15.07.2018 - 15:01 Uhr
Meggi
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26
Nächtliche Jagd von Tartu nach Tallinn
‚Wild Hunt‘ und ‚Forest‘ – offenbar sind für den Duft gleich zwei Bezeichnungen geläufig. Was liegt nun (jedenfalls für einen Freund abseitiger Einleitungen) näher, als die Begriffe textlich zu verknüpfen und eine wilde Jagd durch einen Wald als Einstieg zu bemühen? Zumal sich auf der Hersteller-Seite, wo der Duft übrigens allein unter ‚Wild Hunt‘ spaziert, beim Klick auf „The Story“ ein leeres Feld öffnet…. Da springe ich natürlich gern in die Bresche!
Estland, im Oktober 1994: Nach einem Besuch in Tartu begaben sich drei deutsche Studenten in einem uralten, geborgten Schiguli (= Lada) auf den Rückweg nach Tallinn, am Steuer der Chronist. Schlappe 200 Kilometer – kein Problem, oder? Zwar war die Straße, obwohl Verbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes, zuweilen eher eine Piste, aber den Hinweg hatten wir schließlich heil absolviert.
Allerdings im Hellen. Nun war es bereits dunkel und die tranfunzeligen Lämpchen des Gefährts erhellten den Weg, der über weite Strecken unbeleuchtet durch die Wälder führte, nur unzureichend. Keine Chance, dort Hindernisse wie größere Schlaglöcher oder Äste rechtzeitig zu erkennen, unsere Geschwindigkeit schmolz dann auf die eines Dauerläufers.
Irgendwann erschienen Lichter im Rückspiegel, ein Wagen schloss rasch auf und überholte uns in geradezu wahnwitzigem Tempo. Eine Sicherungslokomotive! Mit praktisch durchgetretenem Gaspedal bin ich hinterhergeheizt, bis wir besser illuminierte Regionen erreichten. Schweißtreibend.
Vom Wald hatten wir seinerzeit verständlicherweise wenig mitbekommen. Na und? Das eben war ja auch eine abseitige Einleitung.
Und damit endlich zum Duft. Es riecht tatsächlich wie ein verrottender Haufen Laub. Ich wende oben eine Lage davon, darunter hat sich eine weiße Schicht von Pilzen angesiedelt, deren Geruch mir, sacht emporgehoben von entweichender Zersetzungs-Wärme, ebenfalls in die Nase steigt.
Dieses Blattwerk hatte definitiv am Baum den Weg vom Grün zum Braun hinter sich gebracht. Nix „heat of a summer afternoon“, wie es beim Hersteller unter „The Scent“ heißt - die Passage überarbeite ich gerne direkt mit… Das hier ist ein Haufen herabgefallenen Laubes im fortschreitenden Herbst. Es ist noch nicht richtig kalt, bloß die Nächte sind frisch. Und heute früh, an einem Morgen, der Beginn eines trüben Herbsttags zu sein verspricht, kondensiert der Atem in der umgebenden Luft.
Fleißige Würmer, Insekten und Mikroben haben in den vergangenen Wochen beharrlich daran gearbeitet, die ausgedienten Blätter wieder in Ursprüngliches zu verwandeln, am Boden des Haufens verwischt schon die Grenze zwischen Blättern, Kompost, Humus und Erde.
Apropos Pilze: Gewisse Parallelen zu #215 CBMUSK aus demselben Hause drängen sich auf, der roch phasenweise ähnlich - als hätten sich Pilze auf einem gemütlich vor sich hin verwitternden Baumstamm eingerichtet.
Das war’s im Wesentlichen. Die breit gefächerte Palette von Angaben hin oder her, ich bleibe ganz überwiegend, stundenlang, bei einem Haufen modernder Blätter. Ein bisschen milder und ansatz-cremiger wird es später, die Nähe zu #215 nimmt im Laufe des Tages zu. Zumindest scheint es mir so, ich hatte keine Lust, das ärgerliche Geschwist vergleichenderweise erneut zu benutzen. Wichtigster Unterschied ist die Anmutung von feuchter Erde bzw. halt Kompost im vorliegenden Fall. Und auch die verabschiedet sich während des Nachmittags. Ein Fragment eines moschushaft-bepilzten Etwas bleibt, dem nach hinten raus zudem eine Spur süßlich-zuckriger Nadelholzigkeit innewohnt. Abends ist der Duft nahezu rückstandslos verschwunden.
Fazit: #704 Wild Hunt ist ziemlich lebensecht; keineswegs unappetitlich, allemal für ein Land-Ei wie mich. Lustig für Garten-Freunde. Nur kein Parfüm im engeren Sinne, sondern schlichtweg ein Geruch. Das eine Thema getroffen – und damit das andere verfehlt.
Ich bedanke mich bei Bartholomeo für die Probe.
Estland, im Oktober 1994: Nach einem Besuch in Tartu begaben sich drei deutsche Studenten in einem uralten, geborgten Schiguli (= Lada) auf den Rückweg nach Tallinn, am Steuer der Chronist. Schlappe 200 Kilometer – kein Problem, oder? Zwar war die Straße, obwohl Verbindung zwischen den beiden größten Städten des Landes, zuweilen eher eine Piste, aber den Hinweg hatten wir schließlich heil absolviert.
Allerdings im Hellen. Nun war es bereits dunkel und die tranfunzeligen Lämpchen des Gefährts erhellten den Weg, der über weite Strecken unbeleuchtet durch die Wälder führte, nur unzureichend. Keine Chance, dort Hindernisse wie größere Schlaglöcher oder Äste rechtzeitig zu erkennen, unsere Geschwindigkeit schmolz dann auf die eines Dauerläufers.
Irgendwann erschienen Lichter im Rückspiegel, ein Wagen schloss rasch auf und überholte uns in geradezu wahnwitzigem Tempo. Eine Sicherungslokomotive! Mit praktisch durchgetretenem Gaspedal bin ich hinterhergeheizt, bis wir besser illuminierte Regionen erreichten. Schweißtreibend.
Vom Wald hatten wir seinerzeit verständlicherweise wenig mitbekommen. Na und? Das eben war ja auch eine abseitige Einleitung.
Und damit endlich zum Duft. Es riecht tatsächlich wie ein verrottender Haufen Laub. Ich wende oben eine Lage davon, darunter hat sich eine weiße Schicht von Pilzen angesiedelt, deren Geruch mir, sacht emporgehoben von entweichender Zersetzungs-Wärme, ebenfalls in die Nase steigt.
Dieses Blattwerk hatte definitiv am Baum den Weg vom Grün zum Braun hinter sich gebracht. Nix „heat of a summer afternoon“, wie es beim Hersteller unter „The Scent“ heißt - die Passage überarbeite ich gerne direkt mit… Das hier ist ein Haufen herabgefallenen Laubes im fortschreitenden Herbst. Es ist noch nicht richtig kalt, bloß die Nächte sind frisch. Und heute früh, an einem Morgen, der Beginn eines trüben Herbsttags zu sein verspricht, kondensiert der Atem in der umgebenden Luft.
Fleißige Würmer, Insekten und Mikroben haben in den vergangenen Wochen beharrlich daran gearbeitet, die ausgedienten Blätter wieder in Ursprüngliches zu verwandeln, am Boden des Haufens verwischt schon die Grenze zwischen Blättern, Kompost, Humus und Erde.
Apropos Pilze: Gewisse Parallelen zu #215 CBMUSK aus demselben Hause drängen sich auf, der roch phasenweise ähnlich - als hätten sich Pilze auf einem gemütlich vor sich hin verwitternden Baumstamm eingerichtet.
Das war’s im Wesentlichen. Die breit gefächerte Palette von Angaben hin oder her, ich bleibe ganz überwiegend, stundenlang, bei einem Haufen modernder Blätter. Ein bisschen milder und ansatz-cremiger wird es später, die Nähe zu #215 nimmt im Laufe des Tages zu. Zumindest scheint es mir so, ich hatte keine Lust, das ärgerliche Geschwist vergleichenderweise erneut zu benutzen. Wichtigster Unterschied ist die Anmutung von feuchter Erde bzw. halt Kompost im vorliegenden Fall. Und auch die verabschiedet sich während des Nachmittags. Ein Fragment eines moschushaft-bepilzten Etwas bleibt, dem nach hinten raus zudem eine Spur süßlich-zuckriger Nadelholzigkeit innewohnt. Abends ist der Duft nahezu rückstandslos verschwunden.
Fazit: #704 Wild Hunt ist ziemlich lebensecht; keineswegs unappetitlich, allemal für ein Land-Ei wie mich. Lustig für Garten-Freunde. Nur kein Parfüm im engeren Sinne, sondern schlichtweg ein Geruch. Das eine Thema getroffen – und damit das andere verfehlt.
Ich bedanke mich bei Bartholomeo für die Probe.
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