FvSpee
22.01.2020 - 09:22 Uhr
30
Top Rezension
6.5Duft 7Haltbarkeit 4Sillage

Weltenherrscher in Jogginghosen

Mit dem Programm von Fort & Manlé bin ich nun zu etwa Zweidrittel durch und erkenne gewisse Muster: Herr Fort liebt Essbares (Obst ist nie verkehrt, ab und zu gönnt man sich auch mal eine Kalorienbombe). Seine Lieblingsblume ist eindeutig die Rose. Und bei den Namen der Düfte überrascht er uns gerne: Fantasievolles im Stil von "Mr. Mitsubishi jodelt gerne auf dem Motorrad in rosa Socken" stehen neben Wässerchen, die ganz unprätentiös nach den großen Männern der Weltgeschichte benannt sind. Wie dieser hier.

Über Sultan Mehmed II., genannt Fatih ("der Eroberer") hat Don Juan im Vorkommentar ja schon etwas berichtet. Ich setze da mal an und füge hinzu, dass er einer der ganz großen Herrschergestalten der Weltgeschichte war. Er brachte in seiner langen Herrschaftszeit das von ihm regierte Osmanische Reich zur Hochblüte in allen Bereichen, kulturell, architektonisch, wirtschaftlich, als großer Gesetzgeber - und militärisch. Obwohl es nach ihm Sultane gab, die noch größere Gebietsvergrößerungen erreichte, eroberte er nämlich auch kräftig dazu: Serbien und Bosnien vor allem. Und natürlich Konstantinopel (dazu gleich noch mehr), wofür er auch postum den Beinamen "der Eroberer" bekam. In seinem Rang als Herrscher steht er sicher einem Julius Cäsar oder einem Karl dem Großen nicht nach, und wenn ihn - und mit ihm auch andere außereuropäische Herrschergestalten ersten Ranges, wie den sehr sympathischen indischen Kaiser Ashoka - hierzulande kein Schwanz kennt (außer, wie anzunehmen ist, Mitglieder der Community der türkischen Zuwanderer), dann sagt das einiges über unsere eurozentrische Ignoranz aus.

Ihn zu kennen heißt allerdings nicht unbedingt, ihn zu mögen. Ich mag ihn leider gar nicht. Dafür gibt es mindestens einen eher "subjektiven" und einen eher "objektiven" Grund.

Der subjektiv geprägte ist eben der, dass Mehmed - gleich nach seiner Thronbesteigung - im Jahr 1453 Konstantinopel eroberte. Das alte oströmische Reich war seit vielen Jahrhunderten nur noch geschrumpft und bestand zuletzt im Grunde nur noch aus seiner Hauptstadt am Bosporus, die allerdings noch immer eine Legende war: Trotz allem Niedergang noch immer unglaublich schön, unglaublich reich und mit unglaublich mächtigen, riesigen Festungsmauern. Und noch immer (und noch bis heute!) das geistige Zentrum des orthodoxen Christentums weltweit. Der frischgebackene Sultan sah das als Herausforderung und Chance. Er ließ einen Ratgeber, der ihm die Sache als zu riskant ausreden wollte, mit der (vielleicht nicht falschen) Begründung abmurksen, er sei vom oströmischen Kaiser bezahlt. Dann befahl er die Belagerung und den Sturm. Was dann geschah, kann man z.B. im Klassiker "Die Eroberung von Konstantinopel" von Steven Runciman nachlesen. Es ist eine Geschichte von heldenmütiger, aber aussichtsloser Verteidigung; Kaiser Konstantin XI. selbst fiel kämpfend an den Toren der Stadt. Es ist eine Geschichte von Verrat und Gleichgültigkeit, denn Venedig und die anderen Westmächte schickten die versprochene Unterstützung viel zu spät und in lächerlich geringem Umfang. Für die Freunde von Tolkien: Das Ganze war ein bisschen wie die Schlacht von Helms Klamm, nur dass am Ende weder die Elben noch die Ents kamen. Am Ende wurde Konstantinopel zu Istanbul und zur neuen Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Wenn ich deshalb schlecht auf Mehmed zu sprechen bin, dann nicht wegen der kaum vorstellbareren Gewalt gegen Zivilisten: Nach dem Sturm wurde nämlich fröhlich gemetzelt und gemeuchelt. Die Mädchen und Frauen wurden vergewaltigt (was die Staatspropaganda bejubelte), und was hernach noch lebte wurde in die Sklaverei geführt. Diese Exzesse waren seinerzeit nichts Besonderes und es gab kein Gesetz, das sie verboten hätte. An die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konventionen dachte ja noch keiner. Mein Groll ist daher nicht moralischer, sondern strikt parteiischer Art: Meine Sympathien gelten dem tapferen letzten Kaiser und ich weine mit den letzten Byzantinern (und Römern) über ihr trauriges Los. Nicht weil sie "besser" waren als die Osmanen, sondern weil ich mir nun einmal die Freiheit nehme, als Römer zu fühlen.

Objektiv allerdings ist mein Zorn auf Mehmed, weil er eine - auch für damalige Maßstäbe - barbarische Institution, wenn nicht erfand und zum Gesetz erhob (dass er sie zum Gesetz machte, behaupten einige, andere widersprechen), dann doch jedenfalls salonfähig und zur faktischen Norm machte: Den dynastischen Brudermord: Da die osmanischen Gesetze keinen klaren Thronfolgevorrang für den erstgeborenen Sohn der Hauptfrau kannten, waren alle Söhne des Herrschers potenzielle Thronfolger, sodass Mehmed es für klug hielt, nach seiner Thronbesteigung (mindestens) einen (noch kindlichen) Bruder im Bett ersticken zu lassen. So wurde es die nächsten 200 Jahre zum Standard: Verkürzt gesagt: Die Sultane zeugten Söhne und erzogen sie so lange fürstlich, bis sicher war, dass mindestens einer dabei war, der thronwürdig war. Wenn es dem dann gelang, Nachfolger zu werden, wurden alle anderen routinemäßig mit der Bogensehne erdrosselt. Oder, so die etwas geregeltere Variante, der Vater nahm die Dinge in die Hand und ließ selbst alle überzähligen Söhne erwürgen, um es dem Wunschnachfolger zu ersparen, sich die Hände schmutzig zu machen.

Ich frage mich, was diese grauenvolle Art der Staatsräson mit den Menschen gemacht hat: Was waren das für Herrscher, die vor der Inthronisierung zuerst erleben mussten, gleichzeitig zum potenziellen Nachfolger aufgepäppelt zu werden und mit dem Risiko leben zu müssen, am nächsten Morgen erwürgt zu werden? Und deren erste Regierungserfahrung es war, ein Brüder-Massaker abzuhalten? Was machte das mit deren Seelen? Was mit denen des Hofstaates und der Minister? Was für Begriffe von "Staat" und "Pflicht" hatten diese Leute? Ich kann mir kaum etwas Abstoßenderes vorstellen. Wer sich näher dafür interessiert, kann vielleicht zur "Zeitschrift für Balkanologie" (gibt es wirklich), Jahrgang 2019, Seite 53 ff., greifen und den Beitrag von Murat Caglayan "Brudermord im Osmanischen Reich" lesen. Ich hab's noch nicht getan. Fest steht jedenfalls, dass verglichen damit Prinz Harry sich nicht beklagen kann, dass er nun mit der schönen Meghan Markle auf Vancouver Island Charity machen muss, ohne den Titel "Royal Highness" zu führen.

Darf man einen Duft nach Mehmed II. benennen? Klar. Auch wenn es für mich ein Grund wäre, ihn nicht zu kaufen, rein subjektiv. Was man aber nicht darf, ist einen Herrscher-Duft so lau riechen zu lassen. Ich hab nach dem Auftragen fast laut loslachen müssen. Nette süße Fruchtigkeit zum Auftakt, dann auch ein bisschen in Richtung sanfte Tabakblätter, ein harmloses Spiel würziger Nötchen, dann ein holzigerer, fester, stabiler, aber etwas nichtssagender Ausklang. Brudermörder in Jogginghosen, Weltenbezwinger beim Naschen von Fruchtkompott.

Nachzutragen: Mehmed II regierte 30 Jahre (und starb an Verfettung); dieser Duft dankt früh ab. Der echte Sultan erweiterte sein Reich und brachte es zum Strahlen, das nach ihm benannte Parfüm ist von eher mickriger Projektion.
23 Antworten
Jade89Jade89 vor 5 Jahren
9
Sehr frustrierter Kommentar. Auch ein gewisses Maß an Hass kommt durch - schade! Mein Geschichtslehrer wärst du jedenfalls nicht.
An dich & die ganzen Mitläufer unter deinem Kommentar: Wir alle gehören zur Menschheitsfamilie.
SupaturkSupaturk vor 6 Jahren
2
Was hat der Duft mit deinem unglaublich falschen Kommentar zur osmanischen Geschichte zu tun? Du solltest dich mal ein wenig mehr informieren, anstatt hier Propaganda gegen über Fatih Sultan Mehmet zu betreiben. Naja, ich bin ganz stolz, dass ich nach ihm benannt wurde.
Grützi
VinskyVinsky vor 6 Jahren
5
Leider falsche Infos, sei doch kein Neron; man muss ja auch niemanden mögen aber die Geschichte ist bereits geschehen und nicht so wie du‘s beschilderst!!
Ich empfehle dir mehr Recherchen zu führen..
F.M.S war zu seiner Zeit ein Genie, Zudem gab er (Ferman) Befehle das sie
weiterhin Religionsfreiheit haben u. Infrastruktur kosmopolitisch bleibt!
Parfum ist echt eine Geschmack Sache
PS:Er wurde von sein leiblichen Arzt vergiftet LG, Vincent
YukikoYukiko vor 6 Jahren
Ich hätte bei dir wohl sehr gerne Geschichtsunterricht gehabt ! ;-)
StanzeStanze vor 6 Jahren
Über Ashoka gabs mal eine Doku im ZDF. Das habe ich zufällig gesehen. Mehmed II. kannte ich aber wirklich noch nicht. Klingt auch nicht nach einem netten Zeitgenossen. Geschichte schreiben natürlich die Sieger und klar, dann ist er the "greatest of all sultans", wie Herr Fort schreibt. Man kann ja nicht immer nur Leute abschlachten, ab und zu liegt man auf weichen Kissen und stopft sich den Wanst voll. Das hat er dann wohl gut abgebildet. ;)
KovexKovex vor 6 Jahren
Da fragt man sich schon, was sich die Marketingstrategen dabei gedacht haben. Das war jedenfalls ein interessanter Streifzug durch die Geschichte.
RobGordonRobGordon vor 6 Jahren
gut nachvollziehbarer Kommentar (auch die Wertung;))
AugustoAugusto vor 6 Jahren
Da soll noch einer sagen, bei parfumo lerne man nichts - Geschichte in Düften, auch wenn Sie dem nicht gerecht werden. Dein Resumée ist große Klasse. Den Duft brauchen wir nicht zu probieren.
KonsalikKonsalik vor 6 Jahren
Eine in dieser Zeit von den Allermeisten nicht mehr gepflegte Übung der seelischen Bemeisterung, den (historischen) Feind und (moralischen) Erzwiderling in seiner Größe im Amt zu respektieren und zugleich das - nennen wir es der Einfachheit so - parteiisch-eigene ohne Ironie zu betrauern. Konstantin ist wirklich eine beweinenswerte Figur. Da nur noch weniger als 150 Zeichen übrig sind, schließe ich hier und bedanke mich für diesen erneut formidablen Brückenschlag. Der Duft? Egal, scheint's.
PlutoPluto vor 6 Jahren
Du machst ja glatt Tilman Röhrig Konkurrenz :o)
MeggiMeggi vor 6 Jahren
Menno, nach Helms Klamm kamen nur die Ents (ein paar) und Huorns (ganz viele). Das mit den Elben hat ein Drehbuchautor erdichtet. *motz*
Aber mal im Ernst: saustark!
JanjiJanji vor 6 Jahren
Bei mir ist er auch sehr stark und hält lange. Durch die Süße passt er zwar wirklich nicht zu Mehmet dem "Eroberer", aber meiner Meinung nach sehr wohl zu Mehmet dem "Sultan" und ist einen Test wert.

Deine Ausführung zur geschichtlichen Seite finde ich sehr interessant.
Toller Kommentar
YataganYatagan vor 6 Jahren
Tolle Darstellung. Irgendwie gefiel mir der Duft - seltsamerweise. :)
SiebenkäsSiebenkäs vor 6 Jahren
Neben den vielen interessanten historischen Details (ich gestehe, nur wenig davon gewusst zu haben) ist es vor allem die enorme Fallhöhe, die diesen Kommentar so wunderbar + pointiert macht - vom grausamen Weltenlenker zur banalen Joggingbux. Schön finde ich auch die Tatsache, dass ein Duft rein olfakorisch einen Lacher auslösen kann.
Wobei ich auch schon beim Vergrößern des Flakonsfotos ob des Sultanbildchens grinsen musste.
Melisse2Melisse2 vor 6 Jahren
Den Duft hast Du mir jetzt gründlich ausgeredet. Habe aber nicht den Eindruck etwas zu verpassen.
Can777Can777 vor 6 Jahren
Nicht alles was Rang und Namen hat muss auch noch gut riechen. Kommt aber öfters vor! Sehr aufschlussreich!..;)
SchatzSucherSchatzSucher vor 6 Jahren
Deiner Geschichtsstunde bin ich aufmerksam gefolgt. Dem Duft werde ich nicht hinterherjagen, Obst in Düften mag ich nicht immer und von Rose-Oud brauche ich erstmal eine Pause, auch wenn der Duft leise ist.
GelisGelis vor 6 Jahren
Trotz des Namens und der historischen Person, die da hinter steht, finde ich die Duftpyramide recht interessant. Vielleich habe ich ja mehr Glück, was Haltbarkeit und Ausstrahlung angeht. Merkliste.
TtfortwoTtfortwo vor 6 Jahren
Niemand hier versteht es dermaßen meisterhaft, Zu-wissen-müssendes mit wissenswerten Nebenbeiigkeitgen, einer feinen Dosis Humor, einer riesengroßen Portion Menschlichkeit und einer handfesten Duftbeschreibung zu eiinem tollen Kommentar zu amalgamisieren. Wenn hier jemals sowas wie einen Lebenswerkpokal zu vergeben wäre, wärst Du mein Vorschlag.
FloydFloyd vor 6 Jahren
Ich kenne diesen nicht, aber die Fort und Manles fand ich bislang durchweg gut. Der Titel Deines Kommis weckt, wenn man ihn in Relation zu Text setzt, herrlich schräge Assoziationen. Ansonsten: Danke für die unterhaltsame und auch etwas subjektive Geschichtsstunde!
MelisandeMelisande vor 6 Jahren
Wow!!! Wenn das mal nicht ein unterhaltsamer und äußerst informativer Geschichtesexkurs war. Danke! Und Frucht im Duft mag ich eh nicht ;-).
PollitaPollita vor 6 Jahren
Danke für diese ausführliche Lektüre. Bei Dir erfährt man immer wieder Interessantes aus der Historie, das lese ich sehr gerne. Den Duft fand ich jetzt nicht verkehrt, würde ihn aber auch nicht kaufen wollen.
VerbeeneVerbeene vor 6 Jahren
bei mir hält er locker 7 stunden und ist alles andere als lau.