Serafina
Serafinas Blog
vor 10 Jahren - 13.12.2015
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Fest der Liebe - eine Illusion?

Vorbermerkung:

ich schreibe diesen Text aus Sicht derer, für die Weihnachten ein Familienfest ist. Denjenigen, die Weihnachten in christlicher Tradition feiern, werden einige Passagen evtl. gegen den Strich gehen.

Vorhin war ich auf dem Weihnachtsmarkt meiner Heimatstadt in Oberfranken. Nebenbei - mit "KL" (Vintage) beduftet, das passte bestens!

Sicher verstärkt durch den Becher Heidelbeerglühwein, aber auch grundsätzlich, stimmen Weihnachtsmärkte (oder generell jeder Form von Weihnachtsdekoration) mich ein wenig melancholisch - obwohl ich durchaus ein Freund davon bin - geben doch die Lichter und der glitzernde Schmuck dem ersten Teil des kalten Wintern noch ein halbwegs freundliches, warmes Gesicht! Aber sie stellen für mich doch einen idealisierten Traum einer Welt dar, in der wir - wenn überhaupt - als Kinder im Vorschulalter leben durften. Als die Welt noch in Ordnung war und wir beschützt und behütet waren. Nein, natürlich war auch diese Zeit nicht angstfrei - Angst vor dem Dunkel, vor bösen Träumen, vor dem Alleinsein gab es auch- aber das vergisst man als Erwachsener zumeist. Sicher, auch solch eine schöne Kindheit haben/hatten nicht alle von uns!

Und doch werden an das Weihnachtsfest nur allzu oft große Erwartungen gesetzt! Harmonie, Freude, Glück...Doch wie sieht es wirklich aus? Gerade unter dieser Erwartungshaltung kommt es besonders an diesen Tage oft zu Streitereien! Besonders wenn viele Leute einer Familie über mehrere Tage zusammen sind...Das war bei meinen Eltern auch nicht anders - allerdings erst so richtig, als mein Vater schwer krank wurde - da war ich immerhin schon 10 Jahre alt. Obwohl ich als verwöhntes Einzelkind mit Geschenken überhäuft wurde, fühlte ich mich schon damals oft fremd in dieser Welt!

Gerade Weihnachten ist oft eine schwierige Zeit für all die Menschen, die vom Partner verlassen wurden, die einen geliebten Menschen verloren haben, oder die eben aus anderen Gründen alleine sind. Partnerbörsen haben dann Hochkonjunktur...

Ich muss zugeben, dass ich als Dauer-Single auch in der Vorweihnachtszeit oft meine Freundinnen beneidet habe, die für ihr Partner Adventskalender gebastelt und Geschenke besorgt haben. Meine Geschenke - meist selbst gebackene Plätzchen - an die Männer meines Herzens (keiner von ihnen erwiderte meine Gefühle) wurden meist nur mit einem Ausdruck des "unangenehm Berührtseins" angenommen und zumeist an Kollegen oder andere verteilt. Ich hatte mir aber auch immer Männer ausgesucht, die unerreichbar waren! Irgendwann sagte mir dann eine Freundin ins Gesicht: "nur wer sich selbst liebt, wird auch von anderen geliebt und kann Liebe überhaupt annehmen!" Eine bittere Wahrheit! Mit der ich aber zu Ende leben werde - mit allen Konsequenzen! Seit mir das klar ist, habe ich mich nicht mehr verliebt.

Aber ich will nicht klagen! Nach dem Tod meines Vaters im Sommer 1986 verbrachte ich viele harmonische und geruhsame Weihnachten zusammen mit meiner Mutter. In einigen Jahren kam auch meine Tante dazu, die aber 2003 verstarb. Mir kommt jetzt wieder die Nikolaus-Geschichte von Simetra in den Sinn, die mich sehr bewegt hat! Eine (intakte) Familie und Menschen, die einen lieben, sind (neben Gesundheit) mit das allerhöchste Gut! Man merkt es aber meist erst dann so richtig, wenn man es verloren hat...

2012 war das letzte Weihnachtsfest mit meiner Mutter, 2013 starb sie nach schwerer Krankheit. Zu wissen, dass ich fast 45 Jahre vorbehaltlos von ihr geliebt wurde, ist ein großer Schatz! (Für sie trifft die oben erwähnte bittere Wahrheit offenbar nicht zu - ihre Liebe konnte ich annehmen!) Aber das Leben ist kalt geworden...ich gehöre nun seit 2 Jahren auch zu der Schar der Verlassenen an Weihnachten!

Sicher, Freunde sind viel wert! Die Überzeugung, im Beruf sinnvolles zu tun und zumindest nicht sofort ersetzbar zu sein, gibt auch viel. Es fehlt aber die Geborgenheit! Ein klein wenig davon verspüre ich noch, wenn eine meiner Katzen neben meinem Kopf schläft und ihre Pfoten auf meinen Hals legt.

Aber ich habe keinen emotionalen Rückhalt mehr! Es ist, als ob man ohne warmen Mantel in der eisigen Kälte steht und der Wind des Lebens einem gnadenlos ins Gesicht bläst! Was soll man entgegen setzen? Manche finden im Glauben einen Halt - ich gehöre nicht dazu! Mir bleibt nur meine innere Stärke - der absolute Lebenswille! Die Haltung des kämpferischen Pessimisten: "Das Leben ist gegen mich, aber ich versuche dennoch, zu bestehen!" Und auch die Überzeugung, dass ich nur diese eine Chance habe. Meine verkorkste, unbedeutende Seele ist an die Funktion meiner Nervenzellen gebunden und wird eines Tages mit ihnen vergehen...für immer!

Aber ich möchte hier nicht mit meinen düsteren, atheistischen Überlegungen enden! Ich werde Weihachten wie auch die beiden letzten Jahre, bei einer geschiedenen Freundin und ihren beiden halbwüchsigen Söhnen verbringen. Es war die letzen beiden Jahre sehr harmonisch.

Freundschaft ist eben auch ein hohes Gut!

Nachtrag:

Mittlerweile bin ich wieder daheim. Die 1,5 Tage bei der Freundin und ihren beiden Jungs waren wieder sehr schön! Einziger Wermutstropfen: einer der beiden Jungs hat sich einen Infekt eingefangen und liegt seit gestern im Bett. Aber es war wieder sehr gemütlich und harmonisch! Was ich aber damit vor allem sagen will: es gibt so viele in unserem persönlichem Umfeld, die eben nicht oder nicht mehr Familie oder Partner haben! Natürlich kann man versuchen, (wieder) jemanden für eine Beziehung zu finden, aber ich denke, es ist noch sinnvoller, dass die, die alleine sind, sich als Freunde gegenseitig Halt geben. Für mich persönlich ist das mein Weg in meine Zukunft!

11 Antworten
JoschJosch vor 10 Jahren
Chapeau.
OlinehexchenOlinehexchen vor 10 Jahren
Ich kann dich nur zu gut verstehen. Mein Partner ist letztes Jahr am 1. Dezember ausgezogen, nach 15 Jahren. Für mich kam seine Ankündigung aus heiterem Himmel und traf mich entsprechend, denn ich wollte mit ihm alt werden. Ich hab viel falschgemcht, aber wenn man es nicht merkt, aus welchen Gründen auch immer und wenn es einem niemand sagt, wie soll man es dann wissen? Letztes Weihnachten war das traurigste in meinem Leben. Ich hoffte, dass das neue Jahr besser wird, aber es dauerte lange, bis es wirklich besser wurde. Es hat sich manches zum Positiven gewendet und meine 3 Schäferhunde haben mir in der schweren Zeit viel Halt gegeben. Sie wissen, wann ich Trost brauche. Mir ist vieles über den Kopf gewachsen und mit manchen Dingen kämpfe ich immernoch. Aber ich stehe zu mir, mit allen meinen Fehlen und Vorzügen. Mir passen die alten Sachen wieder und ich fühle mich komischerweise jetzt so attraktiv wie schon lange nimmer. Ich hab Freunde, die keine Zeit für mich haben, aber nette Kollegen. irgendwie hatte ich Angst vor Weihnachten, vor dem Urlaub. Ich bin immernoch alleine mit meinen Hunden, aber ich hab schon seit einiger Zeit das, was immer heißt "lass uns Freunde bleiben". Meistens geht es mir damit gut, manchmal auch nicht. Heute ist wieder mal so ein Tag. Die Sonne scheint und ich gehe dann mit den Hunden in den Wald, denn "wenn du Kummer hast oder Sorgen, dann geh hinaus in den Wald..." Die Hoffnung stirbt zuletzt! Alles Liebe für dich!
SeeroseSeerose vor 10 Jahren
"Manchmal sieht man die Liebe auch nicht, weil man nach dem falschen "Typ" Ausschau hält." Astrea. Du hast ja so recht! Man fliegt auf Typen, die einfach nicht gut für einen sind. Muss man sich aber erst klar machen, wer, welcher, wie, was, warum. Manchmal ist es nur das Äußere. Oder die falschen machen einen an. Dann kommt die Überlegung: Wenn, was "brauche" ich wirklich? Zuerstmal jemand, der eine ernsthafte feste Beziehung will. Das bedeutet, dass es jemand sein kann, der einem deshalb nicht gleich wegen des Äußeren zu Füßen liegt. Aber zur aktuellen Situation. Ich habe es schon woanders geschrieben: Brauchst Du das Weihnachtsgefühl wirklich so? Wenn Du es nicht hast, es nicht entsteht, wenn Du noch traurig bist, dann ist das doch ebenso richtig. Wir sind doch keine Gefühlautomaten! Wir sollen uns annehmen wie wir sind und den Schalter umwerfen: Positiv an! Aber das geht nicht! Leg eine Musik auf, die Dich im Innersten berührt, die alles rausspült. Oder schaue Dir die Dinge an, die Dich erinnern. Es geht doch nicht weg, wenn Du alles meidest, was Dich von der angestrebten Stimmung abbringen könnte. Dann ist alles nur grau und leer. Warum darf man an Weihnachten nicht traurig sein? Es ist auch nur ein Zeitabschnitt im Leben, zufällig gewählt. Und oft ist das, was man sich wünscht, wenn man es bekommt, es so passiert, ganz anders als man das gemeint und erwartet hatte. Und auch, wenn Du sehr traurig davon bist, feiere ein Stück so Weihnachten, wie Du es mit der geliebten schmerzlich vermissten Person getan hast, tun würdest. Ganz für Dich und lass die Gefühle zu, die da sind, die dann kommen. Warum denn gehen die Menschen in Konzerte, Gottesdienste, Orte und Ereignisse des Gedenkens? Genau weil sie etwas nachempfinden wollen. Nur so kannst Du ruhiger werden, der große Schmerz wird verebben, wenn Du ihn, so oft Du das brauchst, zulässt. Warum nicht gerade an Weihnachten? Da hat man Zeit und Ruhe dazu. Sollte man haben. Und da Du alleine bist, glaube mir, auch das ist ein Geschenk, kann es sein, gerade an Weihnachten, kannst Du allem Raum geben. Ich wünsche Dir wie sagt man: Besinnliche, gesegnete Weihnachten.
AstraeaAstraea vor 10 Jahren
Ich war bis vor einigen Jahren auch Dauersingle. Das Wichtigste ist wirklich sich anzunehmen und zu lieben wie man ist. Niemand ist perfekt. Der Eine zu dick, der Andere zu dünn. Ich bin zu dick und mein Mann liebt mich, wie ich bin. Er findet mich noch nicht mal dick, aber nach heutigem Maßstab bin ich es definitiv. Jeder ist auf seine Weise schön. Manchmal sieht man die Liebe auch nicht, weil man nach dem falschen "Typ" Ausschau hält. Ging mir jedenfalls so...:) Weihnachten ist die Zeit der Erinnerungen, der Kreis wird langsam auch immer kleiner. Manchmal kommt es mir vor, als wären alle noch lebendig, in irgendeiner Form...daran glaube ich.
ZoraZora vor 10 Jahren
Liebe Serafina. Ich finde es mutig und menschlich liebenswert wie offen Du bist. Dein Beitrag macht mich sehr betroffen. Aus mehreren Gründen. Zum einen war ich auch ein Einzelkind und Deine Beschreibung als Kind kommt mir sehr vertraut vor. Meinen geliebten Vater verlor ich als junge Frau vor Weihnachten. Seither ist mein Glaube und mein Gefühl für Weihnachten mit gestorben. Ich erfreue mich an den Lichtern, weil ich das Dunkel nicht mag, aber eine andere Bedeutung hat es für mich nicht mehr. Und was die Liebe betrifft so sollte das ganze Jahr Weihnachten sein, alles andere ist nur Schein. Liebe kennt keine Weihnachten. Und wenn Du lächelnd vor dem Spiegel stehst, siehst Du wirklich eine unbedeutende Seele?. Du siehst eine lächelnde und herzliche Seele. Schau mit dem Herzen und nicht mit den Augen. Lächle dem Leben zu und es wird Dir bestimmt zurück lächeln. Das wünsche ich Dir von Herzen zu Weihnachten und drücke Dich ganz lieb.
Esther19Esther19 vor 10 Jahren
Liebe Serafina,
deine Zeilen haben mich sehr berührt. Weihnachten mit Familie ist natürlich schöner - am allerschönsten war es mit den kleinen Kindern, die man noch richtig überraschen konnte. Aber später ist es auch noch schön, wenn auch liebe Familienmitglieder mittlerweile nicht mehr da sind...Es sind immerAbschiede dabei, durch das Älterwerden usw. Ich verstehe, dass Du manches vermisst. Vielleicht nagst du zu sehr an dir selbst, ich schätze, unnötigerweise. Du bist klug, hast Interessen - zweifle nicht zu viel und stelle dich selbst nicht in die Ecke. Nimm dich an! Ich drücke dich mal und wünsche dir ein schönes Fest . GLG
MargamotteMargamotte vor 10 Jahren
Ich finde Deinen Blog sehr berührend und sehr mutig! Nicht jeder redet so offen über sein Leben und sein Empfinden, und gerade zu Weihnachten sind wir doch (fast) alle dünnhäutiger. Eigentlich kenne ich niemanden, dem Weihnachten egal ist. Freundschaft ist wirklich ein hohes Gut, ich freue mich mit dir, dass Du Heiligabend in so netter Gesellschaft verbringen kannst. Einen schönen dritten Advent.
JoHannesJoHannes vor 10 Jahren
ps. ich feiere Weihnachten mit mir alleine, wahrscheinlich mit Kerzen, schöner Musik und offenen Türen im Atelier (gegenüber einer grossen Stadtkirche) ... das wird ein Fest! Ab dem 1. Feiertag stehe ich dann den Familien- und Freundesplänen zur Verfügung ... wenn du Lust hast, komm einfach vorbei. Dann machen wir ein schräges Weihnachtsfest. Mittelfranken ist nah! ;-)
JoHannesJoHannes vor 10 Jahren
Fang heute an, dich selbst zu lieben. Schreib dir auf, was du an dir magst, was dich ausmacht (da wird es eine Menge geben). Schreib dir auf, was du alles hast. Schreib dir auf, für was du dankbar bist. Visualisiere, wie ein perfekter Partner für dich aussieht. Einfach Bilder vor Augen haben, wie das ist. Und dann schaue, was dir im Leben passiert ... es kommt nämlich immer das, was man denkt, fühlt ... und irgendwann der Tod. Und: schaue niemals auf deine Mängel, denn das sind nur Bilder, die du von anderen hast. Die zählen nicht! Glück auf!
PlutoPluto vor 10 Jahren
Bis vor ein paar Jahren saßen wir dicht gedrängt bei uns mit 10 Mann am Esstisch, dann starb meine Mutter, im selben Jahren wurden meinem Vater die Beine amputiert und er kam ins Heim. Seit dem ist Weihnachten nicht mehr dasselbe, auch wenn es stressig zuging und die Feste nicht immer nur hamonisch waren, Nun teilen wir uns auf und fahren ins Heim. Ich wünsch dir ein schönes Weihnachtsfest bei deiner Freundin, ein Essen mit Freunden an Weihnachten ist oft unbeschwerter als erzwungene Harmonie in der Familie.
HoneyHoney vor 10 Jahren
Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Auch war war nach dem Tod meiner Eltern verloren in dieser Zeit. Ich habe die Weihnachten wie ein "Wanderpokal" mal hier, mal da verbracht. Es war nicht schön. Für mich hat sich die Welt noch einmal komplett zum positiven geändert und mit dieser Freude, die ich jetzt zu Weihnachten (wieder) spüre, möchte ich dich mit Mut beschenken. Du bist nicht allein. Ich wünsche dir alles Liebe, C.

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