Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 19

Die Zeitkapsel

Ich schenke meinem Neffen gerne Bücher. Bücher sind wichtig! Ich vertrete zwar vehement die Meinung, dass man auch mit Parfum an sich ja gar nicht früh genug anfangen kann, aber vor dem Einsetzen des Stimmbruchs und der ersten flaumigen Gesichtsbehaarung kann man sich damit zumindest in der Grundschule noch ein klein wenig Zeit lassen. Also schenke ich meinem Neffen Bücher, mein Lego hat er ja bereits. Nicht nur neue Bücher, sondern auch Bücher in alter Rechtschreibung und mit mittlerweile politisch unkorrekten Bezeichnungen wie von Astrid Lindgren. Nachdem mir eigener Nachwuchs leider versagt geblieben ist, migriere ich einen Grossteil meiner alten Bücher sukzessive zu meinem Neffen. Diejenigen Exemplare, die nicht ganz so dolle sind oder ihm nicht gefallen, landen in den beiden Büchertelefonzellen in der Nachbarschaft. Aber diese strahlenden Kinderaugen, wenn sie mal hier eine Ladung Comics von Garfield, dort ein Konvolut Asterix und da die gesammelten Werke von Tim und Struppi zu Gesicht bekommen, unbezahlbar. Schier übergeschnappt ist der Junge allerdings, als nach Die ??? und das Gespensterschloss beim nächsten Besuch noch die nächsten 36 Folgen als Hardcover folgten.

Nach dem Zusammenziehen mit meiner Schwebenden Pfirsichblüte vor mittlerweile auch schon 12 Jahren, sind fast alle meiner alten Kinder-und Jugendbücher in Trageboxen im Keller gelandet. Gleichbleibende einigermassen niedrige Temperaturen, keine Feuchtigkeit, fast kein Staub und nur wenige Insekten und Spinnentiere, das lieben neben Parfums auch Bücher sehr. Lange habe ich nicht mehr in den unteren Trageboxen gestöbert, ... aber da muss doch noch, ich hatte doch mal ... Meine Erinnerungen trügen nicht, früher oder später findet sich alles wieder an. Auch Schätzchen, die man schon lange aus dem Gedächtnis getilgt hat, kommen wieder zum Vorschein, Erinnerungen werden aufgefrischt, die Synapsen verknüpfen allerlei Gefühle und Erlebnisse von damals wieder neu. Es ist nichts verloren, man muss nur auf die richtigen Tasten der grossen und breiten Klaviatur des Lebens drücken.

Und irgendwann öffnet man zwei Trageboxen, ganz weit hinten, ganz unten in einem Stapel und man fragt sich: "Was zur Hölle ...???"

Und irgendwann buckelt man dann schweissüberströmt diese beiden Trageboxen hoch in die Wohnung und die Schwebende Pfirsichblüte fragt dich: "Was zur Hölle ...!!!"

Zwei grosse Trageboxen voll mit Parfumpröbchen!

Nach ersten Schätzungen des inventurgeschulten Buchhalters, die Finger und Zehen gingen mir irgendwann aus, denke ich jetzt mal so, ganz vorsichtig überschlagen, knappe 750-800 Pröbchen.

Die allermeisten sind Designerdüfte, so 75%, dann ein paar Drogeriedüfte, ja auch da gab es früher mal Proberöhrchen und knappe 20% Nischendüfte. Einige Dutzend Abfüllungen sind auch dabei und zum Glück kann man die Beschriftungen bis auf ein paar wenige Ausnahmen noch gut entziffern und zuordnen.

Wie durch ein Wunder sind die allermeisten Röhrchen auch noch voll! Bei einige ist der Füllstand auf knappe 50-75% gesunken, aber die meisten Röhrchen sind noch (fast) ganz voll.

Nach ersten Tests bei Duplikaten kann ich sagen, dass sich nicht nur die Farbe durch die Bank weg sehr gut gehalten hat: Fast alle Flüssigkeiten sind noch sehr klar, die wenigen nachgedunkelten trüben braunen Suppen kann man an einer Hand abzählen. Auch bei den Düften selbst konnte ich noch keine gekippten Flüssigkeiten feststellen. Keine Katzenpisse bislang. Toi Toi Toi und dreimal kräftig auf Holz geklopft!

Und das alles nach zwölf Jahren und mehr.  Nach aufwendigen Recherchen konnte ich noch keinen Duft und kein Packungsdesign finden, welches jünger gewesen wäre. Ich bin beeindruckt von dieser kleinen Zeitkapsel und freue mich schon darauf, mich da durch ein paar alte Schätzchen durch zu testen.

Ich bin noch immer in der Sichtung und Ordnung, doch kann ich mittlerweile sagen, dass meine Schwebende Pfirsichblüte eher wenig begeistert ist. Zumindest kann Sie Ihre Euphorie noch nicht so richtig ausleben. Das Arbeitszimmer und der Bereich um den Schreibtisch steht voll mit allerlei Zeugs, die Bude riecht jetzt im Hochsommer wie eine Douglas-Filiale mit defekte Lüftung. Nach letzten zähen Verhandlungen darf ich den Inhalt eines Schuhkartons (Merkzettel: Dringend Winterstiefel kaufen!) in der Wohnung behalten, der Rest muss wieder ziemlich zügig in den Keller.

Alles weitere entnehmt bitte meinen Statements und vielleicht schreibe ich auch mal wieder ein paar Rezensionen.

To be continued ...