05.06.2015 - 13:00 Uhr

Sarungal
69 Rezensionen

Sarungal
Top Rezension
29
Kapriziöses Understatement
München. 30° Celsius. Blitzblauer Himmel.
Ich schnüffle mich bei Ludwig Beck durch einen Teil meiner Merkliste, rieche Spannendes (Acqua di Sale), angenehm Irritierendes (Sel Marin) und vergleichsweise Harmloses (Nasengold). Ich lasse mir Zeit und ersticke zwischendrin meine Lungenbläschen mit dem Aroma von Kaffeebohnen. Die Atmosphäre ist freundlich-aufgeschlossen, der Verkäufer an meiner Seite engagiert, geduldig und offensichtlich mit der Materie vertraut.
Also ändere ich die Strategie: „Ich hätte gerne was mit Weihrauch, frisch darf’s dennoch sein, gerne sommerlich, von mir aus auch mit ungewöhnlicheren Noten.“
Merkliste adé, Nase eigentlich hinüber, aber was soll’s.
Der Verkäufer überlegt nicht lange, krallt sich einen sehr dekorativen Flakon und nebelt einen Streifen ein. „Weihrauch in der Basis!“, meint er noch und hält mir das Papier hin.
Hui! Das ist ja mal n Knaller. Sauer mit dezenter Süße. Rhabarber vom Tomatenbusch.
Geht das? Und wie – als ob die beiden aufeinander gewartet hätten. Mag sein, dass sich irgendwo im Bouquet noch ein Apfel versteckt oder sogar ein paar Beeren – meine Nase nimmt vor allem den von Tomatenblättern umrankten Rhabarber wahr. Faszinierend, denkt es mich. Ich schiebe Spock rasch ins Off und schnüffle erneut. Spannend, aufregend, wohlriechend, appetitlich, herausfordernd, genial!
Beim Preis setzt Ernüchterung ein: 210 Euro für den zugegebenermaßen exorbitant schönen Flakon samt Inhalt? Ich denke Schöneberger reziprok und frage, ob’s das auch in klein gibt. Gibt es – 3 x 12 ml für 95 Euro. Immer noch ne Menge Asche, aber die Hemmschwelle wird unterschritten. Zum Abschied gibt’s noch ne wolkige Beduftung mit Aedes de Venustas durch den Verkäufer. (Den 10-Prozent-Nachlass, den ich beim Bezahlen gar nicht registriert hatte, bemerke ich erst auf dem Kassenzettel. Merci. Monsieur!)
Einige Stunden später. Ich rieche einen typischen Sarungal-Nasenschmeichler: Weihrauch mit einer Spur Vetiver, jetzt möglicherweise verwoben mit zartesten Nußaromen. Sehr angenehm und immer noch äußerst gekonnt komponiert: Das ist Basis auf hohem, vielleicht höchstem Niveau. Aber wo ist der fulminante Auftakt hin? Wo ist mein Tomatenblatt, das sich botanisch so wunderbar verwegen mit dem Rhabarber gekreuzt hatte, wo die Frische der Kopfnote?
Die Nase taucht ab in die heimischen Bohnenvorräte. Kurze Pause, dann ein neuer Versuch. Eine Ahnung immerhin ist noch übrig vom grandiosen Start, wenn auch tief hineingesackt in den Weihrauch. Sehr distinguiert und edel gibt sich Aedes de Venustas jetzt – eine durch und durch vornehme Komposition. Der Mut zur Einzigartigkeit aber hat sie verlassen; übrig bleibt Konvention, wenn auch von superber Qualität. Schade!
Ungeachtet dieser nicht geringen Einschränkung freue ich mich, den Duft gekauft zu haben: Ich schätze die Förmlichkeit, die seine Basis auszeichnet. In höchstem Maße aufregend aber ist der Beginn: Wie da der Gemüse-Frucht-Akkord auf dem noch sehr zurückhaltenden Weihrauch Kapriolen schlägt – das ist große Kunst!
Die Haltbarkeit ist – wir sprechen von einem Eau de Parfum – anständig, die Sillage vor allem eingangs respektabel. Ihre Entwicklung folgt dem Duftverlauf und endet vergleichsweise rasch im eher körpernahen Bereich.
Einen Vorteil übrigens hat die etwas unausgewogene Entwicklung dieses Dufts: Er will und kann sich nicht auf eine Jahreszeit festlegen. Nach dem sehr sommerlichen Start entwickelt sich Aedes de Venustas hin zu einer so freundlichen Feierlichkeit, dass ich beinahe in der Christmette lande…
PS: Die Bewertung in Prozenten bereitet mir Schwierigkeiten. Die Kopfnote verdient mühelos 100 %, die saubere, exzellente Basis immer noch 80%; dass ich bei diesem Wert bleibe, ist allein der allzu kurzen Intro geschuldet.
PPS: Um die Relation zu meinen anderen Duftbewertungen zu wahren, erhält Aedes de Venustas 10% Abzug = 70%. Hintergrund: in diesem Preissegment ist mir die kurzlebige brillante Kopfnote allein nicht genug, um den Duft höher zu bewerten, zumal die Basis nach wiederholtem Test tatsächlich nicht mehr hergibt als tolles, aber etwas fades, vielfach erschnuppertes Handwerk. Genau diese Basis aber ist es, die über weite Strecken die Präsenz des Dufts bestimmt....
Ich schnüffle mich bei Ludwig Beck durch einen Teil meiner Merkliste, rieche Spannendes (Acqua di Sale), angenehm Irritierendes (Sel Marin) und vergleichsweise Harmloses (Nasengold). Ich lasse mir Zeit und ersticke zwischendrin meine Lungenbläschen mit dem Aroma von Kaffeebohnen. Die Atmosphäre ist freundlich-aufgeschlossen, der Verkäufer an meiner Seite engagiert, geduldig und offensichtlich mit der Materie vertraut.
Also ändere ich die Strategie: „Ich hätte gerne was mit Weihrauch, frisch darf’s dennoch sein, gerne sommerlich, von mir aus auch mit ungewöhnlicheren Noten.“
Merkliste adé, Nase eigentlich hinüber, aber was soll’s.
Der Verkäufer überlegt nicht lange, krallt sich einen sehr dekorativen Flakon und nebelt einen Streifen ein. „Weihrauch in der Basis!“, meint er noch und hält mir das Papier hin.
Hui! Das ist ja mal n Knaller. Sauer mit dezenter Süße. Rhabarber vom Tomatenbusch.
Geht das? Und wie – als ob die beiden aufeinander gewartet hätten. Mag sein, dass sich irgendwo im Bouquet noch ein Apfel versteckt oder sogar ein paar Beeren – meine Nase nimmt vor allem den von Tomatenblättern umrankten Rhabarber wahr. Faszinierend, denkt es mich. Ich schiebe Spock rasch ins Off und schnüffle erneut. Spannend, aufregend, wohlriechend, appetitlich, herausfordernd, genial!
Beim Preis setzt Ernüchterung ein: 210 Euro für den zugegebenermaßen exorbitant schönen Flakon samt Inhalt? Ich denke Schöneberger reziprok und frage, ob’s das auch in klein gibt. Gibt es – 3 x 12 ml für 95 Euro. Immer noch ne Menge Asche, aber die Hemmschwelle wird unterschritten. Zum Abschied gibt’s noch ne wolkige Beduftung mit Aedes de Venustas durch den Verkäufer. (Den 10-Prozent-Nachlass, den ich beim Bezahlen gar nicht registriert hatte, bemerke ich erst auf dem Kassenzettel. Merci. Monsieur!)
Einige Stunden später. Ich rieche einen typischen Sarungal-Nasenschmeichler: Weihrauch mit einer Spur Vetiver, jetzt möglicherweise verwoben mit zartesten Nußaromen. Sehr angenehm und immer noch äußerst gekonnt komponiert: Das ist Basis auf hohem, vielleicht höchstem Niveau. Aber wo ist der fulminante Auftakt hin? Wo ist mein Tomatenblatt, das sich botanisch so wunderbar verwegen mit dem Rhabarber gekreuzt hatte, wo die Frische der Kopfnote?
Die Nase taucht ab in die heimischen Bohnenvorräte. Kurze Pause, dann ein neuer Versuch. Eine Ahnung immerhin ist noch übrig vom grandiosen Start, wenn auch tief hineingesackt in den Weihrauch. Sehr distinguiert und edel gibt sich Aedes de Venustas jetzt – eine durch und durch vornehme Komposition. Der Mut zur Einzigartigkeit aber hat sie verlassen; übrig bleibt Konvention, wenn auch von superber Qualität. Schade!
Ungeachtet dieser nicht geringen Einschränkung freue ich mich, den Duft gekauft zu haben: Ich schätze die Förmlichkeit, die seine Basis auszeichnet. In höchstem Maße aufregend aber ist der Beginn: Wie da der Gemüse-Frucht-Akkord auf dem noch sehr zurückhaltenden Weihrauch Kapriolen schlägt – das ist große Kunst!
Die Haltbarkeit ist – wir sprechen von einem Eau de Parfum – anständig, die Sillage vor allem eingangs respektabel. Ihre Entwicklung folgt dem Duftverlauf und endet vergleichsweise rasch im eher körpernahen Bereich.
Einen Vorteil übrigens hat die etwas unausgewogene Entwicklung dieses Dufts: Er will und kann sich nicht auf eine Jahreszeit festlegen. Nach dem sehr sommerlichen Start entwickelt sich Aedes de Venustas hin zu einer so freundlichen Feierlichkeit, dass ich beinahe in der Christmette lande…
PS: Die Bewertung in Prozenten bereitet mir Schwierigkeiten. Die Kopfnote verdient mühelos 100 %, die saubere, exzellente Basis immer noch 80%; dass ich bei diesem Wert bleibe, ist allein der allzu kurzen Intro geschuldet.
PPS: Um die Relation zu meinen anderen Duftbewertungen zu wahren, erhält Aedes de Venustas 10% Abzug = 70%. Hintergrund: in diesem Preissegment ist mir die kurzlebige brillante Kopfnote allein nicht genug, um den Duft höher zu bewerten, zumal die Basis nach wiederholtem Test tatsächlich nicht mehr hergibt als tolles, aber etwas fades, vielfach erschnuppertes Handwerk. Genau diese Basis aber ist es, die über weite Strecken die Präsenz des Dufts bestimmt....
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