26.03.2025 - 12:01 Uhr

THEFUMEROOM
1 Rezension

THEFUMEROOM
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Erweckungserlebnis oder Nahtoderfahrung?
Mit Düften von Alessandro Gualtieri ist es immer so eine Sache – für die einen Meisterwerke eines olfaktorischen Künstlers, für die anderen hypersensibel-synthetische Attacken auf den Geruchssinn. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Ich bin ehrlich: Ich mag die Sachen von Alessandro sehr, war doch der Baraonda Extrait de Parfum mein Eintritt in die Nischenwelt. Und daher bin ich vielleicht etwas voreingenommen, bemühe mich hier aber um Objektivität.
Aber kommen wir zu Risvelium. Im Winter 2024 hatte ich die Freude, Alessandro persönlich kennenzulernen und war beeindruckt von diesem verrückten, aber warmherzigen Typen, der so gar nicht arrogant oder entrückt ist, wie man vielleicht bei deinem Ruf vermuten könnte. Im Gegenteil! Damals erzählte er von Risvelium und der Inspiration für diesen Duft: ein Ayahuasca-Ritual in Peru. Insgesamt scheint der Gute den psychedelischen Drogen nicht ganz abgeneigt zu sein, was nicht nur seine Düfte wie z.B. der Black Afgano Extrait de Parfum zeigen – er erzählt es auch gerne. Wer Ayahuasca nimmt (oder trinkt) erlebt eine Nahtoderfahrung. Oder anders gesagt: man kotzt, scheißt und zittert bis zum Umfallen. Das hört man zumindest, ich kann das nicht bestätigen, denn um derartige "Erfahrungen" mache ich lieber einen großen Bogen. Das erklärt aber zumindest den Namen, denn "Risveglio" ist das italienische Wort für "Erwachen".
Hat man das Ritual durchgestanden fühlt man sich aber wohl "neu geboren", "erweckt" oder "erleuchtet". Es verschafft einen anderen Blick auf die Welt – ist die Brücke, ja das Tor von der physischen in die metaphysische Welt der Spiritualität. Klingt für mich nach AstroTV, aber kann ja jeder machen, wie er oder sie will. Aber wie riecht Risvelium nun, ein Duft, der genau von dieser Form der "Erweckung" handelt. Und selber als olfaktorische Brücke in die spirituelle Welt beworben wird? Überraschend zugänglich – soviel kann ich direkt verraten. Wer eine herb-grün-kräuterige Mischung mit Artemisia, Teebaum, Narde, Kampfer oder ähnlichem erwartet – so wie ich – wird enttäuscht. Stattdessen präsentiert uns Alessandro einen Terre d'Hermès Parfum mit mehr Dreck und "Rote Beete".
Aber der Reihe nach: das Opening ist zitrisch, Grapefruit spielt hier bestimmt eine Rolle, die sich aber dank des leichten Pfeffers eher wie eine prickelnde Fanta-Lemon auf der Haut entwickelt. Dazu kommt etwas feucht-erdiges, ich würde auf Geosmin tippen – einen Stoff, der nach nasser Erde riecht. Die Mischung aus gäriger Zitrik und nasser Erde ergibt dann diese "Rote Beete"-Note. Dazu kommt leichter Vetiver-Rauch, ähnlich wie im Encre Noire Eau de Toilette, aber weniger präsent, eher subtil und nicht ganz so trocken. Die Basis ist dann – wenn auch leiser als sonst – typisch Orto Parisi: Ambrocenide, Amber X-Treme, Ambermax, Hedion, Iso-E-Super und dieser unverkennbare Geruch von "BOYA-Butter" und "Pis de Cheval". BOYA ist Gualtieris Chiffre für (Kunst-)Oud bzw. dunkle, holzige, leicht fäkale Noten, "Pis de Cheval" ist ein Duftstoff namens p-Cresol, der für eine tierische Note von "Urin" und "Schweiß" steht. Darum wohl auch der Name "Pferdepisse". Wer jetzt aber an einen Duft mit animalischer Oud-Basis denkt ist hier falsch. Die Noten sind – wenn überhaupt – nur minimal wahrnehmbar, die typische Orto Parisi DNA muss sich wohl erst noch von ihrem Trip erholen …
Was ist Risvelium also? Ein Bergamask 2.0? Ein Terre d'Hermès Parfum auf Drogen und mit Dreck am Stecken? Ja und Nein. Die Parallelen zu anderen Orto Parisis liegt auf der Hand und auch Bergamask ist ein dreckig-zitrischer Duft, aber: Bergamask ist aufgrund des Moschus deutlich animalischer, dabei aber weniger erdig. Das Geosmin spielt in Risvelium eine große Rolle und macht den Duft trotz bekannter DNA irgendwie eigenständig. Der Vergleich zu Terre d'Hermès Parfum bleibt, auch wenn der Franzose aber deutlich sauberer, definierter und schicker ist. Der eine ist halt Architekt geworden, der andere Hippie. Letztendlich ist Risvelium trotz aller Vergleiche ein eigenständiger Duft – sogar im Orto Parisi-Kosmos. Und ein überraschend tragbarer.
Was machen wir nun mit dem Teil? Ich mag Zitrik in Düften nur selten, doch in Risvelium wird sie so gut in das modrige Erdreich des peruanischen Regenwalds eingebettet, dass sie mir den Duft nicht verleidet. Und die "Rote Beete"-Note ist originell, das muss ich zugeben. Ist es das erwartete Highlight? Vermutlich nicht. Trotzdem mag ich den Duft und werde ihn im Sommer gerne tragen. Trotzdem bleibt eine leichte Enttäuschung darüber, dass Risvelium so sehr auf Nummer Sicher geht. Und damit zumindest in meiner Vorstellung recht wenig mit einem psychedelischen Drogentrip zu tun hat. Wer mit der typischen OP-DNA etwas anfangen kann und keine Angst vor Synthetik hat, darf hier gerne ran. Wer Gualtieris frühere Werke schon nicht mochte, kann auch diese "Erweckung" getrost links liegen lassen.
Aber kommen wir zu Risvelium. Im Winter 2024 hatte ich die Freude, Alessandro persönlich kennenzulernen und war beeindruckt von diesem verrückten, aber warmherzigen Typen, der so gar nicht arrogant oder entrückt ist, wie man vielleicht bei deinem Ruf vermuten könnte. Im Gegenteil! Damals erzählte er von Risvelium und der Inspiration für diesen Duft: ein Ayahuasca-Ritual in Peru. Insgesamt scheint der Gute den psychedelischen Drogen nicht ganz abgeneigt zu sein, was nicht nur seine Düfte wie z.B. der Black Afgano Extrait de Parfum zeigen – er erzählt es auch gerne. Wer Ayahuasca nimmt (oder trinkt) erlebt eine Nahtoderfahrung. Oder anders gesagt: man kotzt, scheißt und zittert bis zum Umfallen. Das hört man zumindest, ich kann das nicht bestätigen, denn um derartige "Erfahrungen" mache ich lieber einen großen Bogen. Das erklärt aber zumindest den Namen, denn "Risveglio" ist das italienische Wort für "Erwachen".
Hat man das Ritual durchgestanden fühlt man sich aber wohl "neu geboren", "erweckt" oder "erleuchtet". Es verschafft einen anderen Blick auf die Welt – ist die Brücke, ja das Tor von der physischen in die metaphysische Welt der Spiritualität. Klingt für mich nach AstroTV, aber kann ja jeder machen, wie er oder sie will. Aber wie riecht Risvelium nun, ein Duft, der genau von dieser Form der "Erweckung" handelt. Und selber als olfaktorische Brücke in die spirituelle Welt beworben wird? Überraschend zugänglich – soviel kann ich direkt verraten. Wer eine herb-grün-kräuterige Mischung mit Artemisia, Teebaum, Narde, Kampfer oder ähnlichem erwartet – so wie ich – wird enttäuscht. Stattdessen präsentiert uns Alessandro einen Terre d'Hermès Parfum mit mehr Dreck und "Rote Beete".
Aber der Reihe nach: das Opening ist zitrisch, Grapefruit spielt hier bestimmt eine Rolle, die sich aber dank des leichten Pfeffers eher wie eine prickelnde Fanta-Lemon auf der Haut entwickelt. Dazu kommt etwas feucht-erdiges, ich würde auf Geosmin tippen – einen Stoff, der nach nasser Erde riecht. Die Mischung aus gäriger Zitrik und nasser Erde ergibt dann diese "Rote Beete"-Note. Dazu kommt leichter Vetiver-Rauch, ähnlich wie im Encre Noire Eau de Toilette, aber weniger präsent, eher subtil und nicht ganz so trocken. Die Basis ist dann – wenn auch leiser als sonst – typisch Orto Parisi: Ambrocenide, Amber X-Treme, Ambermax, Hedion, Iso-E-Super und dieser unverkennbare Geruch von "BOYA-Butter" und "Pis de Cheval". BOYA ist Gualtieris Chiffre für (Kunst-)Oud bzw. dunkle, holzige, leicht fäkale Noten, "Pis de Cheval" ist ein Duftstoff namens p-Cresol, der für eine tierische Note von "Urin" und "Schweiß" steht. Darum wohl auch der Name "Pferdepisse". Wer jetzt aber an einen Duft mit animalischer Oud-Basis denkt ist hier falsch. Die Noten sind – wenn überhaupt – nur minimal wahrnehmbar, die typische Orto Parisi DNA muss sich wohl erst noch von ihrem Trip erholen …
Was ist Risvelium also? Ein Bergamask 2.0? Ein Terre d'Hermès Parfum auf Drogen und mit Dreck am Stecken? Ja und Nein. Die Parallelen zu anderen Orto Parisis liegt auf der Hand und auch Bergamask ist ein dreckig-zitrischer Duft, aber: Bergamask ist aufgrund des Moschus deutlich animalischer, dabei aber weniger erdig. Das Geosmin spielt in Risvelium eine große Rolle und macht den Duft trotz bekannter DNA irgendwie eigenständig. Der Vergleich zu Terre d'Hermès Parfum bleibt, auch wenn der Franzose aber deutlich sauberer, definierter und schicker ist. Der eine ist halt Architekt geworden, der andere Hippie. Letztendlich ist Risvelium trotz aller Vergleiche ein eigenständiger Duft – sogar im Orto Parisi-Kosmos. Und ein überraschend tragbarer.
Was machen wir nun mit dem Teil? Ich mag Zitrik in Düften nur selten, doch in Risvelium wird sie so gut in das modrige Erdreich des peruanischen Regenwalds eingebettet, dass sie mir den Duft nicht verleidet. Und die "Rote Beete"-Note ist originell, das muss ich zugeben. Ist es das erwartete Highlight? Vermutlich nicht. Trotzdem mag ich den Duft und werde ihn im Sommer gerne tragen. Trotzdem bleibt eine leichte Enttäuschung darüber, dass Risvelium so sehr auf Nummer Sicher geht. Und damit zumindest in meiner Vorstellung recht wenig mit einem psychedelischen Drogentrip zu tun hat. Wer mit der typischen OP-DNA etwas anfangen kann und keine Angst vor Synthetik hat, darf hier gerne ran. Wer Gualtieris frühere Werke schon nicht mochte, kann auch diese "Erweckung" getrost links liegen lassen.
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