnt werden soll er aber der Vollständigkeit halber, und seine Freunde und Liebhaber hat er zu haben, also Freunde der guten Düfte, lasst euch von meinen vielleicht unberechtigten Vorurteilen nicht beirren und gebt ihm eine faire Chance.

Die Lietzenburger Straße biegen wir nach rechts ab und danach gleich wieder rechts in die Bleibtreustraße. Im kurzen Stück zwischen Lietzenburger und Kurfürstendamm, praktisch gegenüber von Urban Scents (siehe Folge 4) und ganz kurz vor der Parfümerie Delfi (siehe Folge 6) fahren wir am linke Hand liegenden sehr gehobenen Modegeschäft

Di'BEL Fashion Store
Bleibtreustraße 24
https://dibel.de/

vorbei, das hier ebenfalls der Vollständigkeit halber erwähnt werden soll, weil es nach verlässlich erscheinenden Quellen auch Düfte der eher seltenen Marken Diana Vreeland und Linari im Beiprogramm haben soll. Wir überqueren den Kurfürstendamm und stellen zur rechten Hand der Bleibtreustraße fest, dass das "Belle Rebelle" (siehe Folge 2) anscheinend ebenfalls nicht mehr existiert; jedenfalls nicht mehr als Ladengeschäft, der Verkauf über das Internet geht weiter und irgendwo habe ich gehört, dass eine Neueröffnung an anderer Stelle angedacht sei. Wir biegen die Kantstraße nach links ein und, eine richtige Slalombewegung beschreibend, die Schlüterstraße wieder nach links, bis wir, und das ist dann der Höhepunkt zum Abschied aus Charlottenburg, beim westlichen der beiden Berliner Stores (ein weiterer liegt in Mitte) von

Le Labo
Schlüterstraße 77
https://www.lelabofragrances.com/landing.html?path...

ankommen. Man sollte vielleicht ab der Ecke Mommsenstraße absteigen und zu Fuß gehen, denn sogar zu Fuß geht man am Eingang gerne mal vorbei, so dunkel und schmal ist der Eingangsbereich, und so werbefrei.

Ich hatte schon länger vor, mich mal mit dieser ziemlich noblen Marke zu befassen, war aber nie dazu gekommen; nun ist es also so weit. Mein Eindruck vom Laden ist, nachdem ich mich zunächst einmal einige Augenblicke lang eingewöhnen muss, wider Erwarten (mir kam die Marke immer etwas schräg vor) ein Guter. Der Laden ist Pseudo-Vintage eingerichtet, was ich an sich hasse, aber hier ist es so gut gemacht, dass es wirklich Charme hat und man die mangelnde Authentizität nicht übel nimmt: Das ganze wirkt wie die Mischung aus einer Metzgerei, einer Industrielagerhalle, dem Labor eines genialischen Alchimisten und dem, was es wirklich ist, einer Nobelboutique. Ich musste die äußerst reizende junge Verkäuferin mit dem sehr schweren osteuropäischen Akzent und den kaum vorhandenen Deutschkenntnissen (ich hab sie in Gedanken Oksana genannt) auch wirklich fragen, ob das hier "echt alt" sei. Nein, lachte sie, aber ich solle mal in den anderen Store in Mitte gehen, dort hätten sie wirklich eine alte Metzgerei gefunden und den Laden reingebaut.

Im hinteren Bereich des Ladens stehen die Duschgels, Cremes und was die Marke sonst noch so im Angebot hat, links befindet sich der Verkaufstresen und eine Art Glasbox mit (echtem oder pseudo?) Laboratorium, in dem auch die "Personalisierungs"-Gewerke ausgeführt werden (man kriegt da auf Wunsch den eigenen Namen aufs Etikett gedruckt), und der eigentliche Duft-Bereich ist rechts an der Wand: Ein Brett von etwa 1,5 Metern Länge mit den etwa 20 Düften des Hauses darauf mit spartanischen Testmöglichkeiten. Sehr minimalistisch, aber mir gefällt es.

Mangels Bling-Bling kann ich mich ganz auf die Düfte konzentrieren (im Prinzip, wenn da nur Oksana nicht wäre...), und auch diese gefallen mir wirklich ausgezeichnet. Nicht alle, aber doch fast alle. Sie wirken ausgesprochen wertig, sehr gut durchkomponiert, rund und satt, kraftvoll (Ausnahmen wie Ambrette bestätigen die Regel) und immer etwas besonders. Die Orangenblüte, die Lilie oder der Oud riechen immer ein wenig gegen den Strich der Erartungen gebürstet, obwohl man die nabensgebende Komponente herausriecht; der "Schwarze Tee" ist formidabel, der "Vetiver" gefällt mir sehr, trotz meines sehr angespannten Verhältnisses zu dieser Note. Kurzum: Le Labo hat mich überzeugt, ich kaufe eine ganze Reihe von Pröbchen zum vertieften Testen zuhause. Oksana packt noch eine üppige Menge Duschgel- und Cremeproben dazu, was sie mir noch sympathischer macht. Der ebenfalls äußerst sympathische und kompetente junge Mann bei meinem zweiten Besuch war in puncto Pröbchen weniger großzügig, wartete aber dafür mit der originellsten Haarfrisur auf, die ich in meinem Leben an einem Mann gesehen habe, nämlich blonden Schläfenlocken-Extensions an einem ansonsten schwarzen Haupthaar, was natürlich einen angemessenen Ausgleich darstellt.

Die Düfte von Le Labo sind auch in der Verpackung und im Design minimalistisch, sogar in der Namensgebung. Alle heißen nach dem gleichen Prinzip: "Bergamote 22" bedeutet: Bergamotte ist die Hauptzutat, dazu kommen 22 andere Duftnoten. Was "Ylang 49" bedeutet, muss man da nicht erklären. Man pflegt ein nachhaltig-vegan-politisch-korrektes Image; ob das immer 100% berechtigt ist, sei dahingestellt. Auch ganz so unabhängig, wie es dem Image entspricht, ist man nicht mehr, Le Labo gehört inzwischen zu einem Großkonzern, die Marke scheint aber innerhalb desselben eine große Unabhängigkeit zu genießen. Die Düfte sind teuer, eigentlich sogar sehr und wahrscheinlich unberechtigt teuer. Ich bin aber bereit, das in diesem Fall halbwegs nachzusehen, nicht nur wegen der spürbaren hohen Qualität, sondern auch, weil man die Düfte, fast nach dem Harry-Lehmann-Prinzip, in allen erdenklichen Abfüllungsgrößen erstehen kann, von 100 ml über 50 ml bis zur 3-ml-or-something-Miniatur, sodass man nicht unbedingt ein Vermögen dalassen muss; Rabatt für Wiederbefüller gibt es auch.

Für mich demnach ein echter - und unerwarteter - Knaller zum Abschluss. Von Le Labo steht nun einiges zum vertieften Proben (und vielleicht Kommentieren) bereit und mein Horizont hat sich wieder erweitert.

Wir setzen uns zufrieden auf den Sattel, und wenn unser Weg zufällig Richtung Funkturm führen sollte, könnten wir uns eventuell über die Kantstraße nach Westen absetzen und noch bei einem der abgefahrensten Duftläden Berlins vorbeifahren, so abgefahren, dass ich von einem Besuch bis auf weiteres abgesehen habe:

Diamond Parfums 66
Kantstraße 66
https://www.diamondparfums.com/

Falls ich mich nochmal trauen sollte, einen Fuß über diese Schwelle zu setzen, dann könnte das der Anlass sein, es nochmal mit Charlottenburg zu versuchen. Bis auf Weiteres aber sind wir hier fertig und können uns, sollte die Serie fortgesetzt werden, bei den künftigen Spaziergängen endgültig auf Mitte stürzen.

Fortsetzung möglich

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