Apicius
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vor 9 Jahren - 07.03.2015
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Global Art of Perfumery 2015 - mein Messerundgang

Wie kann man nur 3 Wochen vor der großen Esxence in Mailand für Deutschland eine eigene, kleinere Parfummesse veranstalten? So schlecht gewählt ist der Termin gar nicht. Das eine oder andere, was offiziell in Mailand vorgestellt werden soll, ist heute und morgen schon in Düsseldorf zu sehen – auch wenn die Etiketten der Flakons noch nicht alle fertig sind.

Hier also auf die Schnelle, solange die Eindrücke noch frisch sind, mein Messerundgang:

Zu diesen ganz frischen Neuerscheinungen gehört Olfattology – eine neue Reihe aus Italien, aus dem Hause von Enzo Galardi, der hinter der bekannten Marke Bois 1920 steckt. 10 neue Düfte sind es, präsentiert in kleinen, schnuckeligen, goldfarbenen Flaköngchen, etwas barock gestaltet, und deren Kappen mich an Pipetten auf Medizinflaschen erinnern. Bei dem guten Vertrieb, dessen sich Bois 1920 erfreut, dürfte es nicht allzu lange dauern, bis wir Olfattology in den Parfumerien finden.

Auch wenn die Besucheranmeldung frei für jeden war – die GAOP ist vor allem eine Fachmesse. Die „Stars“ unter den Parfümeuren fehlen ausnahmslos, doch viele Marken sind gut und fachkundig durch ihren deutschen Vertrieb repräsentiert. Ein solcher Distributor ist MiGro Cosmetics, sie zeigen unter anderem die italienischen Marken Acqua delle Langhe und Pineider. Während ich erstere schon einmal gesehen habe, scheint letztere in Deutschland noch neu zu sein. Der Hersteller hochwertiger Lederwaren belässt es bei nur einem „Cuoio“ und bewegt sich ansonsten ganz in der klassischen italienischen Tradition. Besonders gefallen hat mir ein Assoluta di Neroli e Gelsomino: anders, als der Name befürchten lässt, keine aufdringliche Blumenbombe, sondern ein ganz fein gemachter, diskreter Duft mit einer frischen Seite.

Neulich ging auf Parfumo das Gerücht um, Quasar von Jesus del Pozo werde eingestellt. Bei MiGro Cosmetics, die die Marke vertreiben, ist davon nichts bekannt.

„Royaume du Parfum“ - so neu, dass noch nicht alle Verpackungen fertig sind. Macht nichts, diese Franzosen kommen arabisch inspiriert mit 4 Düften, darunter einem Oud, einem Musk, einer Rose und etwas weniger klassisch, einem „Star Platinum“.

Leider gibt es auch Trauriges zu berichten. Von Classic Parfums war zu erfahren, dass Il Profvmo zugunsten neuerer Parfums einen Teil des bisherigen Sortiments eingestellt habe, und darunter ist auch mein Favorit „Aventure“. Auf der Il Profvmo Seite ist er noch zu bekommen, also sollte ich wohl schnell noch nachkaufen.

Ganz neu ist ebenfalls die Marke „Ateliers Des Ors“. Die kommen mit schönen, großen Flakons, welche die Strahlen der Sonne in stilisierter Form aufnehmen. Die Inhalte stammen ausnahmslos von einer französischen Parfümeurin mit Vornamen Marie – genaueres war leider nicht zu erfahren. Die Webpräsenz ist noch im Aufbau; ich hoffe, bald ein Press Release zu den Düften zu sehen.

Ansonsten fand ich, dass eine gewisse italienische Dominanz vorhanden war – aber das mag auch daran liegen, dass die mich persönlich besonders interessieren. Angereist war zum Beispiel Omnia Profumi mit ihrem kompletten Sortiment. Hier halte ich mich mal zurück, Ronin und Louce haben ein ausführliches Gespräch mit denen geführt.

Fast jedes Parfumhaus bezieht sich heutzutage mit mindestens einem Oud auf die arabische Dufttradition. Umso bedauerlicher ist es, dass die arabischen Marken selber so wenig Präsenz in Europa zeigen, vor allem mit hochwertigen Düften. Wenigstens ein Vertreter war da: AJ Arabia mit ihren „Black“ Parfums. Leider hat man nur zwei Hände zum testen, doch Black II durfte auf meine Haut: ein komplexer, attraktiver Duft, der mir heute besonders in seiner Projektion gefiel und viel Freude machte. Der junge Mann, der für diese Marke aus Abu-Dhabi angereist war, betonte allerdings die europäische Tradition der präsentierten Düfte. Wenn ich jetzt lese, dass Jean-Claude Astier als Parfümeur hierfür gelistet ist, wird die Sache klar: Will Micallef den europäischen Markt nun von der arabischen Halbinsel aus neu erobern?

Nische darf sich Freiheiten gönnen, die im Mainstream keinen Platz haben. Eine Parfumserie, die sich auf die chinesische 5-Elemente-Lehre bezieht, wird einige besonders interessieren, andere werden ein solches Marketing als esoterischen Quatsch abtun. Ich spreche von Essence of Chi, mit deren Inhaberin und kreativem Kopf Deana Wyland-Fries ich mich lange unterhalten konnte. Sie sprach über einen fünf Jahre dauernden kreativen Prozess mit einem Parfümeur aus Grasse, in deren Verlauf sie sehr viel über Düfte gelernt habe - und der Parfümeur vermutlich ebenso viel über die fünf Elemente. Die Düfte selber schienen so gar nicht ein gängiges esoterisches Klischee zu bedienen. Alle sehr fein und zurückhaltend, und komplex genug, um zur Auseinandersetzung herauszufordern. Mein persönliches Element wird wohl das Metall sein, denn just bei diesem Duft machte es Klick im Kopf, und es stellten sich Bilder und Erinnerungen ein. Ich werde genauer berichten.

Nicht jeder kann und will viel Geld für einen teuren Messestand ausgeben. Mich sprach Isabelle Raposo aus Berlin an, die ihr eigenes Parfum kreierte. Sie erhielt soviel Zuspruch aus ihrem Bekannten-und Freundeskreis, dass sie sich nun einen Traum verwirklicht, den wohl viele Parfumo-User teilen: ein eigenes Parfum herauszubringen. Es heißt Isabeau, ist ein frisch-zitrischer Duft und kommt in einem schönen Flakon. Ich wünsche viel Glück und Erfolg bei der Suche nach einem Vertriebspartner. Sobald der Duft erhältlich ist, werden wir auf Parfumo gerne nochmal darüber berichten.

Während sich vieles im Bereich der etablierten Marken wiederholt, sind es oft die Quereinsteiger, die mit neuen, frischen Ideen kommen, und deren Düfte oft ganz eigenständige, individuelle Handschriften tragen. Dazu scheinen auch die poppig-bunten Düfte von Arts & Scents aus Fürth zu zählen. Leider war meine Nase schon etwas überfordert, ich kann noch nichts weiteres sagen, nur soviel: die sind es Wert, genauer angeschaut zu werden.

Das Beste zum Schluss: Ich traf Spyros Drosopoulos, Niederländer mit griechischen Wurzeln, der seine neue Marke Baruti präsentierte. Die Firmierung unter Magnetic Scents hat er wg. Namensrechten aufgegeben, einige Düfte haben es jedoch leicht überarbeitet in die neue Linie geschafft, z.B. Indigo. Ich habe einige seiner früheren Düfte bereits kommentiert, und ich kann sagen, dass ich ihn für einen äußerst interessanten Newcomer halte. Seine Düfte tragen eine ausgeprägte, individuelle Handschrift. Sie sind eindeutig auf der kräftigen, expressiven Seite und damit nach meinem Eindruck besonders für Menschen interessant, die gerade anfangen, sich für Nische zu interessieren. Bei dem, was ich heute von ihm gerochen habe, wurde mir klar, wie schematisch die vielen Marken im bereits etablierten Nischenbereich doch die Wiederkehr des immer gleichen präsentieren – hier aber ein frischer Wind mit neuen Ideen. Auch wenn der Vergleich hinkt: man könnte in Spyros Drosopoulos einen europäischen Neil Morris sehen.

Außenseiter haben es manchmal unverdientermaßen schwer, und so sind seine Parfums bis jetzt in Deutschland nur über The Different Scent in Berlin erhältlich. Ich werde Spyros Drosopoulos auf Parfumo demnächst einmal gründlicher vorstellen.

Was wäre das Leben ohne Luxus! Bei all der Geschäftigkeit und des Stresses, der in unseren Fußgängerzonen herrscht, fällt es schwer, dem Parfum und dem Parfumkauf den passenden Rahmen und Stellenwert zu geben. Und die nüchternen Räumlichkeiten eines Kongresshotels sind da nicht viel besser.

Mein Besuch wurde gekrönt durch eine persönliche Einladung in die „Opera Lounge“. Abseits vom Trubel hat die Marke Histoires de Parfums einen eigenen Raum angemietet, um ausgewählten Besuchern die Parfums der Opera Reihe angemessen präsentieren zu können. Ein Halbdunkel mit Kerzenschein, rotem und schwarzem Samt. Den Gesang der Callas im Hintergrund, ein Glas Prosecco in der Hand, betrachtete ich die Edition: 5 Parfums in individuellen Art-Deco Flakons. Ein jeder Duft trägt die Jahreszahl der Uraufführung der Oper, der er gewidmet ist. Sie kommen in rot lackierten, feinen Boxen, die durch Magnete verschlossen werden. Innen der Flakon und ein Schlüssel – eine Spieluhr mit der Melodie der berühmtesten Arie der Oper!

Die Düfte sind alle schön und haben – wie könnte es anders sein – Grandezza: damenhaft, divenhaft, opulent mit vielen weißen Blüten. Was für ein Geschenk!

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