SebastianM
SebastianMs Blog
vor 2 Monaten - 17.03.2024
20 45

Fast ganz selbstgemacht

Ein Vorteil davon, auf Parfumo dabei zu sein, besteht darin, dass man ab und zu an etwas erinnert wird, was man schon fast vergessen hatte. So ging es mir mit Herrn Hans-Georg Staudt (inzwischen einfach "Georg") und MGO Duftanker. Durch einen Wanderbrief von @Chizza hatte ich Grund, mich wieder eingehend mit diesen Parfüms zu beschäftigen, und auch einmal die Website von MGO aufzurufen. Die Duftmanufaktur befindet sich nämlich - wie ich auch schon auf Parfumo erfahren hatte - seit noch nicht sehr langer Zeit an einem neuen Ort, in Arzbach in der Nähe von Bad Ems.

So erfuhr ich von der Möglichkeit, bei Georg einen Parfümworkshop zu buchen. Nachdem @PatrickPdM so etwas woanders bereits mitgemacht und mir bei einem Parfumotreffen wärmstens empfohlen hatte (danke, Patrick, für den Anstoß!), ging es dann recht schnell und schon hatte ich einen Workshop für die Frau, die ich liebe ("A."), und mich selbst gebucht. Um das Fazit vorwegzunehmen: Es war großartig! Auch mit dem Duft, den ich mit Georgs Hilfe zustande brachte, bin ich hochzufrieden. Er duftet wunderbar, er passt zu mir, und er erinnert mich an nichts, das ich kenne. (Ein Parfüm, das ich schätze, unbewusst in seinen wesentlichen Zügen zu reproduzieren, war vor dem Workshop eines meiner größten Bedenken. Am liebsten hätte ich mein Duftgedächtnis mindestens der letzten vier Jahre vor Beginn gelöscht.)

Der erste Eindruck beim Betreten der Duftwerkstatt ist schon überwältigend - so viele Rohstoffe! Wie soll man sich da durchfinden, als Laie? Am besten kommt man mit einem Konzept. Anscheinend besteht die übliche Vorgehensweise beim Parfümentwurf darin, dass man sich Gedanken um Kopf-, Herz- und Basisnote macht, dann gibt es Faustregeln, in welchen Verhältnissen die jeweiligen Bestandteile gemischt werden sollen, et voilá. In unserer beider Fall lief das Ganze etwas anders ab. A. hatte einen Namen für ihr Parfüm im Kopf, davon ausgehend eine visuelle Vorstellung, die der Duft in ihr hervorrufen sollte, dazu eine Stimmung und dazu einige Duftnoten. Ich war sehr beeindruckt! Denn selbst hatte ich lediglich eine vage Vorstellung vom Duftcharakter und ein paar Duftnoten, die ich unbedingt darin haben wollte. Ausgehend von diesen Ideen konnte Georg weitere Bestandteile vorschlagen, und die Auswahl, durch die wir uns unbedingt schnuppern mussten, etwas eingrenzen. Natürlich haben wir dann im Laufe der Zeit trotzdem links und rechts in die verschiedenen, überall bereitgestellten Glasfläschchen hineingerochen, wenn uns etwas interessierte, und manchmal spontan improvisiert, neue Noten aufgenommen, urprünglich angedachte verworfen. Übrigens hätte ich ohne Weiteres ein reines Naturparfüm herstellen können, denn Georg verwendet selbst hauptsächlich natürliche Zutaten, bis hin zum organischen Weingeist für die Verdünnung. Einige Zutaten stellt er selbst her. Allerdings hat ein klein wenig Synthetik schließlich doch Eingang gefunden - es war einfach eine Verbesserung. Auch über Vorschriften habe ich einiges gelernt, z. B. dass man bei individuellen Auftragsarbeiten nicht an IFRA-Regeln gebunden ist. Also her mit dem echten Eichenmoos!

Anfangs gab es noch eine kurze, theoretische Einführung. Dann ging es an die Arbeit. Das Ganze entfaltete sich in zwei Runden. In der ersten Runde ging es darum, dass das Endprodukt gut riechen sollte, dem Konzept entsprechen, die beabsichtigten Emotionen in uns wecken. Nachdem wir unseren ersten Ansatz zusammengestellt hatten, war es Zeit für die Testphase, in der wir unsere Kreationen auf der Haut testeten und analysierten. In der zweiten Phase des Workshops verfeinerten wir das Duftgemisch zu fertigen Parfüms: Georg, da fehlt was, was kann ich tun? Ich möchte noch unbedingt diesen und jenen Effekt erzielen, hast Du eine Idee? Wo habe ich eigentlich das Olibanum hingestellt? - Nach dem ursprünglichen Entwurf ist es diese zweite Phase, in der man wirklich auf Beratung angewiesen ist. Jetzt war das Ziel, dass das Parfüm harmonisch und ausgewogen sein sollte, eine gute Haltbarkeit haben, leben und schweben, gewissermaßen den Regeln der Kunst entsprechen.

So konnten wir beide mit Georgs fachkundiger Hilfe erstaunlich komplexe Resultate erzielen. Als sehr hilfreich und angenehm empfand ich dabei die entspannte und heitere Stimmung, die zum großen Teil Georgs ruhiger, freundlicher Aura zu verdanken war. Seine früheren Leben in verschiedenen Berufen haben ihm eine fast unerschütterliche Gelassenheit verliehen. Kein Missgeschick - und davon verursachten wir leider das ein oder andere - konnte ihn aus der Ruhe bringen. Ich empfinde das Parfüm, das ich gemacht habe, wirklich als meine eigene Schöpfung, so gut konnte Georg sich in meine Duftvorstellungen einfühlen und so zurückhaltend gab er seine Ratschläge. Lehnte ich einen ab, kam sofort der nächste. Der Mann kennt sich einfach aus.

Man darf nicht unterschätzen, wieviel Konzentration und Aufmerksamkeit für so einen Workshop erforderlich sind. Mehr oder weniger vier Stunden am Stück messen, wiegen, rechnen, prüfen, rechnen, wiegen, mitschreiben, nichts vergessen, nichts hinzutun, dabei die Pipetten immer in die richtigen Fläschchen zurückstellen, keine Deckel vertauschen etc. - das ist sogar ziemlich anstrengend. Vielleicht hatte ich auch deshalb am Ende keine Restphantasie mehr, um mir einen Namen für mein Parfüm auszudenken. Inzwischen hat es wenigstens einen Arbeitstitel. Es ist schade, dass man auf Parfumo keine individuell definierten Parfüms in seine Sammlung aufnehmen kann. So fristet dort jetzt ein Stellvertreter sein Dasein, den sonst niemand besitzt und der thematisch irgendwie passt. Das Rezept für mein Unikat habe ich mitgenommen und zur Sicherheit fotografiert. Man weiß ja nie: Vielleicht möchte ich es eines Tages doch einmal nachproduzieren lassen. Auch das wäre möglich.

Übrigens liegt Arzbach in einer Gegend, in der es viele hübsche Wanderwege gibt, und anständig zu essen gibt es auch. Also.

20 Antworten