Stolz sah sie sich um. So hatte sie sich das in ihren Träumen vorgestellt: endlich war ihr kleiner Hofladen so, wie er sein sollte.
Gerade die richtige Größe hatte das alte Kutscherhaus am Eingang zum Gut.
Lange musste sie mit den Eltern ringen, bis der Vater es ihr überließ; er und die Mutter hielten gar nichts von ihren Plänen, die sie "Wolkenkraxelei" nannten.
Was sollte das? Die Tochter wollte ein Geschäft eröffnen - und noch dazu ein Obstgeschäft - auf dem Land!
Dabei hätte sie den netten Johann aus dem Nachbarort heiraten können.
Eigensinnig war sie ja schon immer gewesen!
Unterstützt von der Großmutter hatte sie sich durchgesetzt.
Mit der Hilfe lieber Freunde, die an sie glaubten, hatte sie die alten Holzdielen geschliffen, bis sie samtig schimmerten und anschließend versiegelt. Schließlich sollte das Holz keine Obstflecken bekommen.
Die Wände wurden hell und freundlich gestrichen, Regale gebaut und endlich alles geputzt, bis es glänzte.
Einige schöne alte Holzmöbel vervollständigten den heimeligen Eindruck.
In den alten Kübel neben den beiden weißen Stufen, die zur hell fliederfarbenen Eingangstür führten, fühlen sich die Sommerblumen sichtlich wohl und dankten es ihr durch herrliche Blütenpracht.
Der Duft frischen Sommerobstes füllte den kleinen Raum.
Besonders deutlich konnte sie die herbe Schwarze Johannisbeere wahrnehmen; sie hatte die Früchte heute Morgen erst gepflückt. Die dunklen Beeren glänzten in den hellen Körben.
Sorgfältig ordnete sie einige pinkfarbene Grapefruits, die sie aus dem Gewächshaus des Gutes mitgebracht hatte. Außer ihr kümmerte sich niemand mehr um die Schätze, die der Großvater einmal gepflanzt und liebevoll gepflegt hatte.
Selbst die schönen Früchte würden die Eltern verkommen lassen; das Landvolk aß eben nur, was es kannte.
So schnitt sie zwei, drei Grapefruit in Hälften, damit ihr pralles farbiges Fruchtfleisch zu sehen war.
Während sie alles noch arrangierte, begann ihr leicht bittere Duft sich bereits mit dem Aroma der Schwarzen Johannisbeeren zu vermischen.
Diese Duftmixtur veränderte sich interessant, als sie einige rosa Pfefferkörner auf die halbierten Früchte gab.
Selbst die Rhabarberblätter, die sie erst abschnitt, wenn sie die Stängel verkaufte, spielten mit in diesem sommerlichen Konzert. Sie verliehen dem Ganzen eine dunklere sattgrüne Nuance.
Dazu kam der leichte Holzgeruch ihrer Körbe. Sie hatte sich entschlossen, ihre Ware in hübschen geflochtenen Körben anzubieten. Dafür wählte sie helles Holz mit angenehm würzigem Cognacduft.
Was hatten die Eltern getobt! Helle Holzkörbe für meist saftiges Obst: wohin sollte das noch führen?
Es führte dazu, dass nun einige der Dorffrauen für sie diese Körbe in unterschiedlichen Größen flochten und sich dadurch etwas dazuverdienten.
Waren ihre Körbe schmutzig oder beschädigt, sorgten sie in den Öfen dieser Frauen noch für angenehme und aromatische Wärme an kühlen Abenden.
Seit einigen Wochen bot sie diese hübschen Körbe, teils mit Henkel und hübschem Futter, auch zum Kauf an. Die Kunden hatten immer wieder danach gefragt; so gab es für eine weitere Frau ein kleines Zubrot!
Durch diese Körbe wurde die leicht cognaclastige Holznote in dem kleinen Raum noch etwas unterstrichen.
Vorhin hatte sie frisch geschnittene Pfingstrosen aus dem großen Bauerngarten geholt und in einen handwerklich schönen Krug gestellt. Sie dufteten betäubend, während ihre großen Blütenköpfe die Blicke auf sich zogen.
Sie wusste, die Kunden, die inzwischen wegen ihres Obstes von weither kamen, kauften gern auch die bunten Blumen, die sie im Laden hatte. Das Land des großen Gutes gab so viel her, für das die Stadtmenschen weit fuhren. Sie bediente sich dankbar davon.
Damit hatte sie ihr kleines Geschäft gut aufgestellt und die lauthals geäußerten Zweifel der Eltern widerlegt. Lob für ihre Arbeit durfte sie nicht erwarten; das wusste sie!
Um ein angenehmes Ambiente zu schaffen, hatte sie geschickt mit den konzentrierten Auszügen, die sie schon früher bei ihren Experimenten gewonnen hatte, gespielt.
Dafür hatten ihr Orangenblüten aus dem Gewächshaus, viele der türkischen Rosen und auch die schwarzen Johannisbeeren ihre Herzen anvertraut.
Das so entstandene Duftgemisch wusste sie raffiniert durch Vetiver - geschickt dosiert - und eine gute Portion Labdanum, dem aus der Zistrose gewonnen Öl, zu ergänzen.
Sie überlegte, diese feinen Auszüge in Flacons zu versiegeln und anzubieten; einen Gedanken war es wert!
So entstand in ihrem kleinem Hofladen ein ganz besonderes fruchtig-blumiges Wohlfühlaroma.
Ob diese junge Frau Alice heißt, weiß ich nicht. Möglich wäre es schon!
"Le Parfum d'Alice" jedenfalls könnte gut aus einer ähnlichen Umgebung stammen: es trägt das Aroma des reifen süßer Sommers in sich.
Dieses wird durch etwas fuselig riechendes Holz angenehm unterlegt und würzig abgeschlossen.
So entsteht eine Duftkomposition, die ihre eigenen unterhaltsamen Sommerschlager singt.
"Le Parfum d'Alice" ist kein eleganter Duft, dazu ist er bei mir ein bisschen zu rustikal.
Aber er ist während der Stunden auf meiner Haut ein sympathischer Begleiter. Nach einigen Stunden schleicht er sanft und leise davon.
Ein gekonnt kreierter Duft: es ist nett, sich mit ihm zu umgeben - nicht mehr und nicht weniger!
Deshalb freue ich mich, dass ich diese Abfüllung aus Gerdis Reisepröbchen erhielt und auf diese Weise dieses Sommerfrauenzimmer kennenlernen durfte.
Es macht Spaß, mit "Le Parfum d'Alice" unterwegs zu sein. Einer der bekannten Sommerschlager als Ohrwurm, oder eines der italienischen "Pferdchen und Wagen"-Lieder gesellt sich dann sicher dazu - zu mir und Alice!
(Sorry, das musste sein!)