Die Reise in den olfaktorischen Herbst und Winter - Part 8

Die Reise in den olfaktorischen Herbst und Winter - Part 8

"Wer sucht, der geht leicht selber verloren"

(Friedrich Nietzsche (1844 - 1900), deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller)

Danke, Herr Nietzsche, aber ich denke, es ist ohnehin schon zu spät... Denn die Suche geht weiter!

Die neue Woche bringt etwas herbstlicheres Wetter mit und damit auch die Lust auf entsprechende Düfte zurück. Den Anfang macht am Montag ein Duft der interessanten, von Parfümeurin Sonia Constant kreierten Marke "Ella K". Nach dem ich mit Pluie sur Ha Long und Memoire de Daisen-in schon zwei Frühlingsdüfte der Marke besitze und in einem Wanderbrief das ganze übrige Line-Up kennenlernen durfte, sind zwei Düfte als Abfüllungen für die Herbst- und Wintertests bei mir eingezogen. Heute wähle ich den ersten von beiden, Lettre de Pushkar Eau de Parfum. Ich bedufte mich wie üblich auf Haut und Kleidung und mache mich auf den Weg ins Büro. Ich rieche eine opulente, würzige Rose, jedoch ohne die für mich auf Dauer anstrengende üppige Süße, wie beispielsweise in "Une Nuit à Oman - Jardins de Misfah | Une Nuit Nomade". Die Rose ist schön vom Holz und den Gewürznoten durchzogen und steht nicht ganz so im Mittelpunkt, wie in dem anderen Pushkar-Duft Rose de Pushkar. Das Oud kann ich erst im Duftverlauf detektieren, und ich vermute, dass sich meine Nase langsam aber sicher mit der Note anfreundet. Ich rieche eine Holznote, die ich mit altem, antiken Möbel in Verbindung bringe. Diesen Eindruck führe ich gedanklich auf die Anwesenheit von Oud zurück. Meine Kollegin nimmt den Duft im gemeinsamen Büro sofort wahr. Zunächst fragt sie, ob Veilchen enthalten sei. Ich glaube nicht, und kann es nach Blick in die Pyramide auch verneinen. Dann fügt sie hinzu, dass der Duft bei ihr ein ganz bestimmtes Bild erzeugt: Eine alte, traditionelle Parfümerie in Italien, wo Düfte vor Ort angemischt werden. Ein schönes Motiv, in das ich mich auch sofort eindenken kann. Ich mag den Duft gern, obwohl ich nicht der größte Rosen-Fan bin und obwohl es inzwischen so viele Düfte mit Rose-Oud-Kombi gibt, dass es nichts Außergewöhnliches mehr ist. Aber es gibt eben Sympathiepunkte für diesen Duft, denn ich mag die Marke und ich mag die Parfümeurin. Es gibt nicht viele Parfümhäuser, denen eine Frau vorsteht und das finde ich sehr inspirierend. Wenn ich mir also mal einen Rose-Oud-Duft zulegen mag, dann gewiss diesen hier. Tragen würde ich ihn aber eher zu besonderen Anlässen oder abends zum Ausgehen, da gebe ich der Community-Einordnung recht. Sparsam dosiert kann ich ihn mir allerdings auch im Büro vorstellen. Das wäre dann natürlich abhängig davon, wie oft meine Kollegin möchte, dass sich unser Büro in eine alte, urige italienische Parfümerie verwandelt...

Am Dienstag freue ich mich sehr darauf, Oud Satin Mood Eau de Parfum nach langer Zeit eine neue Chance zu geben. Wer Part 6 gelesen hat, kennt die Geschichte schon, die ich mit diesem Duft verbinde. Da ich weiß, dass der Duft recht stark ist, begnüge ich mich also mit zwei Sprühern: einen in den Nacken und einen aufs Kleid (das am Samstag beim Wäsche sortieren immer noch danach riechen wird). Und schon hüllt mich dieses besondere, luxuriöse Gefühl ein. Der Duft wirkt weich und abgerundet, die Rosen sind pudrig und mit Vanille gesüßt. Oud ist wahrnehmbar aber nicht unangenehm oder aufdringlich, sondern ergänzt und rahmt die übrigen Noten hochwertig ein. Ich rieche den Duft den ganzen Arbeitstag, wobei die Sillage natürlich gen Nachmittag hin schwächer wird. Zum Schluss ist die Vanille stark wahrzunehmen, während das Oud schon nahezu verklungen ist. Heute fragt meine Kollegin, ob vielleicht eine Pfirsichnote in meinen Duft sei, weil so eine leicht fruchtige Note in unserem Büro liegt. Ich verneine, und kann auch keine Note in der Pyramide finden, die eine Erklärung für diesen Dufteindruck liefern würde. Aber ich finde heute das Veilchen, dass sie im gestrigen Duft vermute hatte. Naja, jedenfalls findet Sie, dass auch dieser Duft, genau wie der von gestern, wieder diese bestimmte Note hat, die sie an was altmodisches denken lässt. Besonders als ich am Morgen ins Büro kam, konnte sie dies stark wahrnehmen. Ich gehe ganz sehr davon aus, dass es sich dabei ums Oud handelt. Ich bin jedenfalls wieder (oder immer noch) begeistert von dem Duft und habe das Gefühl, dass ich nun soweit hineingewachsen bin, dass ich ihn auch mit Selbstbewusstsein tragen könnte. Zugegebenermaßen ist er vielleicht nichts für jeden Tag, und nie im Leben bräuchte ich einen ganzen Flakon, aber ich weiß, wenn er im Schrank stünde, würde ich in der kalten Jahreszeit des Öfteren nach ihm greifen.

Ab Mittwoch habe ich für den Rest der Woche frei und vergesse morgens direkt mal, mich zu beduften. Wenn ich zur Arbeit gehe, ist das Parfümieren ja ein fester Bestandteil meiner Morgenroutine: Passend zur Stimmung (oder zum Outfit) wird neben Schmuck, Uhr und Brille auch der Duft gewählt. Ganz anders, wenn ich zu Hause bin und nicht vorhabe, das Haus zu verlassen: Da vergesse ich es beim gemütlichen Start in den Tag meist und sprühe dann später was auf, wenn mir danach ist. So auch heute: erst nach dem Mittagessen werfe ich einen Blick auf die bereitstehenden Abfüllungen und wähle eine aus. Meine Augen bleiben an der Abfüllung mit dem größten Beschriftungsetikett hängen und ich weiß ohne zu lesen, dass das nur der zweite hundeköpfige Trussardi sein kann. Den anderen mit einem ähnlich unnötig langen Namen hatte ich letzte Woche schon unter die Lupe (und Nase) genommen. Heute ist nun also Le Vie di Milano - Walking in Porta Venezia dran, den ich gleich auf die Handgelenke auftrage. Und das reicht mir dann auch schon, denn sofort fährt mir eine scharfe Anis-Gewürzmischung in die Nase, ganz schön kräftig und scharf-beißend. Als sich der Duft ein wenig auf der Haut gesetzt hat, rieche ich Kräuterlikör. So einen, den man nach einer üppigen Mahlzeit zur guten Verdauung zu sich nimmt. Hat schon fast was medizinisches und wirkt auf mich doch eher maskulin. Ich weiß direkt, dass das nicht meine Duftrichtung ist, aber abwaschen muss ich ihn dennoch nicht. Im Gegenteil: ich schnuppere immer wieder mit Erstaunen am Handgelenk. Solche Düfte kommen mir nur selten unter. Zuletzt "L'Heure Verte | Kilian", der auch diese Absinthnote hatte. Ist zwar ein spannendes Dufterlebnis, aber nochmal würde ich mich dennoch nicht damit beduften. Was hätten meine Kollegen wohl gesagt, wenn ich heute als Kräuterlikör durchs Büro gewandelt wäre? Am Ende hätte es vielleicht in unserem Büro noch gerochen, als hätten meine Kollegin und ich genüsslich einen gepichelt. Gerade, wo doch bei uns striktes Alkoholverbot am Arbeitsplatz herrscht. Nicht auszudenken!... Um abschließend aber noch etwas für meine Bildung zu tun, wird Porta Venezia gegoogelt. Aha, ein Stadtviertel in Mailand. In einem Artikel lese ich von der lebhaften Aperitivi-Stimmung, die im Viertel bei Sonnenuntergang herrschen soll. Na dann passen Duft und Name hier ja wirklich ziemlich gut zueinander.

Auch am Donnerstag verbringe ich den Vormittag duftlos und wähle erst einen Testkandidaten aus, als ich mich für einen Termin am Nachmittag fertig mache. Die Sonne scheint wieder viel zu warm für Ende Oktober und es sind sicher zwischen 15 und 20 Grad, aber mir ist nach was süßem zumute. Mein Blick fällt auf die Abfüllung von Café Cabanel, den ich als gourmandig in Erinnerung habe. Ohne nochmal großartig drüber nachzudenken ist er auch schon aufgesprüht: Auf beide Handgelenke und von dort seitlich an den Hals getupft. Eigentlich kenne ich den Duft, nur war er mir anscheinend ganz anders im Kopf geblieben. Aber der Wanderbrief liegt ja auch schon ein Weilchen zurück. Ich meine, dass ich die Kaffeenote damals als sehr angenehm empfand. Kaffee rieche ich aber erstmal gar nicht, sondern eher beim Rösten verbrannte Kaffeebohnen. Komisch. Ich rufe die Seite des Duftes auf und schaue nach, was ich hier in der Theorie gerade zu riechen bekomme. Mandarine? Die fehlt in meiner Abfüllung. Karamell und Tonka in der Basis sind aber eindeutig da. Beim Wanderbrieftest hatte ich damals folgendes Statement verfasst: "Vor mir stehen ein leerer O-Saft und ein Cinnamon Latte mit Milchhaube, gesüßt mit Vanille und Tonka. Dazu ein Karamell-Butterkeks. Lecker!" Und so hatte ich ihn eigentlich auch in Erinnerung. Gerade dieses kleine Bisschen Säure von der Mandarine war mir so positiv im Kopf geblieben, weil es den Duft schön ausbalancierte und die süßen und herben Noten perfekt kontrastierte. Heute erkenne ich diese Note nur mit viel gutem Willen und unter Einsatz meiner ganzen Vorstellungskraft. Schade! Ich trage den Duft dennoch gutwillig durch den Termin und den weiteren Nachmittag im Garten. Zum Glück hatte ich sparsam dosiert, es ist nämlich ganz schön warm. Ich kann schonmal soviel sagen: er passt nicht so recht zur Gartenarbeit bei über 20 Grad. Mit der Zeit wird mir die Tonkabohne etwas zu anstrengend. Gemeinsam mit dem gerösteten Kaffee und dem Karamell ergibt sich eine Mischung, die mich entfernt an diesen "burned sugar" denken lässt, der spätestens seit Baccarat Rouge 540 Eau de Parfum ein Begriff ist. Je weiter sich der Duft entwickelt, desto präsenter wird die Tonka. Da ich seit Tonka Impériale und Velvet Tonka weiß, dass ich tonka-zentrische Düfte nicht mag, steht damit auch hier meine Entscheidung fest: Café Cabanel und ich kommen nicht zusammen. Sehr zur Freude meines inneren Verpackungsopfers übrigens, das dem Flakon nämlich so rein gar nichts abgewinnen kann.

Nach einem Blick aufs Thermometer gebe ich am Freitagvormittag wieder klein bei und krame nochmal einen schönwettertauglichen Herbstduft aus, über den mir diese Woche eine liebe Parfuma geschrieben hatte. Mit der fruchtigen Quittennote empfiehlt sich "Pas Ce Soir | bdk Parfums" nämlich geradezu für den Herbst. Den Duft von Quitten finde ich ganz wunderbar. Er war in den letzten beiden Wochen dauerhaft in Muttis Küche anwesend, weil die üppige Ernte verarbeitet werden musste. Dadurch hat Quitte für mich zwei verschiedene aber jeweils traumhafte Duftprofile: zum einen der authentische, säuerliche Duft der Frucht selbst, zum anderen die Kombination aus der Frucht und den vielen winterlichen Zutaten, wie Zimt, Anis, Nelken und Vanille, wenn in der Küche etwas Leckeres aus Quitten entsteht. Im heutigen Duft seht die säuerlich-fruchtige Quitte frisch vom Baum im Vordergrund. Also zumindest nachdem sich Ingwer und Pfeffer ein wenig zurückgezogen haben. Eine leicht blumige Note schwingt noch mit und die späteren Basisnoten sind leider etwas schwach auf der Brust. Deshalb ist der Duft auch auf meiner Haut nicht so wirklich haltbar. Am frühen Nachmittag sprühe ich nach und am Abend ist schon wieder nichts mehr da, weshalb ich für den Restaurantbesuch einen anderen Duft auflegen kann. Mich beschleicht ja schon länger die Vermutung, das bdk und ich einfach nicht miteinander warm werden. Die beliebten Düfte, wie Gris Charnel Eau de Parfum, Rouge Smoking Eau de Parfum und Velvet Tonka konnten mich nicht überzeugen und die, die ich mag, halten an mir einfach nicht. Bouquet de Hongrie Eau de Parfum ist wohl das Paradebeispiel dafür, wobei der auch an allen anderen nicht lang zu halten scheint.

Wenn ich Samstags zu Hause bin, teste ich gern Düfte im Vergleich. Da macht es nämlich nichts, wenn die beiden doch verschiedener sind, als vermutet, und zusammen eine komische Mischung abgeben. Heute treten Allure Eau de Parfum und Allure Eau de Toilette gegeneinander an, die ich zu meiner Überraschung vom Duftcharakter her doch recht ähnlich finde. Das EdP habe ich schon ein paar mal getragen und halte es für einen soliden Allrounder mit ziemlich guter Herbsttauglichkeit. Das EdT gefällt mir im Vergleich nicht so gut. Es wirkt im Auftakt fruchtiger aber nicht so schön ausbalanciert. Das EdP wirkt auf mich harmonischer und runder und gefällt mir deshalb besser. Die Abfüllung des EdT lasse ich darum bei Gelegenheit weiterziehen, das EdP kommt zum Aufbrauchen in den Becher mit Immergeher-Abfüllungen, nach denen ich ohne Nachdenken greifen kann, wenn es mal schnell gehen muss. Wenn die Abfüllung leer ist, wird sich ja zeigen, ob ich diesen Duft vermisse und ein Flakon gerechtfertigt ist.

Mein Resümee für diese Woche ist kurz und knackig: Rose-Oud hat die Nase vorn. Alle beide. Oud Satin Mood Eau de Parfum aber noch knapp vor Lettre de Pushkar Eau de Parfum. Beide Abfüllungen würde ich nochmal bei Minusgraden tragen wollen, um die Duftentwicklung bei kaltem Wetter zu beurteilen, bin aber beiden Düften durchaus zugetan.

Heute wieder mit Bildern in Herbstfarben von Tim Hill auf Pixabay

2 Antworten
FrauMiezeFrauMieze vor 3 Jahren
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Vielen Dank, hab ich wieder total gerne gelesen.Mit den BDK Düften kann ich nicht. Den Oud Satin Mood hab ich nicht gerochen, will ich aber unbedingt testen.
FunkyfranziFunkyfranzi vor 3 Jahren
Danke fürs Lesen :) deine beiden neuesten Blogs stehen noch auf meiner Leseliste. Ich hoffe, in den Favoriten finde ich nicht schon wieder zu viel neue Inspiration... ;)

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