Scandal Jean Paul Gaultier 2017
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Top Rezension
Verklemmte Diplombetriebswirtin tanzt sich frei
(Titel frei nach Evelyn Hamanns gnadenloser Selbstkritik als Revue tanzende Dr. Margarethe Tietze)
In diesen Tagen ist es wieder überall so weit: landauf, landab künden sich die alljährlich unvermeidlichen Firmenweihnachtsfeiern an. Allerspätestens ist 'der große Tag' daran zu erkennen, dass die Kolleginnen morgens mit Kleidersäcken ins Büro kommen - und Kollege Sparfuchs mittags in der Kantine nur einen kleinen Salat bestellt, denn: 'abends geht es ja aufs Haus, harr harr!' Gegen siebzehn Uhr verschwinden die Damen - zumindest diejenigen ohne Einzelbüro - mit ihren Kleidersäcken und Kulturbeuteln im Bad, um es kurze Zeit später zum Staunen aller als glitzernde Göttinnen der Nacht auf High Heels oder als 'Ugly Duckling turned to Swan' in schimmernder Parfumwolke und etwas zu engem rotem Kleid wieder zu verlassen. Die Männer ziehen sich nie um.
Stunden später - nach zu viel Mojitos, Roastbeef und Crème Brûlée, während der krummbeinige Teamleiter aus dem Rechnungswesen auch im zehnten Jahr vergeblich versucht, mit dem Bereichsleiter zum Du zu wechseln - sieht man angetrunkene Produktmanager hilflosen Praktikantinnen in Orsay-Cocktailkleidern den x-ten Discofox aufdrängen. Die mausgraue Prokuristin, die an dreihundertvierundsechzig Tagen im Jahr flache Schuhe trägt, hat sich bemalt wie eine Bauerntruhe und windet sich in nie richtig eingelaufenen Pumps zu 'Rhythm is a dancer'. Kollege Sparfuchs isst die vierte Crème Brûlée und sucht dabei jemanden, der ihn später über vierzig Kilometer Landstraße nach Oberunterhinterbutzenbach nach Hause fährt. Und ich wünschte, ich wäre ganz weit weg.
Gaultiers Scandal ist der olfaktorische Soundtrack für die Firmenweihnachtsfeier. Lästig, aber scheinbar unvermeidlich. Hartnäckig süß und in dieser Süße verblüffend ausdauernd. Gleichzeitig impertinent präsent und wahnsinnig langweilig. Vordergründig (die Hinguckerflasche) endlich 'mal ganz was Anderes', und doch durch und durch wie immer. Scandal ist der gefühlt hunderste rosafarbene Turbosüßling in geschmacklos-belangloser Verpackung. Süße Frucht meets Zucker (hier Honig genannt) meets dunklen Zucker (hier als Patchouli getarnt, tatsächlichen Patchouli sucht man vergeblich). Und die graue Prokuristin sprüht noch ein sechstes Mal, während sie sich vor dem Spiegel auf der Damentoilette schminkt und schon auf 'Rhythm is a dancer' freut.
Fazit: ich hab's für dieses Jahr geschafft. Und wenn die Prokuristin im roten Kleid das lesen sollte: sah super aus! Und denken Sie bitte noch an die Performance-Analyse, die Sie mir versprochen haben? Danke.
In diesen Tagen ist es wieder überall so weit: landauf, landab künden sich die alljährlich unvermeidlichen Firmenweihnachtsfeiern an. Allerspätestens ist 'der große Tag' daran zu erkennen, dass die Kolleginnen morgens mit Kleidersäcken ins Büro kommen - und Kollege Sparfuchs mittags in der Kantine nur einen kleinen Salat bestellt, denn: 'abends geht es ja aufs Haus, harr harr!' Gegen siebzehn Uhr verschwinden die Damen - zumindest diejenigen ohne Einzelbüro - mit ihren Kleidersäcken und Kulturbeuteln im Bad, um es kurze Zeit später zum Staunen aller als glitzernde Göttinnen der Nacht auf High Heels oder als 'Ugly Duckling turned to Swan' in schimmernder Parfumwolke und etwas zu engem rotem Kleid wieder zu verlassen. Die Männer ziehen sich nie um.
Stunden später - nach zu viel Mojitos, Roastbeef und Crème Brûlée, während der krummbeinige Teamleiter aus dem Rechnungswesen auch im zehnten Jahr vergeblich versucht, mit dem Bereichsleiter zum Du zu wechseln - sieht man angetrunkene Produktmanager hilflosen Praktikantinnen in Orsay-Cocktailkleidern den x-ten Discofox aufdrängen. Die mausgraue Prokuristin, die an dreihundertvierundsechzig Tagen im Jahr flache Schuhe trägt, hat sich bemalt wie eine Bauerntruhe und windet sich in nie richtig eingelaufenen Pumps zu 'Rhythm is a dancer'. Kollege Sparfuchs isst die vierte Crème Brûlée und sucht dabei jemanden, der ihn später über vierzig Kilometer Landstraße nach Oberunterhinterbutzenbach nach Hause fährt. Und ich wünschte, ich wäre ganz weit weg.
Gaultiers Scandal ist der olfaktorische Soundtrack für die Firmenweihnachtsfeier. Lästig, aber scheinbar unvermeidlich. Hartnäckig süß und in dieser Süße verblüffend ausdauernd. Gleichzeitig impertinent präsent und wahnsinnig langweilig. Vordergründig (die Hinguckerflasche) endlich 'mal ganz was Anderes', und doch durch und durch wie immer. Scandal ist der gefühlt hunderste rosafarbene Turbosüßling in geschmacklos-belangloser Verpackung. Süße Frucht meets Zucker (hier Honig genannt) meets dunklen Zucker (hier als Patchouli getarnt, tatsächlichen Patchouli sucht man vergeblich). Und die graue Prokuristin sprüht noch ein sechstes Mal, während sie sich vor dem Spiegel auf der Damentoilette schminkt und schon auf 'Rhythm is a dancer' freut.
Fazit: ich hab's für dieses Jahr geschafft. Und wenn die Prokuristin im roten Kleid das lesen sollte: sah super aus! Und denken Sie bitte noch an die Performance-Analyse, die Sie mir versprochen haben? Danke.
22 Antworten


Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Nur: ich habe mich vorher umgezogen:-)
Seit Jahren verdrücke ich mich schon nach Dessert und Cappuccino..... da bleibt einem dann vieles erspart ;).