25.10.2019 - 11:50 Uhr
Konsalik
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Konsalik
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31
Das Problem der Molekularküche
"Wir waren gestern in diesem neuen Lokal. Die bieten jetzt auch Molekularküche an."
"Ach, was gab's denn?"
"Wir hatten nur ein Zwischendurch-Gericht von der kleinen Mittagskarte."
"So?"
"Ja. Es gab NATO-Pausenbrot."
"Wie bitte?"
"Leberwurststacheldraht auf Pumpernickelgranaten in Buttertarn. Dazu einen begleitenden Olivengasangriff und in Tannenharz getauchte Gabelzinken für das kulinarische Biwak-Gefühl. Als Getränk wurde Cola Light empfohlen."
"Und, wie war's?"
"Interessant. Eine synästhetische Erfahrung."
"Ich meine: Hat es geschmeckt?"
"Das weiß ich doch nicht."
-----
Keine Sorge, ich habe nicht vor, plumpes Molekularküchenbashing zu betreiben. Das wäre zum einen ziemlich 2010 und zum anderen ungerecht: Dieser Seitenzweig der kreativen Küche hat sicherlich auch heute noch seine Daseinsberechtigung. Der kleine Dialog soll lediglich die Gefahren der zum Selbstzweck verkommenen Kreativität aufzeigen, die sich, vor lauter Machbarkeit dumm geworden, in schrankenloser Kombinatorik ergeht, ohne abseits krummer Metaphern je ein wohlformuliertes Ziel ins Auge zu fassen.
"Île Pourpre" von Les Liquides Imaginaires hat ein vergleichbares Problem. Die Kombination von trocken-dunkler Erdigkeit mit kalt-süßer Beerenfrucht (Eiswein aus dem Sektkühler) passt zwar in der Theorie gut zur namensgebenden "purpurnen Insel", auf der sich wilde, nachtgrüne Vegetation mit exotischem, fremdartigem Fruchtbestand abwechselt. Allerdings bleibt diese Verbindung stets rational, ohne wirklich die Imagination des Riechenden zu beflügeln. Das Bild stellt sich nicht von selbst ein und wirkt dadurch seltsam erklügelt und konstruiert. Das dürfte auch an der recht gewöhnlich-modernen Basis liegen, die bereits nach kurzer Zeit durch das erdig-fruchtige Unterholz hindurchschimmert und eher an ein Büro denn an eine mystisch schillernde Insel in der Ferne denken lässt.
Ich sage nicht, dass eine künstlich aufgeschüttete Insel keinen Reiz haben kann. Nur ist es ein eher technisch-landschaftsbaulicher Reiz und eben kein genuin olfaktorisch-imaginativer. Daher empfehle ich jedem, der sich in der Theorie von der purpurnen Verlockung angesprochen fühlt, ein paar Milliliter zu samplen, bevor er oder sie sich zu einem längerfristigen (und nicht ganz günstigen) Urlaub auf dieser Insel verpflichtet.
"Ach, was gab's denn?"
"Wir hatten nur ein Zwischendurch-Gericht von der kleinen Mittagskarte."
"So?"
"Ja. Es gab NATO-Pausenbrot."
"Wie bitte?"
"Leberwurststacheldraht auf Pumpernickelgranaten in Buttertarn. Dazu einen begleitenden Olivengasangriff und in Tannenharz getauchte Gabelzinken für das kulinarische Biwak-Gefühl. Als Getränk wurde Cola Light empfohlen."
"Und, wie war's?"
"Interessant. Eine synästhetische Erfahrung."
"Ich meine: Hat es geschmeckt?"
"Das weiß ich doch nicht."
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Keine Sorge, ich habe nicht vor, plumpes Molekularküchenbashing zu betreiben. Das wäre zum einen ziemlich 2010 und zum anderen ungerecht: Dieser Seitenzweig der kreativen Küche hat sicherlich auch heute noch seine Daseinsberechtigung. Der kleine Dialog soll lediglich die Gefahren der zum Selbstzweck verkommenen Kreativität aufzeigen, die sich, vor lauter Machbarkeit dumm geworden, in schrankenloser Kombinatorik ergeht, ohne abseits krummer Metaphern je ein wohlformuliertes Ziel ins Auge zu fassen.
"Île Pourpre" von Les Liquides Imaginaires hat ein vergleichbares Problem. Die Kombination von trocken-dunkler Erdigkeit mit kalt-süßer Beerenfrucht (Eiswein aus dem Sektkühler) passt zwar in der Theorie gut zur namensgebenden "purpurnen Insel", auf der sich wilde, nachtgrüne Vegetation mit exotischem, fremdartigem Fruchtbestand abwechselt. Allerdings bleibt diese Verbindung stets rational, ohne wirklich die Imagination des Riechenden zu beflügeln. Das Bild stellt sich nicht von selbst ein und wirkt dadurch seltsam erklügelt und konstruiert. Das dürfte auch an der recht gewöhnlich-modernen Basis liegen, die bereits nach kurzer Zeit durch das erdig-fruchtige Unterholz hindurchschimmert und eher an ein Büro denn an eine mystisch schillernde Insel in der Ferne denken lässt.
Ich sage nicht, dass eine künstlich aufgeschüttete Insel keinen Reiz haben kann. Nur ist es ein eher technisch-landschaftsbaulicher Reiz und eben kein genuin olfaktorisch-imaginativer. Daher empfehle ich jedem, der sich in der Theorie von der purpurnen Verlockung angesprochen fühlt, ein paar Milliliter zu samplen, bevor er oder sie sich zu einem längerfristigen (und nicht ganz günstigen) Urlaub auf dieser Insel verpflichtet.
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