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Top Rezension
Variationen von Paprika
Ein strenger, patchouli-rauer Auftakt, der sofort im Anschluss ins Bittere dreht. Eiche? Womöglich Eicheln? Darauf wäre ich von allein nie gekommen, aber meinetwegen. Eichenlaub und Eicheln enthalten ordentlich Gerbstoffe, Tannine und so’n Zeugs.
Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, da haben wir als Kinder natürlich alles untersucht und gesammelt. Tütenweise haben wir insbesondere Eicheln nach schräg gegenüber zu Herrn D. geschleppt, einem Förster, der sich über Futter für seine tierischen Schützlinge freute und uns dafür stets ein paar Mark gab. Der herbstliche Geldsegen endete jäh, als Familie D. eines Tages nach Kamerun auswanderte.
Leider warfen die beiden großen Eichen vor unserem Haus außerdem Massen an Laub ab, das wir immer praktisch bis zum letzten Blatt aufharken mussten, weil davon schlichtweg nichts in akzeptabler Zeit verrotten wollte. Wahrscheinlich geht da kein Pilz ran, der seine fünf Sinne beisammen hat. Ist denen zu zäh und herb. Also: Gerbstoff-bitter, das nehmen wir jetzt einfach mal hin.
Doch nun endlich zu den diversen Gesichtern der Paprika. Zunächst dachte ich an das Gewürz, denn es riecht binnen zwei, drei Minuten tatsächlich verblüffend nach Rosenpaprika-Pulver aus dem Streuer. Finde ich viel deutlicher als den in den bisherigen Kommentaren zumeist herausgehobenen Pfeffer. Das Zeug hier hat seine beste Zeit allerdings hinter sich und ist ein bisschen muffig geworden. Meine Mutter hatte ein solches Relikt im Küchenschrank, es kam in der überwiegend gutbürgerlichen Küche meiner Kindheit vielleicht zu selten zum Einsatz und wurde daher irgendwann ältlich.
Das Gewürz kontrastiert apart mit Kühlendem. „Grüne Noten“ geht in Ordnung, freilich nicht das, was man sich gemeinhin dabei vorstellt. Ich denke an … Salatgurke? Oder – na klar! - an grüne Paprika. Es riecht plötzlich nach dem Bulgur-Salat, den meine Frau neulich mit Ajvar sowie Salatgurke und Paprika zubereitet hat.
Drittens erscheint eine Spur Süße. Paprika edelsüß? Sie vervollständigt das Paprika-Trio, das mich dazu veranlasst, mich in der ersten Stunde des Duftes ziemlich gut unterhalten zu fühlen.
Im Anschluss gewinnt wärmende Glut die Oberhand. Die Paprika (die ich unverändert vor dem Pfeffer nennen würde) enthüllt ihre Schärfe. Darunter bildet sich wie eine zweite Schicht eine stechende Gumminote. Schwarzes, weiches Gummi in der Sonne. Eine Idee von süßem, hellem und obertonreichem Rauch aus einer Quelle, die ich nicht identifizieren kann, komplettiert den gewandelten Duft-Eindruck. Besagte Glut weicht schon in der zweiten Stunde wieder zurück, der Pfeffer tritt hervor, es wird holziger, schärfer, im Charakter auch ein wenig distanzierter.
Die mehrfach erwähnten Leder-Assoziationen kann ich im Mittelteil problemlos nachvollziehen. Meine Lieblingskollegin äußerte sich sogar ohne jede Vorbefassung entsprechend. Die Pfeffer-Würze hat sich ein Stück beruhigt, eine raue, staubige Patchouli-Unterlage wird freigelegt. Bereits seit geraumer Zeit habe ich ohnehin den Verdacht, dass Patchouli und Leder duftmäßig zuweilen sehr eng kooperieren. Weiches, helles, raues Leder, sacht bewürzt. Passt prima.
Am Nachmittag dringt eine etwas fad und leicht künstlich geratene Holznote durch. Offenbar vergeht der maßgebliche Teil des Duftverlaufs ungefähr mit der fünften, sechsten Stunde allmählich. Der zunehmend bananige Einschlag im stetig weiter isolierten Holz bestärkt mich in dieser Vermutung schließlich.
Fazit: Hm. Edel. Und nicht unoriginell. Zumindest rund sechs Stunden lang. Kommt mir nicht derart reduziert und statisch vor, wie ich befürchtet hatte. Nur hätte ich mir eine bessere Haltbarkeit des Hauptteils gewünscht.
Ich bedanke mich bei Turandot für die Probe.
Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, da haben wir als Kinder natürlich alles untersucht und gesammelt. Tütenweise haben wir insbesondere Eicheln nach schräg gegenüber zu Herrn D. geschleppt, einem Förster, der sich über Futter für seine tierischen Schützlinge freute und uns dafür stets ein paar Mark gab. Der herbstliche Geldsegen endete jäh, als Familie D. eines Tages nach Kamerun auswanderte.
Leider warfen die beiden großen Eichen vor unserem Haus außerdem Massen an Laub ab, das wir immer praktisch bis zum letzten Blatt aufharken mussten, weil davon schlichtweg nichts in akzeptabler Zeit verrotten wollte. Wahrscheinlich geht da kein Pilz ran, der seine fünf Sinne beisammen hat. Ist denen zu zäh und herb. Also: Gerbstoff-bitter, das nehmen wir jetzt einfach mal hin.
Doch nun endlich zu den diversen Gesichtern der Paprika. Zunächst dachte ich an das Gewürz, denn es riecht binnen zwei, drei Minuten tatsächlich verblüffend nach Rosenpaprika-Pulver aus dem Streuer. Finde ich viel deutlicher als den in den bisherigen Kommentaren zumeist herausgehobenen Pfeffer. Das Zeug hier hat seine beste Zeit allerdings hinter sich und ist ein bisschen muffig geworden. Meine Mutter hatte ein solches Relikt im Küchenschrank, es kam in der überwiegend gutbürgerlichen Küche meiner Kindheit vielleicht zu selten zum Einsatz und wurde daher irgendwann ältlich.
Das Gewürz kontrastiert apart mit Kühlendem. „Grüne Noten“ geht in Ordnung, freilich nicht das, was man sich gemeinhin dabei vorstellt. Ich denke an … Salatgurke? Oder – na klar! - an grüne Paprika. Es riecht plötzlich nach dem Bulgur-Salat, den meine Frau neulich mit Ajvar sowie Salatgurke und Paprika zubereitet hat.
Drittens erscheint eine Spur Süße. Paprika edelsüß? Sie vervollständigt das Paprika-Trio, das mich dazu veranlasst, mich in der ersten Stunde des Duftes ziemlich gut unterhalten zu fühlen.
Im Anschluss gewinnt wärmende Glut die Oberhand. Die Paprika (die ich unverändert vor dem Pfeffer nennen würde) enthüllt ihre Schärfe. Darunter bildet sich wie eine zweite Schicht eine stechende Gumminote. Schwarzes, weiches Gummi in der Sonne. Eine Idee von süßem, hellem und obertonreichem Rauch aus einer Quelle, die ich nicht identifizieren kann, komplettiert den gewandelten Duft-Eindruck. Besagte Glut weicht schon in der zweiten Stunde wieder zurück, der Pfeffer tritt hervor, es wird holziger, schärfer, im Charakter auch ein wenig distanzierter.
Die mehrfach erwähnten Leder-Assoziationen kann ich im Mittelteil problemlos nachvollziehen. Meine Lieblingskollegin äußerte sich sogar ohne jede Vorbefassung entsprechend. Die Pfeffer-Würze hat sich ein Stück beruhigt, eine raue, staubige Patchouli-Unterlage wird freigelegt. Bereits seit geraumer Zeit habe ich ohnehin den Verdacht, dass Patchouli und Leder duftmäßig zuweilen sehr eng kooperieren. Weiches, helles, raues Leder, sacht bewürzt. Passt prima.
Am Nachmittag dringt eine etwas fad und leicht künstlich geratene Holznote durch. Offenbar vergeht der maßgebliche Teil des Duftverlaufs ungefähr mit der fünften, sechsten Stunde allmählich. Der zunehmend bananige Einschlag im stetig weiter isolierten Holz bestärkt mich in dieser Vermutung schließlich.
Fazit: Hm. Edel. Und nicht unoriginell. Zumindest rund sechs Stunden lang. Kommt mir nicht derart reduziert und statisch vor, wie ich befürchtet hatte. Nur hätte ich mir eine bessere Haltbarkeit des Hauptteils gewünscht.
Ich bedanke mich bei Turandot für die Probe.
18 Antworten
reni379 vor 8 Jahren
Verrückt. Eben aufgesprüht und ich dachte sofort an Paprika mit Pfeffer. Absolute Übereinstimmung mit deinem Kommentar!
DOCBE vor 9 Jahren
Zu viel "Küche" - so scheint es in der Tat - für zu wenig Hermes-Affinität auf meiner Seite. Aber das ändert ja nichts an der Güte des Kommentars. Daumen hoch!
Cravache vor 9 Jahren
Einer der spannenderen der Reihe, finde ich. Aber auch hier: es will nicht funken. Und das bei einer Französin :)
MisterE vor 9 Jahren
Ein Duft wie Paprika aus dem Streuer? Braucht das die Welt?
Zora vor 9 Jahren
Pokal mit Paprika für den informativen und tollen Kommentar, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann danach riechen zu wollen:).
Yatagan vor 9 Jahren
Fand ihn recht ordentlich.
Stefanu155 vor 9 Jahren
Der vermag an Damen ganz entzückend zu riechen... Ich würde bzw. gebe ihm damit einen 8er. Super Kommentar.
Pluto vor 9 Jahren
Tja, ich schließ mich MarWic an, da hätte ich lieber mehr Leder....
AromaTic vor 9 Jahren
ich finde den wunderbar (und) außergewöhnlich und sehe ihn trotz Paprika und Pfeffer gar nicht mal so "Küchennah", leicht ledrig-scharfe Eleganz, gepaart mit nem Ticken Holz und der luftigen Leichtigkeit Ellenas. Dazu eine gute Haltbarkeit von bei mir über 8 Stunden... guter Kommi!
MarWic vor 9 Jahren
Mir fällt kein Grund ein,den zu tragen......
Gerdi vor 9 Jahren
Leider fehlen mir sämtliche Rezeptoren, die Ellenas Düfte mir als Parfum erkenntlich machen... Ich konnte den Duft, wie die anderen der Hermessence-Reihe, nur circa 20 Minuten überhaupt wahrnehmen...
Monsieur vor 9 Jahren
Wenn Du ihn mal mit dem richtigen Paprika der Reihe parallel getestet hast, dann riecht er für Dich auch wieder nur nach Pfeffer... ;-)
Kleopatra vor 9 Jahren
Zu viel Küche für meinen Geschmack. Und dann auch noch Kümmel! Und Tschüss...!
Palonera vor 9 Jahren
Hätte ich nicht gerade eben zu Abend gegessen, hätte ich nach dem Lesen Deines Kommentars nun unweigerlich Appetit bekommen - das Bulgur-Rezept Deiner Frau reichst Du bitte bei Gelegenheit herüber, ;-).
Sweetsmell75 vor 9 Jahren
lach ... Mahlzeit :) ... Paprikapokal
0815abc vor 9 Jahren
Ich bin da ganz bei Kovex :)Bulgurpokal.
Ergoproxy vor 9 Jahren
Den finde ich wirklich gut gelungen.
Kovex vor 9 Jahren
Hört sich mehr nach einer Mahlzeit an, als nach einem Duft ;)

