01.12.2022 - 16:31 Uhr
Midnights
27 Rezensionen
Midnights
Top Rezension
28
So scarlet, it was maroon...
Mein erster Blindkauf. Wer Düfte so körperlich erleben und bildhaft beschreiben kann wie Aaron Terence Hughes, muss ein guter Pafumeur sein, oder? Oder sind die plakativen Duftnamen wie "Boss Bitch" oder "Slut" eher ein Warnzeichen? Ich habe Aaron Terrence Hughes spät entdeckt, aber umso stärker lieben gelernt. Also zack, zwei Düfte blind bestellt, einer davon "Raw Cherry". Erwartet habe ich ein "Duftmonster", etwas, was den Atem verschlägt und vielleicht sogar irritiert, eine Gourmand-Bombe... Ich habe nicht den Duft bekommen, den ich mir erhofft, aber einen, den ich dringend gebraucht habe. Dies ist kein "Duftmonster", nicht ansatzweise, dies ist kein witziger Duft für Zwischendurch. Dies ist ein fantastisches, inspiriertes und facettenreiches Werk, in das ich mich beim ersten Auftragen unsterblich verliebt habe.
Der Auftakt ist stark: eine dunkelrote Kirsche, in Likör getränkt, dazu eine zitrische Spitzigkeit, nicht zu frisch, aber gerade frisch genug, um der Kopfnote die Schwere zu nehmen. Dieser Auftakt ist traumhaft ausbalanciert. Er ist gourmandig lecker, weckt Lust auf mehr und lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Gleichzeitig präsentiert er sich dunkelrot und tief, eine leicht rauchige, holzige Note lauert im Hintergrund, was den Duft erwachsen und classy wirken lässt. Trotz der Tiefe stellt sich von Beginn an eine schöne Leichtigkeit und Lebensfreude ein. Eine fantastische und sehr gelungene Gratwanderung, welche ich bei vielen Gourmand-Düften vermisse.
Die Zitrusfrüchte verabschieden sich weitgehend und bleiben höchstens sehr dezent im Hintergrund. Zur Kirsche gesellt sich Schokolade. Und was für eine: dunkel, sinnlich, mit hohem Kakaoanteil. Das hier ist eine Delikatesse, hier wird nicht die ganze Tafel gereicht, in kleinen Stücken wird diese Schokolade genossen. Dieser Duft ist süss, keine Frage. Aber dies ist keine zuckrige, schwere, alles erschlagende Süsse, welche im Nachgang nur schwer auf dem Magen liegt. Dies ist eine erlesene Süsse, ein nuanciertes Werk eines Chocolatiers, vollmundig, erhaben, mit einer zartbitteren Note. Die Tonkabohne schmiegt sich weich in das Gesamtbild ein, die holzigen Noten geben einen sanften Rahmen vor, der den Duft an den Enden nicht ausfransen lässt und als Gesamtwerk schön zusammenhält. Überhaupt lässt sich erahnen, mit wie viel Hingabe hier jeder einzelnen Note Beachtung geschenkt wurde. Jede einzelne brilliert für sich und ist wirklich (!) gut wahrnehmbar. Zusammen geben sie eine wunderbare Komposition ab, verstärken und stützen sich. Hier wurde nicht wie wild gemixt, sondern sanft und überlegt gelayert.
Schon von der Kopfnote an sind zwei Noten im Hintergrund wahrzunehmen: Oud und Vanille. Die Vanille hat eine Luftigkeit, auch wenn dies paradox klingen mag. Sie trägt den Duft, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Ihre Süsse ist mild und exquisit. Und dann dieses Oud... Hier kratzt nichts, hier sticht nichts, dieses Oud ist weich, sanft und rund. Aber nur weil dieses Oud traumhaft verarbeitet und grossartig in den Duft eingearbeitet ist, bedeutet dies nicht, dass es nur lieblich ist. Dieses Oud hat Fülle, Gewicht, Schwere, Kontur, es lullt ein, leicht rauchig, holzig, narkotisierend... Im weiteren Duftverlauf übernimmt zunehmend das Oud die Regie. Gelegentlich schaut die Rose vorbei, wenn auch ganz kurz. Die Kirsche ist stets präsent, mal weiter vorne, mal im Hintergrund, zusammen mit der Schokolade und ummantelt vom Oud bleibt sie das Herzstück der Kreation. Die Likör-Note schwingt während der ganzen Zeit sanft im Hintergrund mit, doch plötzlich stolpert der Duft und kippt erneut in ein Likörgläschen. An manchen Tagen rieche ich Amaretto, an anderen Rum. Die sanfte Boozyness steht der delikaten Süsse gut zu Gesicht.
Im Dry Down wird der Duft zunehmend schwächer, bewahrt sich aber die beschriebenen Noten. Sie werden weicher und konturloser, bis ein angenehmer, warmer und würzig-süsser Hauch auf der Haut zurückbleibt.
Dieser Duft ist grosse Liebe für mich, ein erwachsener, stilvoller Kirschduft, tiefgründig, sinnlich, sehr sexy... Er hält bei mir über 10 Stunden, ohne aufdringlich zu sein. Ich konnte ihn nach der ersten Woche nicht mehr wahrnehmen, wurde (und werde) aber laufend darauf angesprochen, was für einen traumhaften, besonderen Duftschweif ich um mich habe. Ich liebe es, dass der Duft hält, was der Auftakt verspricht, dass sein Verlauf überraschend ist, beim jeden Tragen ein wenig anders, aber dass er sich dabei stets das Herzstück bewahrt (Kirsche / Schokolade / Oud / leichte Boozyness).
Nachtrag vom 12.07.2023:
Nach einiger Zeit Pause habe ich an einem Regentag erneut zu "Raw Cherry" gegriffen. Was ist hier geschehen? Die Kirsche, vorher natürlich und prall, schien mir stechend künstlich. In der Basis konnte ich eine satte Portion Synthetik wahrnehmen, immer noch dunkel, aber definitiv anders. Eine kleine Internet-Recherche ergab, dass auch andere dieses Phänomen beobachtet hatten. Ich bin verwirrt und frage mich, ob diese Veränderung nach so kurzer Zeit damit zusammenhängt, dass ich einen frischen Batch erwischt habe. ATH produziert ja nicht in grossen Mengen. Jedenfalls schade, ich musste den Duft weiterziehen lassen. Entsprechend ist die Bewertung von 9 auf 6 korrigiert.
Der Auftakt ist stark: eine dunkelrote Kirsche, in Likör getränkt, dazu eine zitrische Spitzigkeit, nicht zu frisch, aber gerade frisch genug, um der Kopfnote die Schwere zu nehmen. Dieser Auftakt ist traumhaft ausbalanciert. Er ist gourmandig lecker, weckt Lust auf mehr und lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Gleichzeitig präsentiert er sich dunkelrot und tief, eine leicht rauchige, holzige Note lauert im Hintergrund, was den Duft erwachsen und classy wirken lässt. Trotz der Tiefe stellt sich von Beginn an eine schöne Leichtigkeit und Lebensfreude ein. Eine fantastische und sehr gelungene Gratwanderung, welche ich bei vielen Gourmand-Düften vermisse.
Die Zitrusfrüchte verabschieden sich weitgehend und bleiben höchstens sehr dezent im Hintergrund. Zur Kirsche gesellt sich Schokolade. Und was für eine: dunkel, sinnlich, mit hohem Kakaoanteil. Das hier ist eine Delikatesse, hier wird nicht die ganze Tafel gereicht, in kleinen Stücken wird diese Schokolade genossen. Dieser Duft ist süss, keine Frage. Aber dies ist keine zuckrige, schwere, alles erschlagende Süsse, welche im Nachgang nur schwer auf dem Magen liegt. Dies ist eine erlesene Süsse, ein nuanciertes Werk eines Chocolatiers, vollmundig, erhaben, mit einer zartbitteren Note. Die Tonkabohne schmiegt sich weich in das Gesamtbild ein, die holzigen Noten geben einen sanften Rahmen vor, der den Duft an den Enden nicht ausfransen lässt und als Gesamtwerk schön zusammenhält. Überhaupt lässt sich erahnen, mit wie viel Hingabe hier jeder einzelnen Note Beachtung geschenkt wurde. Jede einzelne brilliert für sich und ist wirklich (!) gut wahrnehmbar. Zusammen geben sie eine wunderbare Komposition ab, verstärken und stützen sich. Hier wurde nicht wie wild gemixt, sondern sanft und überlegt gelayert.
Schon von der Kopfnote an sind zwei Noten im Hintergrund wahrzunehmen: Oud und Vanille. Die Vanille hat eine Luftigkeit, auch wenn dies paradox klingen mag. Sie trägt den Duft, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Ihre Süsse ist mild und exquisit. Und dann dieses Oud... Hier kratzt nichts, hier sticht nichts, dieses Oud ist weich, sanft und rund. Aber nur weil dieses Oud traumhaft verarbeitet und grossartig in den Duft eingearbeitet ist, bedeutet dies nicht, dass es nur lieblich ist. Dieses Oud hat Fülle, Gewicht, Schwere, Kontur, es lullt ein, leicht rauchig, holzig, narkotisierend... Im weiteren Duftverlauf übernimmt zunehmend das Oud die Regie. Gelegentlich schaut die Rose vorbei, wenn auch ganz kurz. Die Kirsche ist stets präsent, mal weiter vorne, mal im Hintergrund, zusammen mit der Schokolade und ummantelt vom Oud bleibt sie das Herzstück der Kreation. Die Likör-Note schwingt während der ganzen Zeit sanft im Hintergrund mit, doch plötzlich stolpert der Duft und kippt erneut in ein Likörgläschen. An manchen Tagen rieche ich Amaretto, an anderen Rum. Die sanfte Boozyness steht der delikaten Süsse gut zu Gesicht.
Im Dry Down wird der Duft zunehmend schwächer, bewahrt sich aber die beschriebenen Noten. Sie werden weicher und konturloser, bis ein angenehmer, warmer und würzig-süsser Hauch auf der Haut zurückbleibt.
Dieser Duft ist grosse Liebe für mich, ein erwachsener, stilvoller Kirschduft, tiefgründig, sinnlich, sehr sexy... Er hält bei mir über 10 Stunden, ohne aufdringlich zu sein. Ich konnte ihn nach der ersten Woche nicht mehr wahrnehmen, wurde (und werde) aber laufend darauf angesprochen, was für einen traumhaften, besonderen Duftschweif ich um mich habe. Ich liebe es, dass der Duft hält, was der Auftakt verspricht, dass sein Verlauf überraschend ist, beim jeden Tragen ein wenig anders, aber dass er sich dabei stets das Herzstück bewahrt (Kirsche / Schokolade / Oud / leichte Boozyness).
Nachtrag vom 12.07.2023:
Nach einiger Zeit Pause habe ich an einem Regentag erneut zu "Raw Cherry" gegriffen. Was ist hier geschehen? Die Kirsche, vorher natürlich und prall, schien mir stechend künstlich. In der Basis konnte ich eine satte Portion Synthetik wahrnehmen, immer noch dunkel, aber definitiv anders. Eine kleine Internet-Recherche ergab, dass auch andere dieses Phänomen beobachtet hatten. Ich bin verwirrt und frage mich, ob diese Veränderung nach so kurzer Zeit damit zusammenhängt, dass ich einen frischen Batch erwischt habe. ATH produziert ja nicht in grossen Mengen. Jedenfalls schade, ich musste den Duft weiterziehen lassen. Entsprechend ist die Bewertung von 9 auf 6 korrigiert.
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