JoHannesIch denke, wir sollten erst einmal definieren, was Duft für jeden einzelnen Menschen bedeutet. Und wie sich das in den letzten Jahren (für mich in die falsche Richtung) entwickelt hat. Ich für mich rieche einfach gerne gute Gerüche. Ich bin diese Woche bei uns in die Küche gekommen und dort wurde gerade ein Tomaten-Tiramisu zubereitet. Das war eine unfassbar leckere Duftmelange. Tomaten (die wirklich nach Tomaten gerochen haben) und frisches Basilikum. Himmel! (Lecker wars dann auch noch.)
Ich selbst trage keine Düfte aus u.a. einem Grund: in den 90ern war ich mit nem Freund in der Oper. Ariodante von Händel (wunderschön), Stehplatz. Er hat sich mit 8 Sprühstössen Colonia Intensa Eau de Cologne eingedieselt. Vor uns auf den Sitzplätzen 3 feine, ältere Damen, die scheinbar eine Guerlain-Challenge ausgetragen haben. Jicky Eau de Parfum und Shalimar Eau de Parfum und weiss was ich was. Ich mag ja eigentlich diese Düfte, aber das fand/finde ich einen narzisstischen Akt. Da kommt man in dieser Inszenierung dann nur noch selbst vor. Ja, da stand ich nun, umgeben von Gerüchen, die weh taten - und eigentlich war ja aber die Bühne der Zweck des Besuchs.Also die Operbühne mit Ann Murray und co.
Was also, wenn alle meine/unsere Düfte "performen" (mich schmerzt diese Begrifflichkeit wirklich)? Im Alltag. Im Büro. In der Öffentlichkeit. In Clubs. Im Restaurant. Gar bei Dates. Und wenn dadurch etwas überdeckt wird, was viel wichtiger ist/wäre: man kann sich riechen. Und warum wollen wir das eigentlich immer mehr und immer intensiver, dieses Schauspiel.
Ich liebe ja auch intensive Düfte. Aber für mich. Intim. Ich will das riechen. Für mich. Daheim. Ich will nicht riechen (ich dusche schon ab und an, keine Sorge). Ich bin doch nicht bescheuert und gebe Geld aus, um mit einem Duft zu "performen". Für wen und was? Selbstwert hole ich mir durch Meditation, Gebet, Selbstreflexion und Reiki. Oder was auch immer.
Immer wenn ich im Alltag draussen jemandem begegne, der sagt: du riechst gut, erschrecke ich erstmal. Weil es dann evtl. zu viel Duft war (was nicht heisst, dass ich manchmal im Atelier mir eine Überdosis Duft gebe. Aber da bin ich dann für mich und dann ist Duft Mittel zum Zweck, im kreativen Sinn).
Daher lässt mich dieses Thema ratlos zurück. Was will man mit starken und lauten Düften erreichen? Vorgaukeln? Verdecken? Insta und Influenza und diese ganzen Ego-Shows lassen grüssen. Und Parfumo ist da leider auch dabei (gebt Euch mal 10 min Ticker). Ich eher nicht. Weil ich möchte, dass der Andere/Nächste dufttechnisch genau so wichtig ist, seinen Platz hat. Und da will ich für mich und die Anderen Rücksicht und Respekt. Weil es nur so zusammen geht (falls wir das noch wollen). Und keine Performance (das Wort schmerzt wirklich). 🍀🔫
Danke, du hast das was mir seid drei Jahren immer verstärkter durch den Kopf ging aufs Haar genau beschrieben. Nur hätte ich nicht so gute Worte dafür gefunden! Das was früher die Musik war mit Postern, Fanartikel, Konzerte scheint aktuell der Hype mit Düften zu sein. Ich denke jedoch in 5-6 Jahren wenn der Hype vorbei ist bleiben diejenigen zurück die weniger Wirkung auf außen hoffen sondern das Hobby aus Leidenschaft für Gerüche ausüben, ganz für sich selbst. Ohne etwas werten zu wollen!