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Somebody
Top Rezension
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Wie es hätte sein können
Vor einigen Jahren bereiste ich Marokko. Fes, Agadir, Marrakesch, das Atlasgebirge. Eine Menge Erlebnisse und für mich stand schnell fest, dass dies meine letzte Reise dorthin sein würde.
Von den Eindrücken, die ich mitnahm, waren viele nicht positiv. Nirgendwo wurden mein Begleiter und ich so aggressiv und respektlos belästigt wie dort, obwohl wir uns weder freizügig kleideten noch sonst dem touristischen Negativklischee entsprechend verhielten.
Aus einem fahrenden Auto rief man uns nationalsozialistische Parolen entgegen.
Mein Begleiter wurde mehrmals aufgefordert, mich gegen Kamele einzutauschen.
Wie ein Marokkaner hierzulande reagieren könnte, dem die Einheimischen ein paar Kühe im Tausch gegen seine Frau anböten, möchte ich mir gar nicht vorstellen.
Und ständig und überall die penetrante Forderung nach Bakschisch, sobald man sich außerhalb der geschützten Hotelanlagen frei bewegte.
Nach unserer Rückkehr legte ich Marokko gedanklich zu den Akten.
Vor einiger Zeit entdeckte ich in einem Naturwarengeschäft die Voyage à-Serie von Florascent und die hübschen kleinen Fläschchen zogen mich sofort an.
Cannes und Capri entsprachen nicht so sehr meinem Geschmack, aber die eher orientalisch angehauchten Varianten Granada und Fes waren recht ansprechend und so ist es ein schöner Zufall, dass der nach einer marokkanischen Stadt benannte Duft letztendlich den Weg in meine Sammlung fand.
Nach dem Auftragen befinde ich mich direkt auf einem orientalischen Souk. Eine Vielzahl an kleinen Säcken mit den unterschiedlichsten gemahlenen, geschroteten oder ganzen Gewürzen ist vor dem Besucher ausgebreitet und erfüllt die Luft mit ihrem Duft.
Bunt gekleidete Frauen preisen mit melodischem Singsang ihre Ware an und laden lächelnd zum Kosten ein.
Hier hat die Gewürznelke ein gewichtiges Wort mitzureden und dominiert klar den anfänglichen Verlauf.
Immer mal wieder wird sie von der Rosengeranie, die teils regelrecht zitrisch daherkommt, unterbrochen.
Dann entführt mich der Geist der Lüfte in eine karge, steppenähnliche Landschaft und ich rieche trockenes, staubiges Heu.
Weiß gekleidete Männer haben ihre Kamele zusammengetrieben, sitzen im Kreis, erzählen die Erlebnisse des Tages und lassen die Wasserpfeife herumgehen.
Der Wind der Wüste treibt ausgedörrte Pflanzenbüschel vor sich her und die kehligen Laute der Kamele schallen über die Dünen.
Nach diesen doch recht unterschiedlichen Phasen schwingt sich der Duft auf einer sanftwürzig-orientalischen Ebene ein.
Immer wieder meine ich eine Ahnung von Rose zu erhaschen, aber die Blumen spielen hier eindeutig die untergeordnete, lediglich ausbalancierende Rolle.
Zum Schluss klingt meine Nasenreise mit mildem Balsamduft sanft aus.
Bei untergehender Sonne liege ich auf weichen Polstern unter einem hellen Stoffdach, trinke lauwarmen Tee aus fein ziselierten Bechern, atme den Duft von Räucherharzen und lausche den Geräuschen der Wüste.
Ich hätte meine Erinnerungen an Marokko so gern mit diesem schönen Duft in Einklang gebracht.