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Top Rezension
Entscheidung
Ziemlich genau sieben Wochen lag seine Promotionsfeier jetzt zurück. Es kam ihm viel länger vor. Und dabei irgendwie unwirklich. Doktor in Jura. Auch noch Summa cum laude. Und das in Havard.
Wie hatte er das nur geschafft?
Er steuerte den Toyota um ein besonders tief aussehendes Matschloch herum. Obwohl der raubeinige Allrad-Jeep damit sicher kein Problem gehabt hätte.
Genau so hatte er es im Grunde die ganzen Jahre gemacht.
Immer den gröbsten Löchern ausgewichen. Stromlinien-förmig vorwärts. Alle Beziehungen genutzt. Keine unangenehmen Fragen gestellt.
Und jetzt das Angebot, in einer der mächtigsten Kanzleien der ganzen Ostküste einzusteigen.
Zu seinem Abschluss hatten sie ihm eine handgearbeitete Blaser Repetierbüchse geschenkt. Purer Luxus, mit das Teuerste, was es speziell für Drückjagden gab.
Es waren vielleicht noch 4 oder 5 Meilen bis zum Jagdhaus, wo sie sich heute treffen würden. Wo er sein neues Prachtgewehr einweihen sollte.
Wieder stieg ihm der frisch-grüne Duft in die Nase. Nein, es war nicht der Wald, die Fenster des Toyata waren zu. Es war der Creed-Duft, den ihm Linda geschenkt hatte. Sie war vor ein paar Monaten einfach in sein Leben geplatzt. Völlig unpassend. Umwelt-Aktivistin. Ziemlich radikal und kompromisslos. Und dennoch hatten sie sich auf Anhieb sehr gut verstanden. Eigentlich wußte er überhaupt nicht, wieso. Sie trafen sich, redeten, lachten. Gingen zusammen in kleine, preiswerte Lokale, wo keiner seine Freunde hinging. Sie erzählte ihm von ihrer Origanisation, ihren Geldproblemem und Rechts-streitereien. Und er von seinen Dozenten und reichen Kommilitonen.
Und dann hatte sie ihm irgendwann Original Vetiver geschenkt. „Passt zu dir...“, hatte sie nur gesagt.
Und irgendwie stimmte das. Er kannte Vetiver noch von seinem Vater. Vetiver von Guerlain, das eigentliche Original. Für ihn jedenfalls. Wie anmaßend von Creed das Wort „Original“ zu beanspruchen.
Aber – der Duft war einfach besonders. Anders als erwartet. Irgendwie um die Ecke gedacht. Er hatte nichts ruppiges, wie er es von Vetiver eigentlich erwartete. Eher etwas Verspieltes, dabei doch Mutiges. Etwas von Wiese, ja auch von Gräsern im Sommer, aber auch eine gewisse hölzerne Tiefe, Stabilität, Widerstandskraft. Und vor allem eine Leichtigkeit, nicht leise, sondern fröhlich irgendwie. Vielleicht auch frech.
Irgendwann hatte sie ihn mal gefragt, ob er nicht lieber als Anwalt da arbeiten wollte, wo er etwas Wichtiges bewirken könnte. In ihrer Organisation zum Beispiel. Sie hatten beide darüber gelacht. Sie hatte schon einen speziellen Humor.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er gar nicht so weit von ihr entfernt war. Ein paar Meilen weiter gabelte sich der Weg, links ging es Richtung Belchertown und zur Jagdhütte, rechts nach Springfield, wo Linda lebte.
Er spielte kurz mit einem Gedanken. Einer schrägen Phantasie-vorstellung. Das hatte er schon immer gern getan. Mitten in der Vorlesung aufstehen und dem Professor einen Latte Macchiato ins Gesicht schütten. Natürlich hatte er niemals auch nur entfernt ähnliches getan. Aber die Vorstellung erfrischte ihn.
Ein bisschen wie dieses Creed-Parfüm. Er schnupperte. Vor allem roch es – natürlich. Ja, gar nicht gekünstelt. So echt wie... Linda.
Er fuhr jetzt durch eine weite heideartige Landschaft, die sich nach Norden ausbreitete bis zum Waldrand, wo die Gabelung nach Springfield lag.
Auf der linken Seite des Weges wurde der Boden immer sumpfiger, Wasserlöcher spiegelten die dicken Wolkengebirge, die mittlerweile aufgezogen waren.
Plötzlich fiel ihm ein Wort ein, dass den Duft ganz gut charakterisierte. Ein bisschen theatralisch vielleicht -
aber roch er nicht nach Freiheit?
Mit einem Mal trat er heftig auf die Bremse. Mit einem Ruck stand der Toyota still. Er stieg aus, öffnete den Kofferraum und nahm die Blaser Büchse heraus. Das teure Wurzelholz des Schafts schimmerte im frühen Abendlicht. Ein paar Blesshühner stiegen aus dem Moor neben ihm auf. Er nahm die Büchse in beide Hände und zögerte kurz.
Dann warf er sie in weitem Bogen hinaus in den Sumpf. Es platschte, einen Moment lang schien sie ungerührt auf der Morastdecke zu schweben. Dann begann sie langsam zu versinken bis sie schließlich ganz in der unergründlichen Tiefe verschwand. Nur ein paar Luftblasen verieten die Stelle, wo sie untergegangen war.
Er startete den Toyota und fuhr schnell weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen. An der Kreuzung bog er rasant nach rechts ab in die tiefen Wälder, hinter denen Springfield liegt.
Wie hatte er das nur geschafft?
Er steuerte den Toyota um ein besonders tief aussehendes Matschloch herum. Obwohl der raubeinige Allrad-Jeep damit sicher kein Problem gehabt hätte.
Genau so hatte er es im Grunde die ganzen Jahre gemacht.
Immer den gröbsten Löchern ausgewichen. Stromlinien-förmig vorwärts. Alle Beziehungen genutzt. Keine unangenehmen Fragen gestellt.
Und jetzt das Angebot, in einer der mächtigsten Kanzleien der ganzen Ostküste einzusteigen.
Zu seinem Abschluss hatten sie ihm eine handgearbeitete Blaser Repetierbüchse geschenkt. Purer Luxus, mit das Teuerste, was es speziell für Drückjagden gab.
Es waren vielleicht noch 4 oder 5 Meilen bis zum Jagdhaus, wo sie sich heute treffen würden. Wo er sein neues Prachtgewehr einweihen sollte.
Wieder stieg ihm der frisch-grüne Duft in die Nase. Nein, es war nicht der Wald, die Fenster des Toyata waren zu. Es war der Creed-Duft, den ihm Linda geschenkt hatte. Sie war vor ein paar Monaten einfach in sein Leben geplatzt. Völlig unpassend. Umwelt-Aktivistin. Ziemlich radikal und kompromisslos. Und dennoch hatten sie sich auf Anhieb sehr gut verstanden. Eigentlich wußte er überhaupt nicht, wieso. Sie trafen sich, redeten, lachten. Gingen zusammen in kleine, preiswerte Lokale, wo keiner seine Freunde hinging. Sie erzählte ihm von ihrer Origanisation, ihren Geldproblemem und Rechts-streitereien. Und er von seinen Dozenten und reichen Kommilitonen.
Und dann hatte sie ihm irgendwann Original Vetiver geschenkt. „Passt zu dir...“, hatte sie nur gesagt.
Und irgendwie stimmte das. Er kannte Vetiver noch von seinem Vater. Vetiver von Guerlain, das eigentliche Original. Für ihn jedenfalls. Wie anmaßend von Creed das Wort „Original“ zu beanspruchen.
Aber – der Duft war einfach besonders. Anders als erwartet. Irgendwie um die Ecke gedacht. Er hatte nichts ruppiges, wie er es von Vetiver eigentlich erwartete. Eher etwas Verspieltes, dabei doch Mutiges. Etwas von Wiese, ja auch von Gräsern im Sommer, aber auch eine gewisse hölzerne Tiefe, Stabilität, Widerstandskraft. Und vor allem eine Leichtigkeit, nicht leise, sondern fröhlich irgendwie. Vielleicht auch frech.
Irgendwann hatte sie ihn mal gefragt, ob er nicht lieber als Anwalt da arbeiten wollte, wo er etwas Wichtiges bewirken könnte. In ihrer Organisation zum Beispiel. Sie hatten beide darüber gelacht. Sie hatte schon einen speziellen Humor.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er gar nicht so weit von ihr entfernt war. Ein paar Meilen weiter gabelte sich der Weg, links ging es Richtung Belchertown und zur Jagdhütte, rechts nach Springfield, wo Linda lebte.
Er spielte kurz mit einem Gedanken. Einer schrägen Phantasie-vorstellung. Das hatte er schon immer gern getan. Mitten in der Vorlesung aufstehen und dem Professor einen Latte Macchiato ins Gesicht schütten. Natürlich hatte er niemals auch nur entfernt ähnliches getan. Aber die Vorstellung erfrischte ihn.
Ein bisschen wie dieses Creed-Parfüm. Er schnupperte. Vor allem roch es – natürlich. Ja, gar nicht gekünstelt. So echt wie... Linda.
Er fuhr jetzt durch eine weite heideartige Landschaft, die sich nach Norden ausbreitete bis zum Waldrand, wo die Gabelung nach Springfield lag.
Auf der linken Seite des Weges wurde der Boden immer sumpfiger, Wasserlöcher spiegelten die dicken Wolkengebirge, die mittlerweile aufgezogen waren.
Plötzlich fiel ihm ein Wort ein, dass den Duft ganz gut charakterisierte. Ein bisschen theatralisch vielleicht -
aber roch er nicht nach Freiheit?
Mit einem Mal trat er heftig auf die Bremse. Mit einem Ruck stand der Toyota still. Er stieg aus, öffnete den Kofferraum und nahm die Blaser Büchse heraus. Das teure Wurzelholz des Schafts schimmerte im frühen Abendlicht. Ein paar Blesshühner stiegen aus dem Moor neben ihm auf. Er nahm die Büchse in beide Hände und zögerte kurz.
Dann warf er sie in weitem Bogen hinaus in den Sumpf. Es platschte, einen Moment lang schien sie ungerührt auf der Morastdecke zu schweben. Dann begann sie langsam zu versinken bis sie schließlich ganz in der unergründlichen Tiefe verschwand. Nur ein paar Luftblasen verieten die Stelle, wo sie untergegangen war.
Er startete den Toyota und fuhr schnell weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen. An der Kreuzung bog er rasant nach rechts ab in die tiefen Wälder, hinter denen Springfield liegt.
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Wunderschöne Geschichte, very British. Schöne Lektüre zur Mittagszeit. Und den Duft mag ich bestimmt auch, der klingt ein bisschen wie Tom Fords Grey Vetiver, oder lieg ich da falsch?