Szenenbild Schwarz/Weiss.
Die Vorhänge des Hotelzimmers sind aufgezogen. Sonnenschein fällt als weiss anmutender Lichtkegel in den Raum und hüllt das geschwungene, mit dunklem Samt überzogene Sofa und die Gestalt darauf in einen warmen, fast weichzeichnenden Schimmer. Fein duftende Holzmöbel mit Schnitzereien und Intarsien stehen bedacht geordnet und bieten einer Vielzahl an Gegenständen eine kunstvolle Kulisse. Eine hohe Bodenvase mit dickem Bleiglasfuss und wundervollem Schleudersternschliff steht zu ihrer Rechten, prall gefüllt mit einer Vielzahl an meterhohen Rosen, die einen tiefen, betörenden Duft verströmen. Daran befestigt eine kleine Satinschleife, deren Knoten geöffnet worden ist. Die Karte die sie vor Kurzem noch hielt, liegt mit dem Umschlag zusammen auf dem Sofa. Daneben funkeln Kristallkaraffen und ein gefülltes Champagnerglas auf einem runden Tischchen und von der weiter entfernten Poudreuse glitzern Parfumflakons und verschiedene Döschen im Licht.
Sehnsuchtsvoll blickt die Gestalt zum Fenster, während ihre Finger zärtlich über die Karte streichen, als würde sie in Gedanken damit die Haut ihres Liebsten streifen. Des Menschen, der Tausende Kilometer von ihr entfernt in einem anderen Land weilt und nicht bei ihr sein kann. Der Schmerz in ihrem Herzen lässt sie fast zerspringen. Doch die Rosen und die liebevollen Worte auf der Karte lassen sie hoffen, hoffen auf ein Wiedersehen. Bis dahin wird sie sich nach ihm verzehren. Jede Minute wird zur Stunde, die Nächte schlaflos zu Tagen und mit ihnen die Zeit des Wartens unerträglich.
Die elegante Dame ist in Weiss gehüllt, der glänzende Seidenstoff ihres langen, luxuriösen Morgenmantels umspielt detailliert ihre Konturen und legt sich schliesslich auf dem üppigen Orientteppich in schimmernde wellengleiche Falten. Der Kragen und die weiten Ärmelabschlüsse sind mit dichtem, weissem Federflaum eingefasst, der mit dem noch so kleinen Hauch von Luft und Bewegung sofort in unruhigen Schwung gerät. Unter dem Mantelsaum blitzen die Spitzen von feinen, weissen und perlenbesetzten Pantöffelchen mit kleinen schmalen Absätzen hervor. Die Szenerie mutet an wie ein Gemälde. Selbst die Dame ist so schön, als wäre sie gemalt. Fein gezogene Augenbrauenbögen zeichnen den Abschluss zu grossen, scheinbar dunklen Augen. Die getuschten Wimpern umspielen die Ränder und verleihen dem ohnehin intensiven Blick eine tiefe Melancholie, eine Unnahbarkeit und Leere, gepaart mit einer dazu gegensätzlichen Anziehungskraft und unausgesprochenen, bannenden Verführung. Das zarte Gesicht mit der blassen Haut wird von mittelhellen, leicht gewellten Haaren im Seitenscheitel halblang und leicht unbändig umspielt.
Man kann nur vom reinen Betrachten der Szenerie die Zerrissenheit der Dame spüren. Ihre Verzweiflung. Ihren Schmerz. Da durchbricht sie die Stille des Bildes, indem sie sich auf dem verzierten Tablett auf dem gläsernen Salontisch eine geschälte Litschi mit einem Silberspiesschen aufsticht und zum Mund führt. Mit geschlossenen Augen lässt sie sich die Frucht auf der Zunge zergehen. Unmittelbar lässt sie einen Schluck aus dem Champagnerglas der spitzigen Süsse folgen. Dann steht sie langsam auf und geht zur Poudreuse, dem Toilettentischchen mit den glitzernden Flakons und Döschen, dabei ständig umgeben vom Hauch der verspeisten Litschi und dem verführerischen Rosenduft des riesigen Blumenstrausses. Mit ihren zarten Händen greift sie sanft nach einem der schillernden Flakons und betätigt den Pumpzerstäuber.
Mit dem ausgestossenen Sprühnebel vollzieht sich ein unglaublicher Wandel.
Jeder Tropfen, der nun über die Dame herabfällt, hüllt was er berührt in Farbe! Zuerst ihr Haar, ihr Gesicht, schliesslich ihre ganze Statur und zu guter Letzt alles um sie herum. Mit einem Mal zieht beinahe spürbares Leben durch das Zimmer, die Schwarz/Weiss-Töne atmen ein und stossen Farben aus. Eine Farbe nach der anderen ergiesst sich in die Nächste im Raum, bis schliesslich alles seinen richtigen Farbton hat und den Moment zum Blühen bringt.
Dann klingelt das Telefon.
Die Dame stellt den Flakon eilig zurück zu den anderen und hastet zum Salontisch auf dem es steht. Offenbar hat sie es dort zuvor absichtlich platziert und auf diesen Augenblick gewartet. Sie nimmt den weisslackierten Hörer von der Gabel und haucht mit tiefer, rauchiger Stimme ein „Hello Darling…I‘ve missed you so much…!“ in die Muschel.
Der Mann am anderen Ende der Leitung ist nur leise zu hören, aber scheint ihr gerade das ins Ohr zu flüstern, was sie in dem Moment so braucht.
Die Schönheit ist voller Sehnsucht.
„You'll come back to me, aren’t you…?“ haucht sie flehend und schmachtend zugleich in den Hörer.
Dann lauscht sie der Antwort am anderen Ende der Leitung und legt nach: „Promise me…“
„Da war etwas in Garbos Augen, das man nicht sehen konnte, außer man drehte sie in Großaufnahme. Man konnte die Gedanken sehen. Wenn sie die eine Person eifersüchtig anschauen sollte und eine andere verliebt, brauchte sie ihren Ausdruck nicht zu verändern. Man konnte es in ihren Augen sehen, während sie vom einen zum anderen blickte. Für mich beginnt Garbo dort, wo alle anderen enden.“
(Zitat Clarence Brown, Regisseur)
Ich möchte nicht behaupten, dass eine Greta Garbo einen Duft wie „Mauboussin Promise Me Intense“ gekannt hätte, geschweige denn so duftete, hätte es ihn da schon gegeben. Ein Duft, der zwar fröhlich und spritzig mit einer verspielten Litschi eröffnet, nur um gleich darauf "blitzerwachsen" durch die Rose zu werden. Die edle hölzerne Note, die sich später dazulegt, steuert für mich etwas Unstetiges bei. Ein erfolgloses Suchen nach einer einzigen Schlussnote, die zum Glück ausbleibt. Sie würde dem Duft sein Geheimnis rauben. Er ist so wie er ist perfekt, gerade mit dieser Unentschiedenheit. Was den Duft und Garbo für mich in Verbindung bringt, ist die gemeinsame Heiss/Kalt- Ausstrahlung, ein sinnliches Anlocken und wieder von sich Stossen, ein Ein- wie Ausatmen. Der Duft hat vielerlei Facetten und dies mit einer minimalen Anzahl an Duftnoten, sowie die Garbo mit ihrem Gesicht allein schon die unterschiedlichsten Gefühlsregungen ausdrücken und hervorrufen konnte.
Der Duft ist erwachsen und elegant, classy und chic aber auch verspielt, mit einer fast unschuldigen und dennoch fordernden Sexyness. Und das wiederum verkörperte auch Greta.
Das "Duftschauspiel" von "Mauboussin Promise Me Intense" lässt ihn für mich folglich zu meiner eigenen, kleinen Diva werden.
Eine, die mich mal zwischen Unbeschwertheit und Tiefgründigkeit, Liebe und Abgrenzen hin- und herreisst, aber in jedem Fall doch immer mit tiefer Bewunderung zurücklässt.