05.02.2017 - 14:35 Uhr

Meggi
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37
Beinahe fremd
Sie war sich noch nicht im Klaren darüber, ob sie sich jetzt ärgern sollte oder nicht. Mit einem beinahe Fremden im Bett zu landen, war keineswegs ihre Art. Beinahe fremd. Hm. Was sollte das denn sein?
Na ja, wie sollte man sonst jemanden nennen, den man erst am Vorabend bei einer Autorenlesung getroffen hatte? In der Pause hatten sie ein paar Worte gewechselt und waren hinterher zusammen eine Kleinigkeit essen gegangen, um die losen Fäden der Lesung weiterzuspinnen. Einer Laune folgend hatte sie ihn noch auf einen Kaffee zu sich eingeladen, wohl wissend, dass eine solche Einladung als eine nicht allein zum Kaffee verstanden – oder missverstanden – werden konnte. Sie selbst hatte tatsächlich nur an Kaffee gedacht. Na ja, jedenfalls zu neunundneunzig Prozent.
Vorher geahnt oder gar geplant hatte sie zumindest nichts. Dann hätte sie sicherlich am Nachmittag die dunkelblaue Bettwäsche aufgezogen, die ihrem Teint am meisten schmeichelte. Am Ende war das aber natürlich alles völlig egal gewesen. Sie hatten beim Kaffee und später bei einem Glas Wein geredet, gelacht, bis hin zu den ersten, vorgeblich neckenden Berührungen, aus denen schließlich - wie ein jäher Fall in die Tiefe - ein scheinbar endloser, ernsthaft schweigender Blick und ein gieriger Kuss geworden war. Gesprochen hatten sie danach nicht mehr viel.
Nun lag sie auf dem Bauch, den Kopf in die Hände gestützt und die Beine angewinkelt, während sie den schlafenden Mann betrachtete. Sie beugte sich behutsam vor, um den Rest seines Duftes wahrzunehmen. Den ganzen Abend hatte sie ihn gern gerochen. Zunächst heller, harzig-weißer Weihrauch mit ein bisschen Gewürz dabei, das sie nicht hätte benennen können. Zudem eine Ahnung von Frische, wie Eukalyptus vielleicht. Irgendwann ein Hauch von Vanille-Süße. Im Laufe der Zeit hatte sich daraus ein Aroma von Hölzern, milden Gewürzen und sogar etwas wie Honig entwickelt. Als sie einander in den Armen gelegen hatten, hatte sie direkt auf seiner Haut eine üppigharzig-dunkelholzige Note verspürt, in reizvollem Wechselspiel mit dezenter Vanille.
Jetzt war lediglich stiller, holziger Rauch mit einer Spur Süße verblieben. Immer noch erotisch, doch weiterhin auf jene subtil-niveauvolle Art wie am Abend zuvor, jene Art, die genau seinem Wesen zu entsprechen schien. Wenigstens hoffte - und glaubte - sie, ihn richtig gedeutet zu haben. Dass er das Besondere ebenso empfunden hatte wie sie. Konnten binnen eines Abends und einer Nacht aus Fremden Vertraute werden? Und war sie dazu überhaupt bereit?
Plötzlich musste sie an die niederträchtigen Bemerkungen ihres Nun-Ex-Freundes denken, den sie neulich hinausgeworfen hatte, nachdem die Geschichte mit der Studentin aufgeflogen war – vermutet hatte sie derlei ohnehin schon eine Weile. Noch durch die geschlossene Wohnungstür hatte er ihr zum Abschied Gemeinheiten über intime Details ihres Äußeren zugebrüllt, zweifellos zum Entzücken der Nachbarschaft. So ein Arschloch. Tagelang war sie jedes Mal rosa angelaufen, wenn sie im Treppenhaus jemandem begegnet war.
Warum eigentlich? Warum hatte sie sich von dieser hässlichen Sache bloß derart runterziehen lassen können? Idiotisch. Als ob sie sich mit einer jungen Göre vergleichen lassen müsste. Mal ehrlich, um das zu erkennen, hätte es nicht des Mannes neben ihr bedurft. Trotzdem war es schön gewesen, sich so begehrt zu fühlen.
Sie hatte bereits die Hand gehoben, um ihn sanft anzustupsen, ließ sie aber wieder sinken. Sie würde ihn später wecken. Sie hatten doch den ganzen Tag Zeit. Womöglich viel länger. Vorsichtig stand sie auf, um Kaffee zu kochen.
Na ja, wie sollte man sonst jemanden nennen, den man erst am Vorabend bei einer Autorenlesung getroffen hatte? In der Pause hatten sie ein paar Worte gewechselt und waren hinterher zusammen eine Kleinigkeit essen gegangen, um die losen Fäden der Lesung weiterzuspinnen. Einer Laune folgend hatte sie ihn noch auf einen Kaffee zu sich eingeladen, wohl wissend, dass eine solche Einladung als eine nicht allein zum Kaffee verstanden – oder missverstanden – werden konnte. Sie selbst hatte tatsächlich nur an Kaffee gedacht. Na ja, jedenfalls zu neunundneunzig Prozent.
Vorher geahnt oder gar geplant hatte sie zumindest nichts. Dann hätte sie sicherlich am Nachmittag die dunkelblaue Bettwäsche aufgezogen, die ihrem Teint am meisten schmeichelte. Am Ende war das aber natürlich alles völlig egal gewesen. Sie hatten beim Kaffee und später bei einem Glas Wein geredet, gelacht, bis hin zu den ersten, vorgeblich neckenden Berührungen, aus denen schließlich - wie ein jäher Fall in die Tiefe - ein scheinbar endloser, ernsthaft schweigender Blick und ein gieriger Kuss geworden war. Gesprochen hatten sie danach nicht mehr viel.
Nun lag sie auf dem Bauch, den Kopf in die Hände gestützt und die Beine angewinkelt, während sie den schlafenden Mann betrachtete. Sie beugte sich behutsam vor, um den Rest seines Duftes wahrzunehmen. Den ganzen Abend hatte sie ihn gern gerochen. Zunächst heller, harzig-weißer Weihrauch mit ein bisschen Gewürz dabei, das sie nicht hätte benennen können. Zudem eine Ahnung von Frische, wie Eukalyptus vielleicht. Irgendwann ein Hauch von Vanille-Süße. Im Laufe der Zeit hatte sich daraus ein Aroma von Hölzern, milden Gewürzen und sogar etwas wie Honig entwickelt. Als sie einander in den Armen gelegen hatten, hatte sie direkt auf seiner Haut eine üppigharzig-dunkelholzige Note verspürt, in reizvollem Wechselspiel mit dezenter Vanille.
Jetzt war lediglich stiller, holziger Rauch mit einer Spur Süße verblieben. Immer noch erotisch, doch weiterhin auf jene subtil-niveauvolle Art wie am Abend zuvor, jene Art, die genau seinem Wesen zu entsprechen schien. Wenigstens hoffte - und glaubte - sie, ihn richtig gedeutet zu haben. Dass er das Besondere ebenso empfunden hatte wie sie. Konnten binnen eines Abends und einer Nacht aus Fremden Vertraute werden? Und war sie dazu überhaupt bereit?
Plötzlich musste sie an die niederträchtigen Bemerkungen ihres Nun-Ex-Freundes denken, den sie neulich hinausgeworfen hatte, nachdem die Geschichte mit der Studentin aufgeflogen war – vermutet hatte sie derlei ohnehin schon eine Weile. Noch durch die geschlossene Wohnungstür hatte er ihr zum Abschied Gemeinheiten über intime Details ihres Äußeren zugebrüllt, zweifellos zum Entzücken der Nachbarschaft. So ein Arschloch. Tagelang war sie jedes Mal rosa angelaufen, wenn sie im Treppenhaus jemandem begegnet war.
Warum eigentlich? Warum hatte sie sich von dieser hässlichen Sache bloß derart runterziehen lassen können? Idiotisch. Als ob sie sich mit einer jungen Göre vergleichen lassen müsste. Mal ehrlich, um das zu erkennen, hätte es nicht des Mannes neben ihr bedurft. Trotzdem war es schön gewesen, sich so begehrt zu fühlen.
Sie hatte bereits die Hand gehoben, um ihn sanft anzustupsen, ließ sie aber wieder sinken. Sie würde ihn später wecken. Sie hatten doch den ganzen Tag Zeit. Womöglich viel länger. Vorsichtig stand sie auf, um Kaffee zu kochen.
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