West Indian Limes (Cologne) von Truefitt & Hill

West Indian Limes Cologne

FvSpee
21.09.2020 - 07:33 Uhr
25
Top Rezension
7Duft 3Haltbarkeit 4Sillage

Colonialwaren X: Tom Yam

Name und Duft dieses freundlich grün beflaschten Parfüms geben das eine oder andere zu lösende Rätsel auf. Recht einfach ist, dass mit "Limes" hier nicht "Lindenblüten" gemeint sind, sondern "Limetten" (das englische Wort ist ja doppeldeutig).

Ein bisschen schwieriger ist schon die nach der Bedeutung von "West Indian". Es ist ja ein alter Hut, dass Kolumbus, als er Amerika in Gestalt der Karibik entdeckte, dachte, er hätte Indien gefunden. Die Gegend wurde daher erstmal "Indien" genannt, und als sich der Fehler dann später herausstellte, nannte man die Karabik und Mittelamerika zur Unterscheidung "Westindien" und das richtige Indien "Ostindien". Im englischen Sprachgebrauch hat sich das noch bis heute erhalten, und so wird hier mit "West Indian" vermutlich nicht "Limetten aus dem westlichen Indien", sondern "karibische Limetten" gemeint sein. Obwohl der Befund auch nicht so 100% eindeutig ist, aber dazu später mehr, zuerst mal zum Duft!

Mir gefällt West Indian Limes nicht besonders. Es reiht sich ein die lange Schlange aus englischen Colognes, die für meine Nase einen irgendwie strengen, uneleganten, unrunden "Beigeruch" haben, irgendetwas verschwiemelt britisches, das nicht in ein frisches Cologne gehört. Ich habe das in meinem Kommentar zu Wellington thematisiert und will mich daher nicht wiederholen. Und ebenso wie bei jenem Feldherrenduft muss ich daher auch hier die Gegenposition zu den begeisterten und beschwingt-inspirierten Kommentaren von Yatagan und Fittleworth beziehen, die mit der karibischen Limette keine Probleme haben sondern auf der siebten Zitronenwolke schweben.

Ich habe sogar zwei Probleme: Zum einen nehme ich, vor allem so ab der fünften Minute, eine metallische Härte wahr; das ist für mich gerade der unschönste Aspekt des Cologne-Urahns 4711. Wer mit dieser blaugestählten Schärfe beim Kölner Klassiker nicht klarkommt, dem würde ich auch diesen Engländer nicht empfehlen. Zum anderen, und jetzt kommt die britische Brackigkeit, rieche ich hier von der ersten Sekunde an einen dezidiert nicht zitrischen, vegetabilen braun-grünen Knarz. Dieser führt übrigens auch dazu, dass ich den Duft bei den "Colonialwaren" und nicht (wie zuerst geplant) in "Neukölln" eingeordnet habe.

Vermutlich kommt dieser Notenkomplex (den andere vielleicht als schön barbershopartig wahrnehmen, ich aber nicht) aus einer Kombination der Gewürznelke mit, ja, mit, und da sind wir wieder bei den Zweideutigkeiten, mit dem Zitronengras. Ich kann nämlich den Geschmack von Zitronengras im Essen (vor allem in der thailändischen Tom-Yam-Suppe) nicht leiden, und wahrscheinlich vergällt er mir auch dieses Cologne.

Und jetzt zurück zum Kapitel Rätsel: Laut einer bedeutenden Online-Enzyklopädie gibt es zwei Sorten Zitronengras. Einmal "cymbopogon citratus", das Westindische (oder Gualtematekische) Zitronengras, das verrückterweise wohl eigentlich aus Indien stammt, aber trotzdem nach "Westindien" (also der Karibik) benannt wurde, aber, Rolle zurück, vorwiegend in der asiatischen (Indien, Thailand, Vietnam) Küche für Suppen und Tees verwendet wird. Und sodann "cymbopogon flexuosus", das Ostindische Zitronengras, das ebenfalls aus Indien stammt, auch nach Ostindien (dem richtigen Indien) benannt ist, und kaum in der Küche, sondern vorwiegend in der Parfümerie verwendet wird. Tja, jetzt kann man Indizien zusammenzählen, aber welches Zitronengras hier verwendet wurde, wird man dann auch nicht wissen. Zumal die Briten in Ost- und in Westindien mit Kolonien vertreten waren...

Ansonsten, außer diesen beiden mir unbehaglichen Akzekten, gibt es nichts zu meckern: ein schöner, sommerlich frischer, vielseitig zitrischer Duft, mit Ausweitungen bis ins Orangige.

Wer nicht nur, wie ich, oft mit den Beurteilungen von Fittleworth und Yatagan übereinstimmt, sondern darüber hinaus auch 4711 und Tom-Yam-Suppe mag, sollte sich von diesem skeptischen Kommentar nicht abschrecken lassen, sondern am besten gleich blind bestellen.

Mir bleibt übrig, Yatagan für die Probe zu danken und mich auf "Extract of West Indian Limes" von G.F. Trumper zu freuen. Diesen zum verwechseln ähnlich benamten Duft habe ich zwar zuletzt vor 10 Jahren gerochen und kann ihn daher momentan nicht besprechen, aber ich weiß noch, dass ich ihn toll fand. Und garantiert suppenfrei.
20 Antworten
DiDi051DiDi051 vor 5 Jahren
Toller Kommentar! Ich bin völlig Deiner Meinung!
FittleworthFittleworth vor 5 Jahren
Sehr schöner Kommentar! Den braun-grünen Knarz allerdings kann ich in diesem Duft nicht wahrnehmen ...
SiebenkäsSiebenkäs vor 5 Jahren
Sehr unterhaltsam bekrittelt - und den britischen Problem-Ton, den einige Wässerchen von der Insel haben, find‘ ich auch eher wenig amazing... Patinierter Knarz-Pokal for your collection!
MonsieurTestMonsieurTest vor 5 Jahren
Herrlich analytisch gemeckert. Sehr lehr- und aufschlussreicher Kommentar!
GandixGandix vor 5 Jahren
Also wenn Columbus gewusst hätte, welche Verwirrungen er hervorruft......
Bei Metallik bin ich eh raus.
FloydFloyd vor 5 Jahren
Den behalte ich mir dann für nächsten Sommer vor!
KonsalikKonsalik vor 5 Jahren
Ein onomatopoetisches Kleinod - ich weiß nämlich genau, was du meinst. Schwiemeliger Knarz-Pokal!
PinkdawnPinkdawn vor 5 Jahren
Faszinierend, wie unterschiedlich dieser Duft empfunden wird. Da er zitrisch frisch ist, wird er ohnehin ein Sommerduft sein. Ingwer und Lemongrass mag ich sowohl in Speisen als auch in Düften. Gerade trage ich Ginger piccante von Guerlain und finde ihn sehr angenehm und gerade richtig für den Spätsommer.
SeeroseSeerose vor 5 Jahren
Diese Citralik mag ich zwar in Düften und Kräutertee, jedoch in Düften kann mich das nach einer Weile nerven, aber die brackige Note...och nö, auch dieses Cologne laß ich auch aus.
ParmaParma vor 5 Jahren
Der ist schon sehr scharf in seiner Zitrizität. Bei mir an der Grenze zum Glasreiniger, aber ich mochte den trotzdem. Diesen englischen Cologne-"Muff" hatte ich GsD nur sehr gemäßigt. Aber ich weiß, was du meinst. Klasse Kommi mit tollen Hintergrundinfos!
TtfortwoTtfortwo vor 5 Jahren
Tom-Yam-Suppe und Zitronengras (sowohl Geschmack als auch Duft) mag ich, das 4711 allerdings nötigt mir wohl Respekt ab, allerdings keine Begeisterung und ich würde es nicht tragen. Dieser blaustahlige Aspekt ist (mit) ein Grund. Was jetzt? Schwanke ich? Nein, denn der britischbraungrüne Knarz gibt den Ausschlag, den mag ich nämlich auch nicht. Also nix für mich.
YataganYatagan vor 5 Jahren
Ich wink dann mal von der siebten Zitronenwolke auf Ebene 10 runter zu Ebene 7! :D
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 5 Jahren
Metallisch... Brrr... Danke für diesen ausführlichen Duftbericht. Pokal
Finchen1976Finchen1976 vor 5 Jahren
Ich kenne diese Suppe zwar nicht, aber es gibt zumindest den Tom-Yam-Suppen-Pokal. :-D (Ich kenne nur Bihun-Suppe.) Zitronengras und Ingwer im Essen mag ich, aber in Maßen, nicht in Massen, ich will das Zeugs ja schließlich essen und nicht als Fußbad nehmen. ^^
ChizzaChizza vor 5 Jahren
Schöner Kommentar und wieder was dazu gelernt. War mir nicht bekannt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes Limes.
SchatzSucherSchatzSucher vor 5 Jahren
Schön aufgedröselt! Und ja, unterschiedliche Meinungen sind wichtig und mehr als erwünscht. So kann man sich ein besseres Bild von einem Duft machen. Das bißchen Knarz nehme ich so manchem Duft in Kauf. Und ich vermute, daß dieser Duft bei mir auch Anklang finden würde.
PollitaPollita vor 5 Jahren
Hahaha, ich mag Zitronengras im Essen auch überhaupt nicht. Genauso wenig wie Ingwer. Im Duft sind das auch nicht meine liebsten Noten. Spannend, dass es da zweierlei Sorten beim Zitronengras gibt.
CravacheCravache vor 5 Jahren
Wenn ein Duft Assoziationen an Speisen hervorruft, dann komme ich meist damit nicht klar. Sehr spannender Kommentar!
Camey5000Camey5000 vor 5 Jahren
Interessanter, bereichernder Kommentar. Danke.
MörderbieneMörderbiene vor 5 Jahren
Ich las zunächst 'verschimmelt britisches'...
Wie auch bei Wellington dürfte mir dieser wohl mehr zusagen als Dir :)