21.02.2011 - 10:02 Uhr
Louce
132 Rezensionen
Louce
Top Rezension
Strahlende Dunkelheit... eine Oudquarkspeise
Oud (Agarwood, Adlerholz) als Parfumzutat boomt: Nachdem der traditionell orientalische Duftstoff eine europäische Renaissance erlebte, entwickelt inzwischen so ziemlich jede Nischenmarke einen Oud-Duft und die ersten Auswirkungen im Mainstreamangebot sind auch schon bemerkbar.
Oud ist kein eigentliches Holz: Es ist Harz, das eine Baumart (vornehmlich in Südostasien beheimatet) als Abwehrreaktion auf einen bestimmten Pilzbefall erzeugt. Das Harz verbindet sich mit dem morschen, pilzzerfressenen Holz und altert. Diese Holz-Harzmischung bildet dann den begehrten Duftstoff, der in der arabischen Tradition hoch geschätzt wird.
Dementsprechend riecht Oud nicht im eigentlichen Sinne holzig. Es hat einen holzigen Anteil, aber charakteristisch wirkt das Rauchige, Balsamische. Oud wirkt dunkel, tief, erdig und dabei sehr klar, überraschend geradlinig. Oud ist irgendwie widersinnig hell.
Ein Oxymoron beschreibt den Oud-Eindruck meiner Meinung nach am Treffendsten: strahlende Dunkelheit.
Oud kann unterschiedlich würzig, bitter oder holzig sein. Je nachdem, welcher Anteil von welcher Sorte betont wird, nimmt man Oud als besonders medizinsch, hart/weich, trocken/feucht, usw. wahr. Die klassisch-orientalische Interpretation ist die mit Rosenöl.
Warum dieser große Oud-Bogen, um sich "Kanz" von soOud anzunähern?
Weil das ein sehr, sehr oud-typischer Duft ist, der das Oud nicht spektakulär ungewohnt interpretiert, aber auch keine weitere 0815-Oud-Variante liefert.
"Kanz" widmet sich voll und ganz dem hellen Aspekt des Oud, der in der Dunkelheit des Stoffes so intensiv schillern kann. Das Weiche, Sanfte und Trockene wird betont, der oft zu riechende harte und medizinische Zug kommt überhaupt nicht zum Tragen.
Eine lehrbuchhafte Duftpyramide gibt es nicht. Es sind zwar Phasen im Duftverlauf auszumachen, aber es werden nicht drei unterschiedliche Temperamente oder drei Unternoten zu einer Hauptnote zusammengefügt und es findet keine Entwicklung im Sinne einer dreiaktigen Dramaturgie statt. Die Phasen sind voll und ganz dem Herausarbeiten des hellen Oudaspekts geweiht.
Das Sandelholz bringt (nicht erst so spät, wie gewohnt) Trockenheit mit Holzigkeit und Süße ins Spiel. Die Rose (betont weiß) ist kein Energiekraftwerk, das rosenmäßig dominant powert, sondern eine zarte Rose, die einen streichelnden Rosenduft gleichmäßig und sacht zum Oud gibt und sich im Verlauf komplett einfügt, nachdem sie zuerst sehr bulgarisch-rosig strahlte. Die bekannte, obligatorische Rose-Oud-Kombo ist das nicht - Der Rose-Oud-Akkord von "Kanz" erinnert durchaus an die vielen geläufigen Ausführungen, aber hat hier einen ganz eigenen "Klang": heller, weniger drastisch pointiert und anschmiegsamer, versöhnlicher.
Nargamotha (Cypriol) ist oud-verwandt in der Duftrichtung, hat aber einen stärker erdigen und holzigen Charakter. Es betont hier scheinbar auch das Erdige und Holzige des Oud, allerdings nicht über ein Herabziehen ins Tiefe, Dunkle.
Die Summe der betonenden Randnoten ergibt eine wunderschöne, laue und pastöse, helle Cremigkeit. Ein veritabler "Quarkaspekt" kommt hinzu… "Kanz" ist quarkig! So ein mattes, milchiges Weiß von dichter Beschaffenheit mit einer satten, vollen, gleichzeitig weichen Textur. Ich pflichte Sumis Weiß-Einordnung (s.u.) voll und ganz bei.
"Kanz" hat eine typische, wieder erkennbare, „echte“ Oudnote und gibt ihr ein bemerkenswertes Quark-Cremestrahlen, das diesen Duft zum federhaft weichen, romantischen und sanftmütigen Begleiter macht.
Zärtliches Oud.
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Edit 16.02.2014:
3 Jahre nach meiner ersten Begegnung mit "Kanz" bin ich immer noch mit der Frage beschäftigt, ob ich dieses wunderschöne Parfum haben will/muss. Ich habe ihn wieder getestet und bin wieder sehr, sehr eingenommen. Tatsächlich hat mich bisher das Flakondesign und das unerträgliche Geschwurbel dazu auf der Homepage (inzwischen zum Glück geändert) abgehalten: Die Flakons sind inspiriert vom verschleierten Gesicht von Muslimas. Die drei Schichten (oben und unten verdeckt, dazwischen klar) sollen an den Blick verheißungsvoller Augen aus einem Shador hervor erinnern, weil es ja ach so erotisch ist, wenn weibliche Attraktivität verborgen daher kommt und ein angedeutetes Versprechen aus der Vermummung heraus lockt.
Damit kann ich so gar nicht. Es ist borniert-arrogant, den Schleier, mitteleuropäisch "von außen", ausschließlich als fremdbestimmte Einschränkung und Minus an Freiheit zu sehen, aber ihn zu verbrämen und zum ästhetischen (Männer-)Genuss zu machen, ist Blödsinn vom anderen Ende der Skala.
Kann/soll/darf oder muss ich mich vom Stil-Konzept von SoOud (wo es immerhin einen Duft gibt, der "Burka" heißt!) abhalten lassen...?
Ich bin nach wie vor am Grübeln.
Oud ist kein eigentliches Holz: Es ist Harz, das eine Baumart (vornehmlich in Südostasien beheimatet) als Abwehrreaktion auf einen bestimmten Pilzbefall erzeugt. Das Harz verbindet sich mit dem morschen, pilzzerfressenen Holz und altert. Diese Holz-Harzmischung bildet dann den begehrten Duftstoff, der in der arabischen Tradition hoch geschätzt wird.
Dementsprechend riecht Oud nicht im eigentlichen Sinne holzig. Es hat einen holzigen Anteil, aber charakteristisch wirkt das Rauchige, Balsamische. Oud wirkt dunkel, tief, erdig und dabei sehr klar, überraschend geradlinig. Oud ist irgendwie widersinnig hell.
Ein Oxymoron beschreibt den Oud-Eindruck meiner Meinung nach am Treffendsten: strahlende Dunkelheit.
Oud kann unterschiedlich würzig, bitter oder holzig sein. Je nachdem, welcher Anteil von welcher Sorte betont wird, nimmt man Oud als besonders medizinsch, hart/weich, trocken/feucht, usw. wahr. Die klassisch-orientalische Interpretation ist die mit Rosenöl.
Warum dieser große Oud-Bogen, um sich "Kanz" von soOud anzunähern?
Weil das ein sehr, sehr oud-typischer Duft ist, der das Oud nicht spektakulär ungewohnt interpretiert, aber auch keine weitere 0815-Oud-Variante liefert.
"Kanz" widmet sich voll und ganz dem hellen Aspekt des Oud, der in der Dunkelheit des Stoffes so intensiv schillern kann. Das Weiche, Sanfte und Trockene wird betont, der oft zu riechende harte und medizinische Zug kommt überhaupt nicht zum Tragen.
Eine lehrbuchhafte Duftpyramide gibt es nicht. Es sind zwar Phasen im Duftverlauf auszumachen, aber es werden nicht drei unterschiedliche Temperamente oder drei Unternoten zu einer Hauptnote zusammengefügt und es findet keine Entwicklung im Sinne einer dreiaktigen Dramaturgie statt. Die Phasen sind voll und ganz dem Herausarbeiten des hellen Oudaspekts geweiht.
Das Sandelholz bringt (nicht erst so spät, wie gewohnt) Trockenheit mit Holzigkeit und Süße ins Spiel. Die Rose (betont weiß) ist kein Energiekraftwerk, das rosenmäßig dominant powert, sondern eine zarte Rose, die einen streichelnden Rosenduft gleichmäßig und sacht zum Oud gibt und sich im Verlauf komplett einfügt, nachdem sie zuerst sehr bulgarisch-rosig strahlte. Die bekannte, obligatorische Rose-Oud-Kombo ist das nicht - Der Rose-Oud-Akkord von "Kanz" erinnert durchaus an die vielen geläufigen Ausführungen, aber hat hier einen ganz eigenen "Klang": heller, weniger drastisch pointiert und anschmiegsamer, versöhnlicher.
Nargamotha (Cypriol) ist oud-verwandt in der Duftrichtung, hat aber einen stärker erdigen und holzigen Charakter. Es betont hier scheinbar auch das Erdige und Holzige des Oud, allerdings nicht über ein Herabziehen ins Tiefe, Dunkle.
Die Summe der betonenden Randnoten ergibt eine wunderschöne, laue und pastöse, helle Cremigkeit. Ein veritabler "Quarkaspekt" kommt hinzu… "Kanz" ist quarkig! So ein mattes, milchiges Weiß von dichter Beschaffenheit mit einer satten, vollen, gleichzeitig weichen Textur. Ich pflichte Sumis Weiß-Einordnung (s.u.) voll und ganz bei.
"Kanz" hat eine typische, wieder erkennbare, „echte“ Oudnote und gibt ihr ein bemerkenswertes Quark-Cremestrahlen, das diesen Duft zum federhaft weichen, romantischen und sanftmütigen Begleiter macht.
Zärtliches Oud.
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Edit 16.02.2014:
3 Jahre nach meiner ersten Begegnung mit "Kanz" bin ich immer noch mit der Frage beschäftigt, ob ich dieses wunderschöne Parfum haben will/muss. Ich habe ihn wieder getestet und bin wieder sehr, sehr eingenommen. Tatsächlich hat mich bisher das Flakondesign und das unerträgliche Geschwurbel dazu auf der Homepage (inzwischen zum Glück geändert) abgehalten: Die Flakons sind inspiriert vom verschleierten Gesicht von Muslimas. Die drei Schichten (oben und unten verdeckt, dazwischen klar) sollen an den Blick verheißungsvoller Augen aus einem Shador hervor erinnern, weil es ja ach so erotisch ist, wenn weibliche Attraktivität verborgen daher kommt und ein angedeutetes Versprechen aus der Vermummung heraus lockt.
Damit kann ich so gar nicht. Es ist borniert-arrogant, den Schleier, mitteleuropäisch "von außen", ausschließlich als fremdbestimmte Einschränkung und Minus an Freiheit zu sehen, aber ihn zu verbrämen und zum ästhetischen (Männer-)Genuss zu machen, ist Blödsinn vom anderen Ende der Skala.
Kann/soll/darf oder muss ich mich vom Stil-Konzept von SoOud (wo es immerhin einen Duft gibt, der "Burka" heißt!) abhalten lassen...?
Ich bin nach wie vor am Grübeln.
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