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Top Rezension
Familiengeheimnis
Es gibt Dufterlebnisse, die Verborgenes wieder an die Oberfläche spülen. Chanels Pour Monsieur ist so ein Duft.
Schon sehr früh mit Düften in Berührung gekommen, sollte ich mir zum 12. Geburtstag einen ganz besonderen Duft aussuchen. Da mein Vater stets Anfang der 1980er Antaeus Eau de Toilette als Signatur trug, stöberte ich in Begleitung meiner Mutter und meiner Tante am Chanel-Stand nach möglichen Kandidaten. Zu der Zeit standen nur zwei Flakons zur Auswahl: schwarz oder klar/hellgrau. Schnell war die Wahl getroffen, als die herrliche italienische Begrüßung von Pour Monsieur mich einnahm, um dann eine französische Richtung einzuschlagen. Doch sollte sich mein Wunsch nicht erfüllen. Konsterniert schaute meine Tante prüfend meine Mutter an.
Mit leiser Stimme tuschelten beide was Kodiertes, das sich meiner Kenntnis entzog. So wurde aus Pour Monsieur schnell ein anderer Duft und keine weiteren Fragen durften gestellt werden.
Den Grund für die Ablehnung dieser herrlichen, klaren grünen Linie von Eisenkraut, Koriander, Basilikum und Vetiver würde ich schon noch herausbekommen!
Die Zeit verging, und ich stöberte eines Tages beim Besuch im Hause meiner Oma ein ziemlich altes Fotoalbum, vollgespickt mit Schwarz-Weiß-Bildern, auf. Und da war es, das schwarze Schaf der Familie, das wohl Pour Monsieur als Signatur in seinen besten Jahren trug!
Elegant war er, schöner Anzug und Krawatte, tadellos gekämmt und glatt rasiert. Ein Mann von Welt.
Die Nachfrage nach dem Vorfahren wurde nur zögerlich beantwortet, mein verstorbener Großonkel schien von einem Teil der Familie verstoßen zu sein. Doch meine Mutter erzählte mir auf der Rückfahrt die geheimnisumwobene Geschichte des nicht Nennbaren.
Von allen Geschwistern war er der Hübscheste. Stets besonnen, gebildet, eloquent und sehr vornehm im Umgang mit anderen. Und ein begehrter Junggeselle, der wohl nie das Standesamt von innen sehen würde. Er hätte meine Mutter als Lieblingsnichte gehabt, ein Herz und eine Seele. Doch würde er einen verborgenen Teil seines Lebens wohl mit ins Grab nehmen bei einem tragischen Unfall in der Blüte seines Lebens. Mehr war nicht zu erfahren.
Ende der 1980er kaufte ich mir endlich mein erstes Pour Monsieur, ich wollte dem Modetrend der damaligen Zeit trotzen und etwas Familiäres olfaktorisch nachholen.
Ach, wie sehr ich diese Eröffnung mochte, das reine Flanieren in Porto Fino! Die Hesperiden ließen der Verbene den Vorrang, um weiter im Duftverlauf zu verweilen, während die dezente Orangenblüte leicht frisch und pudrig den Weg markierte.
Dann die Herz- und Basisnoten, die ab nach Frankreich zurückführten, klar getrennt waren sie nicht. Das Zusammenspiel von grünen Eindrücken des Korianders, Kardamoms und Basilikums wurde durch die leichte Süße des Ingwers für die Abrundung des Eichenmooses und dezenten Holzes vorbereitet. Und der ebenfalls grün gehaltene Vetiver schloss elegant die Komposition ab.
Mit Sicherheit schwang ein Hauch von Zistrose mit, als exzellente Gestalterin der zypriotischen Richtung. Aber die geheimnisvolle Offenbarung der Komponenten wurde sehr leise, sehr diskret gehalten. Pour Monsieur duldete keine Kraftausdrücke, er war ein Gentleman durch und durch.
So wie das Stück Nimrod aus den Enigma-Variationen von Edward Elgar.
Der Spaziergang Im Londoner Holland Park gestaltete sich vornehm. Doch wurde hier auf die Öffnungszeiten der Parkanlage geachtet, die Haltbarkeit zwang zum Nachsprühen.
Ich frage mich, ob ein gewisser Jean Cocteau auch als Vorbild bei der Duftgestaltung gegolten haben mochte.
Verschmitzt konnte ich mir meinen einparfümierten Großonkel Ende der 1950er vorstellen.
Und heute erlebe ich eine ganz besondere Begegnung mit dem Duft.
Pour Monsieur katapultiert mich sogleich ins Jahr 1956, da war Doris Day einfach himmlisch als besorgte Mutter in „Der Mann, der zuviel wusste“. Wie sie „Que sera sera“ gesungen hat in diesem eleganten, grauen Kostüm, da fand jeder Sohn zu ihr zurück!
Und James Stewart war wie immer der Gentleman schlechthin. Der gute alte Jamie, schon früh bei Hitchcock auf der Gehaltsliste. Wie in „Cocktail für eine Leiche“ (1948), diesem makabren, homoerotischen Thriller.
„Erotic? For heaven‘s sake, da kommt niemand nackt vor, dummy!“
Nein Doris, ich weiß, dass der Film nicht erotisch ist, da galt ja noch der Hays Code. Ach, ist auch nicht so wichtig, Liebes.
Und dann ihre Paraderolle in „Ein Pyjama für zwei“ (1961). Herrlich, wie sie Rock Hudson immer wieder bezirzt. Da spielt es keine Rolle, dass der dritte im Bunde, Tony Randall, einen lilafarbenen Küchenboden hat, mit Rock Hudson in der Ankleide während der morgendlichen Toilette ist und beide zusammen frühstücken. Oder dass beide während ihres Urlaubs etwas overdressed Kanu fahren. Ja sogar der Schmankerl eines nur mit einem Pelzmantel bekleideten Rock, der in den Fahrstuhl huscht, kann der resoluten Doris nichts anhaben.
„Darling, Rock und Tony sind doch nur sehr gute Freunde! Und ich werde schon Rock für mich gewinnen, darauf kannst Du Gift nehmen!“
Ich weiß Doris, Deine heimliche Waffe waren die Aldehyde von N°5, kein Mann konnte danach klar denken!
Ach Doris, sweetheart, ich frische Pour Monsieur wieder auf, schmeiße mich in Schale mit sandfarbenem Kaschmirpulli mit V-Schnitt, weißem Hemd, hellgrauer Wollhose und Pennyloafers und führe Dich aus! Wie wäre es mit einer Signierstunde mit Truman Capote? Oder dem neuen Musical von Leonard Bernstein?
Ich weiß, Zuckerschnute, Du kennst sie alle und alle kennen Dich!
Los komm, wir machen jetzt eine herrliche Spritztour durch Manhattan im beige-silbernen Buick Invicta Cabriolet zu „Downtown“ von Petula Clark! Du wirst sehen, es wird Dir gefallen!
Gleich biegen wir im Columbus Circle ein und drehen ein paar Ehrenrunden!
The light's so much brighter there
You can forget all your troubles, forget all your cares
So go downtown
Things will be great when you're
Downtown
Und danach geht es zu Chanel an der 57th Street, vielleicht kauft Rock gerade Pour Monsieur! Moment, da ist er ja!
Oh Zuckerwatte, jetzt bloß nicht diese runzelige Mine aufsetzten, er flirtet mit Sicherheit nicht mit der Verkäuferin!
„Den Burschen knöpfe ich mir vor!“
Gut, mein Schatz, das naiv süße Lied „Love in the first degree“ von Bananarama ist jetzt Dein Schachzug!
Ja Doris, gib alles!
Only you can set me free
'Cause I'm guilty
Guilty as a girl can be
Come on baby can't you see
I stand accused of love in the first degree
Na, siehst Du? Ein Dinner im Pierre-Hotel mit Rock wäre gesichert!
„Darling, wo hast Du diesen catchy Song her?“
Honigwabe, er stammt aus der Zeit, als ich meinen Eltern reinen Wein einschenkte und sie eingenordet habe.
„Wait a minute, trinkt Ihr sonst in Europa trüben Wein? I don‘t get it, Ihr Europäer seid schon seltsam!“
Schau, ich wollte doch nur damit sagen, dass…
„Und warum brauchen Deine Eltern einen Kompass? Strange! Deswegen liebe ich New York, hier ist alles so einfach in Nord, Süd, Ost und West eingeteilt!“
Es ist doch nur bildlich gesprochen. Außerdem hat mich, der Tradition folgend, ein Teil der Familie verstoßen.
„Just for a compass? Help me understand, dear!“
Das mache ich beim nächsten Treffen zu einem leckeren Blueberry Cheesecake, versprochen!
Aber jetzt fahre ich Dich wieder zurück zu Deiner Werbeagentur an der Madison Avenue.
Und hier noch eine weiße Rose für Dich, sweet Doris!
„Oh darling, you‘re such a gentleman!“
Und noch einen Kuss auf die Stirn…
Schon sehr früh mit Düften in Berührung gekommen, sollte ich mir zum 12. Geburtstag einen ganz besonderen Duft aussuchen. Da mein Vater stets Anfang der 1980er Antaeus Eau de Toilette als Signatur trug, stöberte ich in Begleitung meiner Mutter und meiner Tante am Chanel-Stand nach möglichen Kandidaten. Zu der Zeit standen nur zwei Flakons zur Auswahl: schwarz oder klar/hellgrau. Schnell war die Wahl getroffen, als die herrliche italienische Begrüßung von Pour Monsieur mich einnahm, um dann eine französische Richtung einzuschlagen. Doch sollte sich mein Wunsch nicht erfüllen. Konsterniert schaute meine Tante prüfend meine Mutter an.
Mit leiser Stimme tuschelten beide was Kodiertes, das sich meiner Kenntnis entzog. So wurde aus Pour Monsieur schnell ein anderer Duft und keine weiteren Fragen durften gestellt werden.
Den Grund für die Ablehnung dieser herrlichen, klaren grünen Linie von Eisenkraut, Koriander, Basilikum und Vetiver würde ich schon noch herausbekommen!
Die Zeit verging, und ich stöberte eines Tages beim Besuch im Hause meiner Oma ein ziemlich altes Fotoalbum, vollgespickt mit Schwarz-Weiß-Bildern, auf. Und da war es, das schwarze Schaf der Familie, das wohl Pour Monsieur als Signatur in seinen besten Jahren trug!
Elegant war er, schöner Anzug und Krawatte, tadellos gekämmt und glatt rasiert. Ein Mann von Welt.
Die Nachfrage nach dem Vorfahren wurde nur zögerlich beantwortet, mein verstorbener Großonkel schien von einem Teil der Familie verstoßen zu sein. Doch meine Mutter erzählte mir auf der Rückfahrt die geheimnisumwobene Geschichte des nicht Nennbaren.
Von allen Geschwistern war er der Hübscheste. Stets besonnen, gebildet, eloquent und sehr vornehm im Umgang mit anderen. Und ein begehrter Junggeselle, der wohl nie das Standesamt von innen sehen würde. Er hätte meine Mutter als Lieblingsnichte gehabt, ein Herz und eine Seele. Doch würde er einen verborgenen Teil seines Lebens wohl mit ins Grab nehmen bei einem tragischen Unfall in der Blüte seines Lebens. Mehr war nicht zu erfahren.
Ende der 1980er kaufte ich mir endlich mein erstes Pour Monsieur, ich wollte dem Modetrend der damaligen Zeit trotzen und etwas Familiäres olfaktorisch nachholen.
Ach, wie sehr ich diese Eröffnung mochte, das reine Flanieren in Porto Fino! Die Hesperiden ließen der Verbene den Vorrang, um weiter im Duftverlauf zu verweilen, während die dezente Orangenblüte leicht frisch und pudrig den Weg markierte.
Dann die Herz- und Basisnoten, die ab nach Frankreich zurückführten, klar getrennt waren sie nicht. Das Zusammenspiel von grünen Eindrücken des Korianders, Kardamoms und Basilikums wurde durch die leichte Süße des Ingwers für die Abrundung des Eichenmooses und dezenten Holzes vorbereitet. Und der ebenfalls grün gehaltene Vetiver schloss elegant die Komposition ab.
Mit Sicherheit schwang ein Hauch von Zistrose mit, als exzellente Gestalterin der zypriotischen Richtung. Aber die geheimnisvolle Offenbarung der Komponenten wurde sehr leise, sehr diskret gehalten. Pour Monsieur duldete keine Kraftausdrücke, er war ein Gentleman durch und durch.
So wie das Stück Nimrod aus den Enigma-Variationen von Edward Elgar.
Der Spaziergang Im Londoner Holland Park gestaltete sich vornehm. Doch wurde hier auf die Öffnungszeiten der Parkanlage geachtet, die Haltbarkeit zwang zum Nachsprühen.
Ich frage mich, ob ein gewisser Jean Cocteau auch als Vorbild bei der Duftgestaltung gegolten haben mochte.
Verschmitzt konnte ich mir meinen einparfümierten Großonkel Ende der 1950er vorstellen.
Und heute erlebe ich eine ganz besondere Begegnung mit dem Duft.
Pour Monsieur katapultiert mich sogleich ins Jahr 1956, da war Doris Day einfach himmlisch als besorgte Mutter in „Der Mann, der zuviel wusste“. Wie sie „Que sera sera“ gesungen hat in diesem eleganten, grauen Kostüm, da fand jeder Sohn zu ihr zurück!
Und James Stewart war wie immer der Gentleman schlechthin. Der gute alte Jamie, schon früh bei Hitchcock auf der Gehaltsliste. Wie in „Cocktail für eine Leiche“ (1948), diesem makabren, homoerotischen Thriller.
„Erotic? For heaven‘s sake, da kommt niemand nackt vor, dummy!“
Nein Doris, ich weiß, dass der Film nicht erotisch ist, da galt ja noch der Hays Code. Ach, ist auch nicht so wichtig, Liebes.
Und dann ihre Paraderolle in „Ein Pyjama für zwei“ (1961). Herrlich, wie sie Rock Hudson immer wieder bezirzt. Da spielt es keine Rolle, dass der dritte im Bunde, Tony Randall, einen lilafarbenen Küchenboden hat, mit Rock Hudson in der Ankleide während der morgendlichen Toilette ist und beide zusammen frühstücken. Oder dass beide während ihres Urlaubs etwas overdressed Kanu fahren. Ja sogar der Schmankerl eines nur mit einem Pelzmantel bekleideten Rock, der in den Fahrstuhl huscht, kann der resoluten Doris nichts anhaben.
„Darling, Rock und Tony sind doch nur sehr gute Freunde! Und ich werde schon Rock für mich gewinnen, darauf kannst Du Gift nehmen!“
Ich weiß Doris, Deine heimliche Waffe waren die Aldehyde von N°5, kein Mann konnte danach klar denken!
Ach Doris, sweetheart, ich frische Pour Monsieur wieder auf, schmeiße mich in Schale mit sandfarbenem Kaschmirpulli mit V-Schnitt, weißem Hemd, hellgrauer Wollhose und Pennyloafers und führe Dich aus! Wie wäre es mit einer Signierstunde mit Truman Capote? Oder dem neuen Musical von Leonard Bernstein?
Ich weiß, Zuckerschnute, Du kennst sie alle und alle kennen Dich!
Los komm, wir machen jetzt eine herrliche Spritztour durch Manhattan im beige-silbernen Buick Invicta Cabriolet zu „Downtown“ von Petula Clark! Du wirst sehen, es wird Dir gefallen!
Gleich biegen wir im Columbus Circle ein und drehen ein paar Ehrenrunden!
The light's so much brighter there
You can forget all your troubles, forget all your cares
So go downtown
Things will be great when you're
Downtown
Und danach geht es zu Chanel an der 57th Street, vielleicht kauft Rock gerade Pour Monsieur! Moment, da ist er ja!
Oh Zuckerwatte, jetzt bloß nicht diese runzelige Mine aufsetzten, er flirtet mit Sicherheit nicht mit der Verkäuferin!
„Den Burschen knöpfe ich mir vor!“
Gut, mein Schatz, das naiv süße Lied „Love in the first degree“ von Bananarama ist jetzt Dein Schachzug!
Ja Doris, gib alles!
Only you can set me free
'Cause I'm guilty
Guilty as a girl can be
Come on baby can't you see
I stand accused of love in the first degree
Na, siehst Du? Ein Dinner im Pierre-Hotel mit Rock wäre gesichert!
„Darling, wo hast Du diesen catchy Song her?“
Honigwabe, er stammt aus der Zeit, als ich meinen Eltern reinen Wein einschenkte und sie eingenordet habe.
„Wait a minute, trinkt Ihr sonst in Europa trüben Wein? I don‘t get it, Ihr Europäer seid schon seltsam!“
Schau, ich wollte doch nur damit sagen, dass…
„Und warum brauchen Deine Eltern einen Kompass? Strange! Deswegen liebe ich New York, hier ist alles so einfach in Nord, Süd, Ost und West eingeteilt!“
Es ist doch nur bildlich gesprochen. Außerdem hat mich, der Tradition folgend, ein Teil der Familie verstoßen.
„Just for a compass? Help me understand, dear!“
Das mache ich beim nächsten Treffen zu einem leckeren Blueberry Cheesecake, versprochen!
Aber jetzt fahre ich Dich wieder zurück zu Deiner Werbeagentur an der Madison Avenue.
Und hier noch eine weiße Rose für Dich, sweet Doris!
„Oh darling, you‘re such a gentleman!“
Und noch einen Kuss auf die Stirn…
22 Antworten


Obwohl ich keine Herrendüfte tragen würde, muss ich ihn unbedingt bei nächster Gelegenheit testen!
Vielen Dank für den schönen Ausflug!
Ein Duft wie eine Melodie wie eine Geschichte wie … what ever will be will be!
Grandios!
Deine Bilder sind wahnsinnig schön, fühlte mich gleich in die Filmwelt rund um Doris Day und Rock Hudson hineinversetzt..Wunderbar und so passend :D.. Sehr gerne gelesen!
Eine Verbeugung
Wie sagt man...Take a bow
...?
Dieser Chanel hat es sich verdient
Danke mein lieber
Ich habe ihn meiner besseren Hälfte geschenkt und trage ihn auch manchmal selbst.