Chnokfir
Verbale Interaktion chnokfir mit Parfum
vor 3 Jahren - 20.09.2021
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Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 13

Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 13

Corona

Ja, mit Corona hat jeder so seine Erfahrungen gemacht und die meisten werden diesen Begriff und alles, was damit zu tun hat, wohl nicht mehr hören können, ohne Stresspusteln zu bekommen.

Seinerzeit im März 2020 hat mein Chef das gesamte Unternehmen ausnahmslos von einem Tag auf den anderen nach Hause geschickt, bei meiner Frau dauerte es einige Wochen länger - Öffentlicher Dienst. Zum Glück hatte mein Vorstand dann irgendwann ein Einsehen und so durfte ich zunächst an einzelnen Tagen, später dann häufiger und regelmässig wieder ins Büro, weil irgendeiner muss sich ja um Post, Pakete, Hausmeister, Handwerker, externe Dienstleister, etc. pp. kümmern, zumal es sich anbietet, wenn man als eierlegende Wollmilchsau der Buchhaltung und Verwaltung quasi um die Ecke vom Büro wohnt. Glückwunsch!

Bei meiner Frau nicht anders, als Leiterin einer Bibliothek kann man insbesondere den Part mit den Büchern nicht zwingend remote von Zuhause aus machen, aber bei ihr dauerte diese Entscheidung noch länger.

Und da sassen wir also doch häufiger gemeinsam daheim im Home-Office und die Dinge schienen aus dem Ruder zu laufen: Ich, unrasiert, dafür mit 3mm-Corona-Haurcut, Katzenwäsche, ausgewaschenes Motörhead-Shirt zu Yoga-Pants. Wenn ich nicht gerade skype oder in Teams-Meetings abhänge, oder lauthals über die miese Internetverbindung fluche, höre ich bei meiner konzentrierten Buchhaltungstätigkeit laut meiner Frau gerne mal laut "seltsame" Musik. Räumliche Trennung war geboten, denn ich telefoniere nicht nur oft und lang, sondern scheinbar auch laut und "nervig." Ich will nicht mit meinen Kindheitstraumata anfangen, aber geschlossene Türen zum ziemlich kleinen Büro sind keine gute Option für mich.

Das alles haben SIE und ich noch ganz gut hinbekommen und gelernt uns zu arrangieren. Doch spätestens bei meinem täglichen Office-Duft war es vorbei mit Burgfrieden und Völkerverständigung.

Bis dato war es vor Corona so, dass ich meiner schwebenden Pfirsichblüte ihren Schönheitsschlaf gegönnt habe - also, nicht dass sie ihn nötig hätte. Aber ich habe SIE ausschlafen lassen, habe mich stets in aller Herrgottsfrühe ohne Licht aus dem Bett geschlichen, habe mich leise im Bad fertig gemacht, habe die am Vorabend herausgelegten Klamotten angezogen, habe IHR im Dunklen einen Kuss aufgehaucht, habe mich erst dann parfumiert und Sekunden später die Wohnungstür leise von aussen zugezogen und kam erst zehn Stunden später wieder nach Hause. So konnte SIE ausschlafen, hatte SIE dann für sich das Bad allein und konnte SIE morgens vor sich hin sumsen, tun und machen. Und SIE bekam von meinen Büro-Düften nichts mit.

Denn es hatte sich bereist vor Jahren irgendwann herauskristallisiert, dass ich in meinem Portfolio den einen oder anderen Duft besitze, den SIE partout nicht an mir mag, den ich aber auch nicht aufgeben möchte. So kam man überein, sprich: SIE riet es mir an, dass ich den einen oder anderen Duft doch besser im Büro trage und die für SIE angenehmen Düfte für unsere gemeinsame Zeit aufhebe. So trifft es sich gut, dass die Arbeitswoche fünf Tage hat, die Wochenenden jedoch kürzer sind.

Nun, im Home-Office sitzt man daheim am Rechner, doch die allermeisten Düfte darf ich nicht tragen, denn knappe sechs Meter entfernt um zwei Ecken herum bei offener Tür kann meine Frau mich bestens riechen. Das kam da  im Frühjahr 2020 zu so einigen Verwerfungen. Nicht nur, dass wir uns im Bad auf die Füsse traten, dass ich von Telcos nicht viel mitbekam, weil der Fön nebenan dröhnte und fönte oder dass wir uns mit unseren nicht abgesprochenen Frühstücksvorlieben gegenseitig die Butter vom Brot nahmen, ich wurde auf IHR Geheiss zu rituellen Waschungen geschickt, weil SIE meinen aktuellen Duft nicht goutierte. Also einmal Reset und einen neuen Duft in homöopatischen Dosen auftragen.

Da traf es sich dann gut, als mein Vorstand mich wieder regelmässig und oft ins Büro liess. Oft war ich ganz allein, hätten nicht ab und an der Briefträger oder Paketbote geklingelt oder der Hausmeister irgendwas zu reparieren gehabt. Ich werde oft gefragt, ob es so allein in einem 200-Personen-Büro nicht gruselig ist? Aber nein, es ist eine Wohltat. Wären da nicht immer wieder auch noch die Kollegen, die unangekündigt ins Büro mussten, weil daheim das Internet nicht wollte oder dies oder das. Ich kam also nicht wirklich in die Versuchung, mal splitterfasernackt über die Büroflure zu flitzen. Obwohl...

Und dann sitzt man so allein im Büro, während des zweiten Lockdowns, nur noch alle paar Minuten rollt ein Auto auf der sonst dichtbelebten Strasse vorbei, vom Flughafen München gegenüber starten die Flieger nur noch höchstens alle Viertelstunde und man kann sich so richtig gehen lassen. Jogginghosen zu alten Tour-Shirts, der altehrwürdige Wirtschaftsprüfer vis-a-vis in der Telco versucht standhaft, diesen Standard noch zu unterbieten und ich kann endlich all die Düfte tragen, von denen ich sonst nicht zu träumen wagte. All die Tester und Pröbchen, die weder für SIE noch die Nasen der Kollegen im Büro oder engen Meetingräumen zumutbar wären. Endlich alle durchtesten. Und da war ich dann auch selten sparsam. Was tun, wenn man eine halbe und eine ganze Ampulle "Black Afghano" oder "Brutus" vor sich hat. Gönn dir! Beide!! Baller dich so richtig voll damit!!! Gut, die Mädels am Bäckereitresen schauen etwas schal, der Knabe am Burger-King- Drive-Thru will sein Fenster schon gar nicht mehr auf machen, wenn er mein Auto wiedererkennt und der Postbote stellt seine gelbe Kiste auch statt zu klingeln einfach vor die Tür. So vergrätzt man sich auch noch seine allerletzten Sozialkontakte.

Und dann passiert das Allerschlimmste in dieser Pandemie: Man findet einen Impfstoff, nur die wenigsten Kollegen - wer hätte das gedacht?! - sind Querdenker und der Vorstand lässt wieder mehr Kollegen in die Büros! Vorbei die Glückseligkeit, zumindest wieder Leggings gegen Jeans und Tour-Shirts gegen Polos getauscht, aber die Freiheiten in Bezug auf meine Düfte wollte ich mir nicht nehmen lassen. Doch auch bei den zunächst sehr wenigen Kollegen kann man anecken. Spätestens als mein ansonsten eher introvertiert agierende algerische IT-Mitarbeiter meinte, ich würde nach Dromedar-Dung riechen, wusste ich, mein kurzer Ausflug in die Welt des Oud ist schon wieder vorbei. Wenn nicht er, wer dann?

Gehe ich also jetzt wieder zu meinen normalen Büro-Düften über. Ausser an Home-Office-Tagen, die ich mit meinem Chef und meiner Frau abspreche. Denn dann ist meine Frau bei sich im Büro und ich bin endlich mal wieder einen ganzen Tag allein daheim und kann Düfte tragen, welche und so intensiv wie ich es will. Es gibt da so Momente, da wünsche ich mir ein Vierte Welle herbei, nur kurz und gar nicht schlimm. Nur so sehr, dass ich wieder allein im Büro sein darf ...

To be continued ...

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