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SebastianMs Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 1 Jahr - 11.02.2023
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Ein Besuch in der Profumeria Naldi

Auch in Bologna ist der Frühling angekommen, die ganze Stadt leuchtet in warmen gelben und roten Tönen,

überall herrscht umtriebige Lebensfreude.

Ich hatte mir für diesen Vormittag einen Besuch in der Parfümerie Naldi vorgenommen. Sie ist das älteste Haus am Platz und besteht nunmehr im 81. Jahr. Bereits der Großvater der jetzigen Inhaber stand an demselben Ort hinter dem Tresen.

Gleich wenn man den zugleich freundlichen und auf unprätentiöse Weise vornehmen Verkaufsraum betritt, heißt Signora Naldi einen willkommen. Nach wenigen Worten erkennt sie, dass der Gast - so fühlt man sich eher denn als Kunde - sich mehr schlecht als recht mit dem Italienischen abplagt und wechselt in ein fließendes Englisch. Der Gast, trotz aller offensichtlichen Mängel nicht wenig stolz auf seine Sprachkenntnisse, will die Zeichen der Zeit nicht wahrhaben und so entwickelt sich ein munteres Gespräch, in das auch der ein oder andere französische Sprachfetzen noch einfließt. Die Mutter der Signora verfolgt das alles sichtlich amüsiert und nicht wenig verwundert. Die Verwunderung der beiden Damen steigt jedoch noch deutlich, als dieser seltsame Mensch eine alberne und dem Ambiente auf groteske Weise unangemessene Marzipandose aus seiner Tasche kramt,

die mit Proben angefüllt ist, und Signora Naldi bittet, doch ihrerseits auch das ein oder andere zu probieren. Der Gast hat gut vorausgeplant, daher hat er einiges dabei, was nicht zum Sortiment gehört und durchaus Eindruck macht. Dazu gehören Düfte von Zoologist, Les Indemodables, St. Clair, Atelier Materi etc. Während einiger Stunden kümmern sich die beiden Signore Naldi und ihre Mitarbeiterin zuvorkommend um jeden Kunden, während meine Gesprächspartnerin jede freie Minute nutzt, um an den Tisch, der dafür inzwischen mit Beschlag belegt wurde, zurückzukehren, das nächste Mitbringsel zu testen und ihrerseits immer neue Vorschläge zu machen, von denen viele zu ihrer Freude sehr gut ankommen. Auch der Gast (der Charakter des Gesprächs ist wirklich nicht der eines Verkaufsgesprächs) lernt einige neue Parfüms und Marken kennen. Besonders angetan ist er von MarrakeshMarrakesh und Kill the LightsKill the Lights, während Signora Naldi ihren Streifen mit "Vanille Havane | Les Indémodables" nebenher sorgfältig in eine Schublade legt, damit er bloß nicht verloren geht. Nach einiger Zeit sieht das dann so aus;

In Anbetracht der vergnüglichen Stimmung bitte ich darum, ein Foto machen zu dürfen. Die ältere der Damen findet sich leider nicht fotogen genug (schade), aber die anderen beiden sind nicht so schüchtern.

(rechts im Bild mit den blonden Haaren Signora Naldi)

Bald wird es Zeit für die Mittagspause sein, die Stunden verfliegen, da möchte ich doch noch, dass Signora Naldi auch an meinen Vintage-Düften schnuppert, zum Beispiel habe ich ihr En Avion (Parfum)En Avion Parfum mitgebracht. "Oh, very vintage" und sie verschwindet kurz, um mit einem Tester von Chevalier d'Orsay (Eau de Toilette)Chevalier d'Orsay Eau de Toilette wieder zu erscheinen. Die Pyramide bei Parfumo ist ganz eindeutig eine andere, als die, die sie kennt. Alles vermerkt auf dem Flakon:

Tatsächlich hat sie von diesem eingestellten, wunderbaren Schatz noch zwei Flakons. Ich kann mich nicht zu 200 ml durchringen, das ginge gegen alle Prinzipien, aber strahlend wie ein Honigkuchenpferd lasse ich mir den Flakon zu 100 ml einpacken.

(Das Bild entstand erst nach meinem Besuch, zu der Fotografie im Hintergrund gibt es auch eine Geschichte, die ich vielleicht ein andermal erzähle.)

In einer Stadt, die nur so angefüllt ist mit Kunstwerken und Kostbarkeiten einen Parfümeriebesuch als besonderes Ereignis zu empfinden ist vielleicht nur einem eingefleischten Parfumo verständlich. Heute wurde mir wieder einmal klar: Düfte können Herzen öffnen.

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