Ich hasse Vanille - eine Polemik
Es war einmal eine Orchideenblume in einem üppig grünen Urwald irgendwo in einem fernen Lande. Sie blühte einfach vor sich hin und produzierte ihre Kapselfrüchte. Die „tiefgründige Blume“ wurde von den Azteken geschätzt. Die Spanier lernten sie dort 1520 kennen, brachten sie nach Europa, wo die Orchidee bald so kostbar wurde, dass auf die illegale Ausfuhr der Vanillepflanze die Todesstrafe stand. Aber irgendwann schafften es auch Frankreich und die Niederlande, Stecklinge zu ergattern und die seltene Pflanze zu kultivieren. So schön, so gut.
1874 schafften es zwei Deutsche, Vanillin künstlich herzustellen, das sonst nur in einem sehr aufwändigen Verfahren mit Hilfe von Fermentation gewonnen werden kann.
Es wird heute aus Guajacol aus Guajak-Bäumen oder aus Lignin, einem Holzbestandteil und Nebenprodukt der Papierherstellung, gewonnen. Es ist weltweit mengenmäßig der wichtigste Aromastoff, der vor allem in der Lebensmittel- sowie der Pharma- und Parfumindustrie Verwendung findet.
„Ja, leider!“, möchte ich hier ausrufen. Vanille ist mittlerweile ein omnipräsenter Duft- und Geschmacksstoff. Ich liebe ihn in Kuchen, auch gerne die künstlich hergestellte Variante. Aber muß er außerdem in grässlichen Duftkerzen, Duschgels, Aromaölen, Bodylotions, Shampoos, Waschmitteln, Putzmitteln und was weiß ich nicht noch allem, beigesetzt werden? Und, was für mich am schlimmsten ist, in Parfums?
Diese Allerwelts-Duftkomponente hat es jetzt schon mehrfach geschafft, mir ein ansonsten wunderschönes Parfum zu verleiden. Da bin ich hin und weg von manchen Düften, schon landen sie auf meiner „Haben will!“-Liste, und dann schleicht sich durch die Hintertür wieder dieser Duft ein, der letztlich jedes noch so teure Designerparfum auf das Niveau billigster Drogeriedüfte abstürzen lässt.
Denn die Basis ist immer die gleiche - dieser grässlich-kuschelige Wohlfühlduft, so warm, so süßlich, dass ich brechen könnte. Und gerade bei teureren Parfums, die sich lange halten, kann das über Stunden anhalten.
Hach, was fand ich „Jicky“ toll - bis zur Basis. Ach ja, Vanille. Sechs, durchgefallen, setzen.
Und heute: „Heritage“ von Guerlain. Ein Patchouli-Traum, cremig, leicht und hell, bis der Parfumkiller Vanille wieder aus dem Dunkeln zuschlägt, heimtückisch und perfide, in der Duftpyramide nirgendwo aufgeführt.
Denn so klug bin ich ja mittlerweile, Parfums mit Vanille schon gar nicht mehr in meine Duftwunschliste aufzunehmen. Aber was tun mit Parfums, die diesen fußnägelhochrollenden Bestandteil einfach verschweigen?
Ich weiß, dass viele ihn sehr schätzen, und das ist ja auch völlig in Ordnung. „De gustibus non est disputandum“ ist einer meiner Lieblingssätze, „Über Geschmack lässt sich nicht streiten.“
Aber bitte, bitte, liebe Parfumhersteller, schreibt ihn doch wenigstens in die Duftpyramide. Damit Menschen wie ich irgendwann diesem Duftstoff entkommen können.
Ach ja, und wo wir gerade beim Thema sind, Moschus ist auch so ein Kandidat. Er ist in so vielen Basisnoten enthalten. Und nachher riecht jedes Parfum gleich, über quälend lange Stunden hinweg. Das Ganze kann eigentlich nur noch mit einer Kombination der beiden Angstgegner getoppt werden: Vanille UND Moschus. Es schaudert mich im Innersten.
Ich wasche jetzt erst mal das Heritage ab, und wünsche allen einen schönen Feierabend.
Infos über Vanille: Wikipedia