28.08.2016 - 14:08 Uhr
Yatagan
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Yatagan
Top Rezension
46
Eine Geschichte von Küchenschaben, Meeresrauschen und Geduld
Tokyomilk, die Brauer dunkler Tränke, haben so einige schwarze Wässer im Schrank. Zwar erweisen sich die meisten Düsterdüfte der Manufaktur aus Amerika weniger gefährlich, als Anschein erweckt werden soll. Aber auch für Jäger abseitiger Dufterfahrungen muss das kein Ausschlusskriterium sein. Tokyomilks Dark-Serie liegt trotzdem außerhalb alltäglicher Normen. Das zeigen schon die Inhaltsstoffe, die sich nicht nur auf dem Papier von dem abheben, was die meisten Konkurrenten bieten wollen und können. Während Arsenic (was für ein schöner Name, was für ein schöner Flakon) die sympathisch-krude Kombination von Absinth, Fenchel, Grünzeugs und Vanillesalz bietet, finden sich in anderen Düften der Serie Bisquitaroma, Ebenholz, Waldboden, Wüstenmoos oder Eichenrinde. Dass das auch ein Teil von guter Werbung sein mag: geschenkt! Dennoch lässt sich bei einem geduldigen Test der Düfte nachvollziehen, dass diese Inhaltsstoffe spürbar sind und spürbar etwas verändern, was den Duft unter anderen Umständen zu einem alltäglichen Wasser gemacht hätte.
Geduld ist ein wichtiges Stichwort. Tokyomilks Düfte gehören, ganz dem düster-stylishen Auftritt zum Trotz, zu den leisen Geruchserfahrungen. Ein symptomatischer Duft für solche Erfahrungen ist für mich L'Artisans Timbuktu, der von vielen gerochen, weggestellt und übersehen wurde und wird, bei längerer Anwendung und Beschäftigung aber ein außergewöhnliches Dufterlebnis bietet und vielleicht zu den schönsten zeitgenössischen Parfums gehört. Ähnlich verhält es sich mit Ormonde Jaynes Man oder dem einen oder anderen englischen Klassiker von Trumper, Crown oder Harris. Auf dieser Linie liegen dann eben auch die Düfte der schwarzen Serie von Margot Elenas Tokyomilk. Excess zum Beispiel ist ein Patchouli-Duft, der nicht mit der Hippiewolke ins Haus fällt, sondern die Wucht dieses Stoffes mit Blutorange, Amber und Eichenrinde dämpft. Das ist nicht spektakulär, wie der Name des Duftes suggeriert, sondern einfach schön. Nicht mehr und nicht weniger. Bulletproof ist ebenfalls kein Schuss vor die kugelsichere Weste, wie der Name assoziieren lässt, sondern ein sehr leichter Leder-Holz-Duft, der gar nicht mehr will, als sanft zu gefallen. Bittersweet ist weder bitter noch süß, obwohl der Duft im erweiterten Sinne zu den Gourmand-Düften gezählt werden muss (hier taucht der oben erwähnte Biskuit auf), sondern ein m.E. fast unsüßer Gourmand, soweit das möglich ist - und das ist es. Bei Crushed, dem nächsten der Reihe, zeigt schon der Schmetterling auf dem schwarzen Flakon, dass es nicht so hart zugeht, wie der Name anzudeuten scheint, sondern legt die Trägerin oder den Träger in ein weiches Bett aus synthetischem Gras.
Ein Merkmal aller Düfte der schwarzen Serie könnte mithin also sein, dass sie Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen, deshalb enttäuschen (und deshalb vielleicht öfters schlecht bewertet werden), während sie doch bei intensiver Auseinandersetzung auch ent-täuschen können, und zwar im Sinne eines Blicks hinter marktschreierische Werbeversprechen, die hier geschickt und leise subversiv unterlaufen werden. Wem das zu anstrengend ist, der muss hier nicht mehr weiter lesen.
Arsenic passt perfekt ins oben beschriebene Schema: Der Duft heißt nach einem Gift bzw. chemischen Element, das Unverträglichkeit, vielleicht einen sperrigen, abweisenden Duft, sogar Tod suggeriert, dann aber doch zu gefallen weiß, auch wenn die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe zu Recht auf Eigenwilligkeit schließen lassen. Tatsächlich lässt sich der Fenchel-Geruch gut isolieren, ebenso Vanillesalz, das in der postmodernen Küche beliebt geworden ist. Bittersüßer Absinth, so gerne ich diesen Geruch auch mag, ordnet sich da dem verwandten Eindruck von Salzigem und Süßem unter. Einbilden kann man sich natürlich noch Vieles, auch ein Gläschen Absinth-Likör. Auch frisches Grün bleibt dezent im Hintergrund, könnte aber zur Abrundung beitragen. Nehmen wir das mal so hin.
Wie riecht das jetzt zusammen? Meine Wahrnehmung stellt aus dem oben Beschriebenen ein Neues, Schöneres, Höheres her und das erinnert mich deutlich an die meeresaquatischen, d.h. meersalzigen Düfte, die eine Weile eine kleine Mode erlebten. Da ist Yves Rochers Transat, Heeleys Sel Marine, Profumum Romas Aqua di Sale, Sel de Vetiver von The Different Company oder Salina von Laboratorio Olfattivo. Allen Düften ist diese salzige, aquatische Note gemein, die ich gerne mag, auch wenn ihr immer etwas Synthetisches anhaftet, denn authentischen Geruch nach Meer fängt keiner davon wirklich ein.
Alles das will aber Arsenic nicht, sondern allenfalls ein wenig mit den Erwartungen spielen, leise das Meer rauschen lassen, dabei grüne Nuancen ans Ufer spülen und mit Fenchel und Vanillesalz sein eigenes Süppchen kochen und das ist - sicherlich nur in Nuancen - anders als alle erwähnten und noch im Hinterkopf befindlichen Düfte - und das ist ja schon mal was. Allemal allerdings leiser als die vorher Genannten.
Und wenn dann noch ein so schöner Flakon dazu gehört (mattschwarz mit einer weißgeschminkten Küchenschabe oder Grille auf der Front), könnte man eigentlich ohne Bedenken eine Kaufempfehlung aussprechen. Allein: Geduld gehört, wie schon gesagt, dazu, eine Tugend, die gerade im Verschwinden begriffen ist. Denn sonst ist das Käferchen mir nichts, dir nichts verschwunden, ohne richtig wahrgenommen worden zu sein.
Geduld ist ein wichtiges Stichwort. Tokyomilks Düfte gehören, ganz dem düster-stylishen Auftritt zum Trotz, zu den leisen Geruchserfahrungen. Ein symptomatischer Duft für solche Erfahrungen ist für mich L'Artisans Timbuktu, der von vielen gerochen, weggestellt und übersehen wurde und wird, bei längerer Anwendung und Beschäftigung aber ein außergewöhnliches Dufterlebnis bietet und vielleicht zu den schönsten zeitgenössischen Parfums gehört. Ähnlich verhält es sich mit Ormonde Jaynes Man oder dem einen oder anderen englischen Klassiker von Trumper, Crown oder Harris. Auf dieser Linie liegen dann eben auch die Düfte der schwarzen Serie von Margot Elenas Tokyomilk. Excess zum Beispiel ist ein Patchouli-Duft, der nicht mit der Hippiewolke ins Haus fällt, sondern die Wucht dieses Stoffes mit Blutorange, Amber und Eichenrinde dämpft. Das ist nicht spektakulär, wie der Name des Duftes suggeriert, sondern einfach schön. Nicht mehr und nicht weniger. Bulletproof ist ebenfalls kein Schuss vor die kugelsichere Weste, wie der Name assoziieren lässt, sondern ein sehr leichter Leder-Holz-Duft, der gar nicht mehr will, als sanft zu gefallen. Bittersweet ist weder bitter noch süß, obwohl der Duft im erweiterten Sinne zu den Gourmand-Düften gezählt werden muss (hier taucht der oben erwähnte Biskuit auf), sondern ein m.E. fast unsüßer Gourmand, soweit das möglich ist - und das ist es. Bei Crushed, dem nächsten der Reihe, zeigt schon der Schmetterling auf dem schwarzen Flakon, dass es nicht so hart zugeht, wie der Name anzudeuten scheint, sondern legt die Trägerin oder den Träger in ein weiches Bett aus synthetischem Gras.
Ein Merkmal aller Düfte der schwarzen Serie könnte mithin also sein, dass sie Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen, deshalb enttäuschen (und deshalb vielleicht öfters schlecht bewertet werden), während sie doch bei intensiver Auseinandersetzung auch ent-täuschen können, und zwar im Sinne eines Blicks hinter marktschreierische Werbeversprechen, die hier geschickt und leise subversiv unterlaufen werden. Wem das zu anstrengend ist, der muss hier nicht mehr weiter lesen.
Arsenic passt perfekt ins oben beschriebene Schema: Der Duft heißt nach einem Gift bzw. chemischen Element, das Unverträglichkeit, vielleicht einen sperrigen, abweisenden Duft, sogar Tod suggeriert, dann aber doch zu gefallen weiß, auch wenn die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe zu Recht auf Eigenwilligkeit schließen lassen. Tatsächlich lässt sich der Fenchel-Geruch gut isolieren, ebenso Vanillesalz, das in der postmodernen Küche beliebt geworden ist. Bittersüßer Absinth, so gerne ich diesen Geruch auch mag, ordnet sich da dem verwandten Eindruck von Salzigem und Süßem unter. Einbilden kann man sich natürlich noch Vieles, auch ein Gläschen Absinth-Likör. Auch frisches Grün bleibt dezent im Hintergrund, könnte aber zur Abrundung beitragen. Nehmen wir das mal so hin.
Wie riecht das jetzt zusammen? Meine Wahrnehmung stellt aus dem oben Beschriebenen ein Neues, Schöneres, Höheres her und das erinnert mich deutlich an die meeresaquatischen, d.h. meersalzigen Düfte, die eine Weile eine kleine Mode erlebten. Da ist Yves Rochers Transat, Heeleys Sel Marine, Profumum Romas Aqua di Sale, Sel de Vetiver von The Different Company oder Salina von Laboratorio Olfattivo. Allen Düften ist diese salzige, aquatische Note gemein, die ich gerne mag, auch wenn ihr immer etwas Synthetisches anhaftet, denn authentischen Geruch nach Meer fängt keiner davon wirklich ein.
Alles das will aber Arsenic nicht, sondern allenfalls ein wenig mit den Erwartungen spielen, leise das Meer rauschen lassen, dabei grüne Nuancen ans Ufer spülen und mit Fenchel und Vanillesalz sein eigenes Süppchen kochen und das ist - sicherlich nur in Nuancen - anders als alle erwähnten und noch im Hinterkopf befindlichen Düfte - und das ist ja schon mal was. Allemal allerdings leiser als die vorher Genannten.
Und wenn dann noch ein so schöner Flakon dazu gehört (mattschwarz mit einer weißgeschminkten Küchenschabe oder Grille auf der Front), könnte man eigentlich ohne Bedenken eine Kaufempfehlung aussprechen. Allein: Geduld gehört, wie schon gesagt, dazu, eine Tugend, die gerade im Verschwinden begriffen ist. Denn sonst ist das Käferchen mir nichts, dir nichts verschwunden, ohne richtig wahrgenommen worden zu sein.
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