L'Antimatière 2006

Aava
05.08.2015 - 02:16 Uhr
40
Top Rezension
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft

Die Signatur des Glücks

Manchmal trifft man das Glück. Gutes, richtiges Glück, das sich ganz leise ankündigt. Glück, das man hören muss, wenn es nur flüstert und das aber bleibt, wenn man es so gibt wie man es nimmt. Das bleibt vom ersten glücklichen Moment, in dem man die Hand auf das andere Herz legt und sich erkennt, und dann ein Leben lang. Zusammen mit der Liebe. Felsenfest.

Leise aber felsenfest. So ist auch L’Antimatière von der kleinen schweizer Parfummanufaktur LesNez-Parfums d‘Auteurs, deren außergewöhnliche, manchmal ein wenig avandgardistisch anmutende Parfums in kaum einer der exklusiven Parfumerien auf der Welt zu finden sind. LesNez ist genauso wie seine sehr besonderen Duftkunstwerke kein laut krachendes , sondern ein eher kleines und unaufgeregtes aber sehr feines Dufthaus, das mit Herz geführt wird. Man möchte dort nicht mehr sein als man ist, macht kein großes Brimborium um seine Parfums, bietet aber doch nicht nur eine sehr feine Qualität, sondern auch große Duftkunst, Leidenschaft für die Materie und Authentizität in Sein und Produkten. Hierfür wird mit namhaften Parfumeuren zusammen gearbeitet, die sich ähnlich wie ursprünglich bei Frédéric Malle nicht nur als Handwerker, sondern ebenso als Künstler, Komponisten, gar als Autoren ganz der Verwirklichung ihrer Duftvisionen widmen dürfen. Man ist sich dort bei LesNez verbunden, schätzt sich, genauso wie man seinen Parfums verbunden ist.

Und L’Antimatière, dieses zarte, auf den ersten Blick mehr als unscheinbar wirkende und gern unterschätzte aber ganz außergewöhnliche Duftgebilde, spiegelt genau all das wider. Besonderheit, die nicht laut sein muss, aus sich selbst heraus wirkt und etwas Magisches an sich hat, ohne dabei bewusst zu wollen. Es ist wie es ist. Und L’Antimatière ist eigentlich ein „Nicht-Parfum“. Antimaterie, ein luftleerer Raum, nicht greifbar und trotzdem existent. Ein quasi Duftexperiment, geschaffen von Isabelle Doyen, der Haus- und Hofparfumeurin des Hauses Goutal. Es spielt mit den Sinnen des Gegenübers, drängt sich nicht auf, aber ins Bewusstsein hinein, „wie Spuren einer Schrift, mit unsichtbarer Tinte geschrieben. Mehr gefühlt als gerochen, eindringlich geflüstert. Wie der Geruch des Morgenbetts, das auf der Haut schwebt.“ Wie Glück, das leise angeflüstert kommt, sich sehr unaufdringlich aber ebenso unhaltbar ins Bewusstsein schiebt und dann alles verändert. Das Leben verändert und füllt.

Tatsächlich wirkt L’Antimatière beim ersten Aufsprühen künstlich. Eine leichte Klebstoffnote, die mich auch immer wieder an den chemischen Körper von Molecule 01, von ISO E Super, erinnert. Aber doch irgendwie nicht so kantig, sondern weicher, voller, noch subtiler, weiblicher. Das erste Aufsprühen aber gibt das noch lange nicht preis. Und auf Papier schon gar nicht. L’Antimatière ist ein Hautduft, gehört dort hin und entfaltet sich auch nur da zu seiner vollen Wärme. Und während ich selbst immer wieder glaube nachsprühen zu müssen, weil L’Antimatière für mich als Träger nur ganz subtil wahrnehmbar ist, ist es doch raumfüllend. Selten habe ich so viele Komplimente für einen Duft bekommen, selbst wenn er nur ganz zurückhaltend im Büroraum schwebt und nur noch den Rest des Tages herüber weht. Und dabei ist L‘Antimatière wirklich keine große Duftkomplexität, die lang und breit analysiert werden muss. Grundkörper Moschus. Einer von der guten Sorte. Und Isabelle Doyen kann Moschus. Auch das Goutalsche „Musc Nomade“ stammt aus ihrer Hand und dieser Moschus ist für mich einer der Schönsten. Hautig, cremig, ein bißchen dreckig vielleicht aber immer auch licht und leicht. Und vielleicht mag der Moschusnote in L’Antimatìere die leichte Klebstoffanmutung des Anfangs geschuldet sein aber trotzdem ist auch dieser Moschus einer der ansonsten sauberen, cleanen, sehr lichtdurchlässigen, hellen und warmen und weichen Sorte. Da sticht und brennt nichts, sondern in Kombination mit einer gänzlich unaufdringlichen Ambernote, wärmt und schützt dieser Moschus. Verbindet sich mit meiner Haut, als wäre es mein eigener Duft. Mein Körper, mein Haus, mein Bild von mir selbst. Allenfalls etwas Medizinisch-Holziges lässt sich noch erahnen, das dafür sorgt, dass der Duft auf meiner Haut nicht in die Breite verschmilzt und platt wird. Ob dabei nun eine große Portion Ambroxan oder doch das vermutete ISO E Super oder vielleicht sogar beides mit im Spiel ist, vermag ich nur schwer auseinander zu halten. Sicher ist für mich aber, dass es eines oder beides sein muss, was neben all der Wärme auch für Halt und eine gewisse Kantigkeit sorgt. L’Antimatière behält neben aller Wärme und Weichheit auf meinem Körper nämlich doch immer auch seinen eigenen Körper, hat Kontur und Eleganz, ist ganz sich selbst, genauso wie ich beim Tragen ich selbst sein darf.

Und so ist dieses außergewöhnliche Parfum, das seinen ganz eigenen flüsternden Zauber ausstrahlt, inzwischen auch zu meiner Signatur geworden. Dieses Parfum, das eigentlich keines ist. Das mit der Wahrnehmung spielt und sich einschleicht. Das fragen lässt, ob es nun wirklich so ist wie es zu sein scheint. Ob man sieht, was man glaubt zu sehen. Hört, was man nur leise wahrnimmt und fühlt, was man sich nicht traut zu fühlen. Wie Glück, das sich leise ankündigt und das man erkennen muss. Und so wie die Signatur solchen Glücks die Liebe ist, ist L’Antimatière inzwischen meine. Meine Signatur, mein Duft, der mich ausdrückt, zu mir passt und mich durch die Glücksmomente meines Lebens begleitet:

Ich habe L‘Antimatière getragen, als wir uns das erste Mal geküsst haben. Und auch als wir geheiratet haben. Und bald wird unser Kind geboren. Die Signatur unseres Glücks.
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