22.03.2021 - 10:41 Uhr
Serenissima
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Serenissima
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17
Geschäftsführung? Immer der Nase nach!
Mitte der siebziger Jahren gab es unter den Düften für junge Frauen einen großen Renner:
Den Duft, den man fast überall traf: „Charlie“!
Das Unternehmen, bei dem ich zu der Zeit beschäftigt war, hatte seinen Sitz in einem Hochhaus. Die Räume der Geschäftsführung nahmen die gesamte siebente Etage ein.
Die dort beschäftigten jungen Frauen benutzten alle „Charlie“. Es gab nicht eine Ausnahme.
Und schon im Treppenhaus brauchte man nur "der Nase nach" zu gehen!
Die Geschäftsführungsetage kann man nicht einmal mit starkem Schnupfen verfehlen.
Auf jedem Schreibtisch stand griffbereit mindestens ein Flacon dieses Duftes. Durch die Lichteinwirkung hatten sich die Inhalte unterschiedlich verfärbt: von hellem Gelb bis dunklem Goldbraun war fast alles vorhanden.
Aber auch die Düfte hatten sich dadurch verändert. Nicht zu ihrem Vorteil!
Alle Unterlagen, die von „oben“ kamen, waren mit diesem Einheitsduft behaftet. Denn "Charlie" war damals doch recht "übergriffig".
Die Herren der Geschäftsführung müssen nach heutigen Standards sehr geduldig gewesen sein. Denn auch sie waren ja von dieser Duftwolke umgeben - und nahmen sie mit nach Hause.
(Ich stelle mir gerade vor: Wenn sich dieses mitgebrachte dann mit dem Parfum der Ehefrauen mischte: oh, weh!)
Es war einfach zu viel des Guten: „Charlie“ war überall, machte sich breit und fuhr auch noch erfolgreich mit der U-Bahn: man verlor sie nicht, die so beduftete Kollegin!
Ich bin mir nicht sicher, ob ich damals überhaupt wusste, wie das Original-Eau de Cologne roch. Denn ausprobiert habe ich es nie.
Intensiv blumig-würzig auf einer sämig-öligen Sandelholzbasis und trotzdem sehr lebendig, hat es mir damals ein Kollege beschrieben.
(Er hatte "Charlie" einer neuen Freundin geschenkt! Vielleicht konnte er ohne den vertrauten "Büroduft" nicht leben? Oder fiel ihm nichts anderes ein?)
Es zeigt sich, dass er gar nicht so falsch lag. Denn eine Duft-Pyramide verzeichnet folgendes:
Strahlende Aldehyde, die mit stark duftenden Hyazinthen, Jasmin und Gardenie um Aufmerksamkeit buhlen, dazu noch eine gute Dosis würzig-harziges Galbanum - das ist die Kopfnote!
Diese wird ergänzt von Maiglöckchen, Jasmin und weißen Lilien (schöne Weißblüher, als "Immergeher" fast jeden Blütenduft bereichernd). Auch das Veilchen darf nicht fehlen, das sich hier artig mit Koriander arrangiert.
Die klassische Basis aus Eichenmoos, Sandelholz, Moschus und Vanille schließt "Charlie" ab.
Eigentlich also ein Duft, der junge Frauen von damals sehr gut kleidete.
Aber dort war es einfach zu viel!
Als junge Frau habe ich mir über diese „Einheits-Beduftung“ keine Gedanken gemacht. Ich fand es eher putzig; wir lachten darüber und wussten sofort, woher unsere Kollegen gerade kamen!
Ich glaube fast, die durchweg auch sehr jungen Frauen, die für die Geschäftsführung tätig waren, empfanden sich wohl als "geschlossene Einheit".
Nun, sie hoben sich jedenfalls von uns in den anderen Etagen oder sogar auf Baustellen Beschäftigten ab!
Heute ist mir klar, dass so etwas gar nicht mehr geht: starke Parfums in Sekretariaten!
Dazu kam, dass zu dieser Zeit noch sehr viel geraucht wurde. Vielleicht musste "Charlie" sich auch gegen den Rauch behaupten?!
Ich bin sicher, mein letzter Chef hätte mich vor die Tür gesetzt, hätte ich etwas mehr als Rosenwasser benutzt.
Er mochte so etwas ja gar nicht; weder an sich, noch an mir.
Vor einigen Jahren kam ich wieder einmal an dem Bürohaus am Bayerischen Platz vorbei.
Leise vor mich hin lächelnd fragte ich mich, ob es wohl in der siebenten Etage immer noch nach „Charlie“ riecht.
Bei der Intensität des Gebrauchs dieses Duftes, müsste doch schon der Beton damit getränkt sein.
Vielleicht wurde aber inzwischen auch dort eine Asbest-Generalsanierung durchgeführt.
Schade, ich werde es nie erfahren!
Aber "Charlie" werde ich mit Sicherheit nie vergessen!
-----
P.S.: Bevor ich zu Parfumo kam, schrieb ich Parfum-Geschichten für eine liebe Freundin; dies ist eine von ihnen.
Ich fand sie in der Ablage und habe sie als kleine technische Übung hierher kopiert.
Man merkt ihr ihr Alter an; aber ich hoffe doch zur Unterhaltung beigetragen zu haben, indem ich eine Duft-Impression aus der Vergangenheit wieder aus der Versenkung geholt habe.
Vor allem, da diese Seite hier noch ganz jungfräulich war und nach einem Kommentar rief!
Den Duft, den man fast überall traf: „Charlie“!
Das Unternehmen, bei dem ich zu der Zeit beschäftigt war, hatte seinen Sitz in einem Hochhaus. Die Räume der Geschäftsführung nahmen die gesamte siebente Etage ein.
Die dort beschäftigten jungen Frauen benutzten alle „Charlie“. Es gab nicht eine Ausnahme.
Und schon im Treppenhaus brauchte man nur "der Nase nach" zu gehen!
Die Geschäftsführungsetage kann man nicht einmal mit starkem Schnupfen verfehlen.
Auf jedem Schreibtisch stand griffbereit mindestens ein Flacon dieses Duftes. Durch die Lichteinwirkung hatten sich die Inhalte unterschiedlich verfärbt: von hellem Gelb bis dunklem Goldbraun war fast alles vorhanden.
Aber auch die Düfte hatten sich dadurch verändert. Nicht zu ihrem Vorteil!
Alle Unterlagen, die von „oben“ kamen, waren mit diesem Einheitsduft behaftet. Denn "Charlie" war damals doch recht "übergriffig".
Die Herren der Geschäftsführung müssen nach heutigen Standards sehr geduldig gewesen sein. Denn auch sie waren ja von dieser Duftwolke umgeben - und nahmen sie mit nach Hause.
(Ich stelle mir gerade vor: Wenn sich dieses mitgebrachte dann mit dem Parfum der Ehefrauen mischte: oh, weh!)
Es war einfach zu viel des Guten: „Charlie“ war überall, machte sich breit und fuhr auch noch erfolgreich mit der U-Bahn: man verlor sie nicht, die so beduftete Kollegin!
Ich bin mir nicht sicher, ob ich damals überhaupt wusste, wie das Original-Eau de Cologne roch. Denn ausprobiert habe ich es nie.
Intensiv blumig-würzig auf einer sämig-öligen Sandelholzbasis und trotzdem sehr lebendig, hat es mir damals ein Kollege beschrieben.
(Er hatte "Charlie" einer neuen Freundin geschenkt! Vielleicht konnte er ohne den vertrauten "Büroduft" nicht leben? Oder fiel ihm nichts anderes ein?)
Es zeigt sich, dass er gar nicht so falsch lag. Denn eine Duft-Pyramide verzeichnet folgendes:
Strahlende Aldehyde, die mit stark duftenden Hyazinthen, Jasmin und Gardenie um Aufmerksamkeit buhlen, dazu noch eine gute Dosis würzig-harziges Galbanum - das ist die Kopfnote!
Diese wird ergänzt von Maiglöckchen, Jasmin und weißen Lilien (schöne Weißblüher, als "Immergeher" fast jeden Blütenduft bereichernd). Auch das Veilchen darf nicht fehlen, das sich hier artig mit Koriander arrangiert.
Die klassische Basis aus Eichenmoos, Sandelholz, Moschus und Vanille schließt "Charlie" ab.
Eigentlich also ein Duft, der junge Frauen von damals sehr gut kleidete.
Aber dort war es einfach zu viel!
Als junge Frau habe ich mir über diese „Einheits-Beduftung“ keine Gedanken gemacht. Ich fand es eher putzig; wir lachten darüber und wussten sofort, woher unsere Kollegen gerade kamen!
Ich glaube fast, die durchweg auch sehr jungen Frauen, die für die Geschäftsführung tätig waren, empfanden sich wohl als "geschlossene Einheit".
Nun, sie hoben sich jedenfalls von uns in den anderen Etagen oder sogar auf Baustellen Beschäftigten ab!
Heute ist mir klar, dass so etwas gar nicht mehr geht: starke Parfums in Sekretariaten!
Dazu kam, dass zu dieser Zeit noch sehr viel geraucht wurde. Vielleicht musste "Charlie" sich auch gegen den Rauch behaupten?!
Ich bin sicher, mein letzter Chef hätte mich vor die Tür gesetzt, hätte ich etwas mehr als Rosenwasser benutzt.
Er mochte so etwas ja gar nicht; weder an sich, noch an mir.
Vor einigen Jahren kam ich wieder einmal an dem Bürohaus am Bayerischen Platz vorbei.
Leise vor mich hin lächelnd fragte ich mich, ob es wohl in der siebenten Etage immer noch nach „Charlie“ riecht.
Bei der Intensität des Gebrauchs dieses Duftes, müsste doch schon der Beton damit getränkt sein.
Vielleicht wurde aber inzwischen auch dort eine Asbest-Generalsanierung durchgeführt.
Schade, ich werde es nie erfahren!
Aber "Charlie" werde ich mit Sicherheit nie vergessen!
-----
P.S.: Bevor ich zu Parfumo kam, schrieb ich Parfum-Geschichten für eine liebe Freundin; dies ist eine von ihnen.
Ich fand sie in der Ablage und habe sie als kleine technische Übung hierher kopiert.
Man merkt ihr ihr Alter an; aber ich hoffe doch zur Unterhaltung beigetragen zu haben, indem ich eine Duft-Impression aus der Vergangenheit wieder aus der Versenkung geholt habe.
Vor allem, da diese Seite hier noch ganz jungfräulich war und nach einem Kommentar rief!
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